• Skip to main content
  • Zur Hauptsidebar springen

ZivilCourage

  • Archiv
    • 2021
    • 2020
    • 2019
    • 2018
  • Artikel
    • Atomwaffen
    • DFG-VK
    • Pazifismus
    • Wehrpflicht
  • Über uns
  • DFG-VK

202102

15. Juni 2021

Global betrachtet

Dieser Beitrag ist erschienen in der
ZivilCourage 4/2021

International

100 Jahre War Resisters´ International: Leider notwendig wie nie!

Von David Scheuing

Frieden zu erkämpfen ist keine neue Aktivität – aber sie ist in den vergangenen 100 Jahren immer wieder vor immer noch größere Aufgaben gestellt worden. Gegen den Krieg der großen Völkerschlachten zu werben war anders, als vor der technisierten Kriegsführung zu warnen, vor dem Atomkrieg oder heute der Gefahr automatisierter Kriegsführung. Seit nunmehr 100 Jahren haben wir alle uns in der Internationale der Kriegsgegner*innen zusammengeschlossen – 2021 ist unser Jubiläum: auf Englisch so schön wie schlicht „Centennial“. Doch ein Anlass zur Rückbesinnung stellt auch immer wieder die Frage, wo wir heute stehen.

WRI 100

Den „wirklichen“ Geburtstag der WRI haben die Organisationen schon gefeiert – mit einer virtuellen Feier des gemeinsamen, weltweit verwendeten Logos des zerbrochenen Gewehrs. Vom 23. bis 25. März 2021 wurden über die sozialen Medien von so vielen Mitgliedsorganisationen wie möglich Beiträge zur Geschichte des zerbrochenen Gewehrs, verschiedener Ereignisse aus den letzten 100 Jahre und viele Bilder aus der Geschichte der WRI geteilt. Doch dies ist erst der Anfang der Feierlichkeiten. Der Rat der WRI hat vor dem Hintergrund der Pandemie und deutlich begrenzter Möglichkeiten physischer Feiern beschlossen, das Jahr 2021 primär in den Fokus des Erinnerns zu stellen – das Zurückdenken, im Archiv kramen und lokale Bedeutungen hervorheben. Alle Ausstellungen, Events, Bilder und Materialien können unter https://bit.ly/3swDy2X gefunden werden.

Dort findet sich aktuell auch eine Ausstellung zu Konflikttextilien – einer Konflikt- und Traumabearbeitungsmethode, die Konfliktkonstellationen via Stickerei, Weberei oder anderer textiler Materialien zum Ausdruck zu bringen versucht. Sehenswert!

Sollte die Pandemie es zulassen, wird es auch in diesem Jahr (voraussichtlich im September) ein größeres internationales Festival und Tagung in Utrecht geben: WRI-next generation! Diese Tagung will versuchen, den Blick auf die nächsten 100 Jahre zu werfen und herauszuarbeiten, was vom heutigen Stand aus gesehen die Themen und Organisationszusammenhänge der „nächsten Generation“ sein werden. Ich halte euch auf dem Laufenden! 

15. Mai: Internationaler Tag der Kriegsdienstverweigerer*innen

Neben all den Feierlichkeiten soll aber auch nicht aus dem Blick geraten, was akut weiter notwendig ist: die Unterstützung von Kriegsdienstverweigerer*innen weltweit und die Arbeit für eine gewaltfreie Welt. Zum diesjährigen internationalen Tag der Kriegsdienstverweigerer*innen steht die Türkei im Fokus. Zusammen mit Connection e.V. werden (wiederum der Pandemie geschuldet) über die gesamten Monate April und Mai Material, Aufrufe, Statements und Petitionen zur Kriegsdienstverweigerung in der Türkei publiziert werden. Hier kann das Material gefunden werden: https://bit.ly/3grhjZF

Es sollen aber auch die üblichen kritischen Veranstaltungen vor Ort stattfinden. Für Deutschland heißt dies: DFG-VK, Connection und EAK haben einen digitalen Austauch zur eigenen Verweigerer*innenbiographie angeregt. Gäste werden u.a. Hannah Brinkmann („Gegen mein Gewissen“), Werner Glenewinkel, Gaby Weiland, Gernot Lennert und Rudi Friedrich sein. Die Veranstaltung findet digital statt, weitere Infos auf Seite 18 in diesem Heft; Anmeldungen bei Connection-eV.org

Myanmar

Desertion und Widerstand. Seit nunmehr fast vier Monaten herrscht in Myanmar wieder unumschränkt die Junta. Viel wird dankenswerterweise über die erstaunlich furchtlose und dabei gewaltfrei agierende zivilgesellschaftliche Protestbewegung berichtet. Dabei zeigt sich, was internationaler Austausch der Zivilgesellschaft, das globale Teilen von Wissensrepertoires zu gewaltfreiem Widerstand und die Zugänglichkeit (wie sehr auch immer sie beschränkt sein mag) zum Internet in nur knapp 10 Jahren möglich machen kann. Es zeigt aber auch: 

Durch direkte und brutale Aktion des Militärs hat sich die anfangs sehr diverse und egalitäre Protestbewegung verändert. Es bleibt die Hoffnung, dass sich der radikal-gewaltfreie Widerstand durchsetzen wird. Ein ermutigendes Zeichen: Die seit Beginn des Coups arbeitende zivilgesellschaftliche Boykott- und Generalstreiksbewegung funktioniert und setzt die Mittel der finanziellen, infrastrukturellen und klassisch arbeitsverweigernden Blockade des Militärs effektiv ein. Abseits der großen Medienöffentlichkeit gibt es einzelne Berichte über desertierende Soldat*innen, Polizeikräfte und Botschaftsangestellte – wichtig wird auch hier der menschenrechtliche Schutz sein. Die WRI hat im März ein Statement zur Unterstützung der Protestbewegung formuliert. Hier kann es eingesehen werden: https://bit.ly/3gnUNkf

Kurz notiert

Ruslan Kotsaba. Dem ukrainischen Pazifisten wird wieder einmal der Prozess gemacht. Nicht nur vor dem Hintergrund der aktuellen Spannungen zwischen der Ukraine und Russland ist der Prozess von tätlichen Angriffen auf Kotsaba selbst und einer unerträglichen Stimmung sowie rechtlichen Unzulänglichkeiten überschattet. Das European Bureau for Conscientious Objection (Ebco) ruft die Ukraine dazu auf, den Prozess mit sofortiger Wirkung einzustellen: https://bit.ly/32ttbSW

Krieg im Jemen. Nach einer kurzen Verschnaufpause gehen die Exporte der britischen Rüstungskonzerne nach Saudi-Arabien mit unvermittelter Stärke weiter. Die Kampagne gegen Waffenhandel (Campaign Against Armes Trade, CAAT) ruft weiter zur Blockade der Exporte auf und versucht wieder, rechtliche Mittel einzulegen. Derweil hat Italien einen totalen Exportstopp aller Waffen nach Saudi-Arabien verfügt. Überraschenderweise hat US-Präsident Biden im Februar Ähnliches verlauten lassen, tatsächliche Beschränkungen sind aber noch nicht erlassen. (caat.org.uk; wri-irg.org)

Syrien-Krieg und Verweigerer*innen. WRI, Connection und weitere Organisationen berichten, dass die Verweigerung des Militärdienstes auf allen Seiten der kämpfenden Parteien im syrischen Bürgerkrieg drastische Konsequenzen für die Verweigernden hat. Mehr dazu: https://bit.ly/3ebgDFe

CAAT für Nobelpreis nominiert. Die britische Organisation CAAT wurde zusammen mit Mwatana for Human Rights, einer jemenitischen Menschenrechtsorganisation, für den Friedensnobelpreis vorgeschlagen. Ich freue mich für die beiden Organisationen, die wie nur wenige andere dazu beigetragen haben, dass wir über den Krieg im Jemen heute so viel wissen, auch über die Verstrickungen westlicher Rüstungskonzerne. Herzlichen Glückwunsch! (caat.org.uk)

Anerkennung nicht-religiöser Verweigerung. In Südkorea ist zum ersten Mal überhaupt ein nicht-religiös begründeter Verweigerungsantrag gerichtlich als legitim anerkannt worden. Nach der (hier mehrfach berichteten) Zaghaftigkeit der letzten Jahre ist dies ein neuer und hoffnungsvoller Schritt. (wri-irg.org)

Ausblick

10 Jahre Arabellion/Arabischer Frühling: Vor etwas mehr als zehn Jahren begann mit den Demonstrationen in Tunesien die größte gewaltfreie Massenerhebung im Nahen und Mittleren Osten jemals. 2021 fällt es bei anhaltenden Gewaltkonflikten in einigen Staaten und der Rückkehr zu autoritären Verhältnissen in anderen Staaten schwer, sich an die Ursprünge, die Hoffnungen und Erwartungen zurückzuerinnern.

Doch auch für eine Erinnerung an die Kraft der Gewaltfreiheit müssen wir  das tun. Fast schon ein Klassiker als Leseempfehlung ist: Gamblin/Sommermeyer/Marin (Hrsg.) (2018): Im Kampf gegen die Tyrannei. Graswurzel-Verlag; ISBN 978-3-939045-34-2

David Scheuing ist Vertreter der DFG-VK bei der War Resisters´ International (WRI), dem internationalen Dachverband der DFG-VK mit Sektionen in weltweit 45 Ländern, gewählt. An dieser Stelle berichtet er regelmäßig in der ZivilCourage aus der WRI, um den LeserInnen das globale Engagement von KriegsgegnerInnen sichtbar zu machen. Das sind keine tieferen Analysen, sondern kleine kursorische Überblicke und Nachrichten; es geht dabei nicht um Vollständigkeit, vielmehr um Illustration. Ideen und Vorschläge für kommende Ausgaben sind erwünscht. Der Autor ist erreichbar unter scheuing@dfg-vk.de

Kategorie: International Stichworte: 15. Mai, 202102, internationaler kdv-tag, kampagne gegen waffenhandel, Myanmar, ruslan kotsaba, war resisters international, wri

14. Juni 2021

Erhöhung des DFG-VK-Mitgliedsbeitrags

Dieser Beitrag ist erschienen in der
ZivilCourage 4/2021

DFG-VK intern

Der kommende Bundeskongress soll Ende Oktober darüber entscheiden

Von Christoph Neeb und Michael Schulze von Glaßer

Mit Beginn der Jahre 2006 und 2014 wurden die Beiträge für die Mitgliedschaft in der DFG-VK letztmalig erhöht – die Delegierten des Bundeskongresses als dem höchsten Verbandsgremium  hatten das zuvor beschlossen. Der Mindestbeitrag liegt aktuell bei 2 Euro im Monat. Nun sind erneut acht Jahre vergangen, und die Finanzkommission als von der Satzung vorgesehenes Gremium diskutiert über eine mögliche Beitragserhöhung zum Jahr 2022. Hintergründe und Perspektiven werden in diesem gemeinsamen Beitrag des Bundeskassierers und des politischen Geschäftsführers dargestellt.

Seit unserer letzten Beitragserhöhung hat sich in unserem Verband viel zum Positiven bewegt: Die Zahl der Mitglieder ist gestiegen, und wir konnten – und können – viele Erfolge vorweisen. Die Aktivitäten der einzelnen Gliederungen sind beeindruckend. Die gesteigerten Aktivitäten zeigen sich allerdings auch bei den Bundesausschusssitzungen zum Haushaltsplan: Es wird immer weit mehr Geld für Projekte und andere Posten beantragt, als vorhanden ist. Selbst mit zum Teil drastischen Kürzungen (in Einzelfällen bis auf „0“) hat sich die Haushaltslage in den letzten Jahren immer weiter verschärft. Das Jahresergebnis (ohne Abschreibungen, ohne Darlehenstilgung und ohne Ertrag durch Verwahrgelder) betrug 2016: +1.287,17, 2017: +2.476,66, 2018: -31.347,93 und 2019 (vorläufig, da noch kein endgültiger Jahresabschluss vorliegt): -56.900,00. Hinzu kam eine jährliche Inflationsrate von bis zu 1,8 Prozent. Dank einer hohen Liquidität war das Minus der letzten Haushalte (deren Pläne jeweils mit einer Zweidrittelmehrheit vom Bundesausschuss beschlossen wurden) zwar nicht wünschenswert, aber möglich (unser Verband ist weit davon entfernt, überschuldet zu sein) – das Liquiditätspolster ist mittlerweile aber geschmolzen, weshalb ein „weiter so“ nicht möglich ist. Entweder schränken wir unsere Aktivitäten massiv ein oder wir beschließen eine Lösung zur besseren finanziellen Ausstattung des Verbandes.

Aus den Finanzmitteln des DFG-VK-Bundesverbands werden all unsere politisch-inhaltlichen Kampagnen (mit)finanziert – und das durchaus erfolgreich: Seit Jahren sind Waffenexporte aus Deutschland an Staaten wie Saudi-Arabien und die Türkei ausgesetzt (die Kampagne „Aktion Aufschrei – Stoppt den Waffenhandel“ wird aus dem Haushalt des DFG-VK-Bundesverbands finanziert); die Bewaffnung von Bundeswehr-Drohnen konnten wir 2020 verhindern (die „Drohnen-Kampagne“ wird aus dem Haushalt des DFG-VK-Bundesverbands finanziert); bei Atomwaffen konnten wir 2021 das Inkrafttreten des Verbotsvertrags feiern  (die Kampagne „Büchel ist überall! atomwaffenfrei.jetzt“ wird aus dem Haushalt des DFG-VK-Bundesverbands finanziert) und die Bundeswehr schafft es trotz eines Millionen-Euro-Werbebudgets nicht, genügend Rekrut*innen zu bekommen (die Kampagne „Unter 18 nie! Keine Minderjährigen in der Bundeswehr“ wird aus dem Haushalt des DFG-VK-Bundesverbands finanziert, und zudem gibt es noch einen eigenen Finanztopf gegen Bundeswehr-Werbung). 

Doch die Arbeit an den Themen ist durch das immer enger werdende Finanzbudget gefährdet – schon heute wird nahezu jeder Haushaltsantrag massiv gekürzt. Und für einige Wunschthemen wie etwa die „Militarisierung der Polizei“ ist gar kein Geld vorhanden.

Auch für unsere Verbandsstrukturen hat der Haushalt des DFG-VK-Bundesverbands enorme Bedeutung. Die Bundesausschuss-Sitzungen werden über ihn finanziert. Und auch die für die Zukunft unseres Verbands enorm wichtige AG Jugend/U35, in der unsere jungen Mitglieder aktiv sind, ist auf Bundesebene organisiert und wird von dieser jährlich mit etwa 4 500 Euro unterstützt. Auch die UN-Jugenddelegationen werden aus dem Haushalt des Bundesverbands (mit)finanziert – und sorgen für neue, junge Mitglieder.

Diese Arbeit bringt uns tatsächlich neue Mitglieder ein, damit aber nicht automatisch mehr Geld. Zwar ist unser Verband zwischen 2014 und 2021 – unterm Strich – um 215 Mitglieder gewachsen, Neumitglieder ordnen sich bei der Beitragshöhe aber eher niedriger ein, und diejenigen, die austreten (Hauptgrund dafür ist noch immer das Ableben des Mitglieds), zahlten meist höhere Beiträge. So steigen die Einnahmen unseres Verbands aus den Mitgliedsbeiträgen (die 48 Prozent des Gesamthaushalts des DFG-VK-Bundesverbands 2019 ausmachten) zwar leicht, es wird dennoch weitaus mehr Geld für Aktivitäten gewünscht, als durch die aktuellen Beiträge hereinkommt.

Hauptaufgaben des Bundesverbandes

Eine der Hauptaufgaben des Bundesverbands ist die Unterstützung der eigenständig arbeitenden Gliederungen. Dieser Aufgabe wurde seit 2015 eine höhere Priorität zugeordnet, wobei aber auch Kosten entstehen: Um mit wenig Aufwand aufmerksamkeitserregende Aktionen durchführen zu können, wurden mittlerweile 15 Aktionssets zu verschiedensten friedenspolitischen Themen erstellt, die auf der DFG-VK-Website vorgestellt werden und von den Gruppen bezogen werden können.

Auch die mit Spenden finanzierte Anschaffung und der ebenso finanzierte Betrieb des DFG-VK-Bullis fiel von seiner Anschaffung 2017 bis zu seinem Verkauf Anfang 2021 in den Kostenbereich des Bundesverbands (wobei der Landesverband Baden-Württemberg die Ausgaben dankenswerterweise vorstreckte). Mit dem Aktionsfahrzeug konnten zahlreiche Ortsgruppen und Landesverbände unterstützt werden – einige Aktionen wurden durch das Fahrzeug überhaupt erst möglich. 2022 soll daher ein neues – umweltfreundlicheres – Fahrzeug angeschafft werden.

Aus den Mitteln des Bundesverbands wird zudem unsere Bundesgeschäftsstelle (BGS) in der Hornberg-
straße 100 in Stuttgart finanziert – sowohl die Mittel als auch unsere zwei dort arbeitenden Angestellten (Susanne Jallow und Susanne Bödecker). In unserer Geschäftsstelle wird unsere Mitgliederverwaltung organisiert und durchgeführt – unsere Angestellten sind dafür jederzeit von den Gruppen und Landesverbänden ansprechbar und versorgen diese mit Informationen. In der BGS befindet sich zudem unser sich gut entwickelnder Materialversand (www.SHOP.DFG-VK.de). Zwischen 2016 und 2021 sind mehr als 40 Flyer, 25 Aufkleber, 20 Transparente und Fahnen sowie zahlreiche weitere Materialien von Fahrradsattelbezügen über Kalender, Tassen und Regenschirme bis hin zu Baumwolltaschen entstanden, die dort bestellbar waren bzw. sind. Die Materialien werden teils kostenlos und teils zum Selbstkostenpreis angeboten – kostendeckend ist der Materialversand nicht, sondern wird vom Bundesverband finanziell bezuschusst. Politisch „lohnt“ er sich aber natürlich – und wir versorgen nicht nur unsere Gliederungen mit Materialien, sondern die ganze Friedensbewegung.

Auch digitale Infrastruktur wird durch den Bundesverband zur Verfügung gestellt: Das Grundgerüst der DFG-VK-Website – www.DFG-VK.de – kann von jedem Landesverband sowie jeder Orts- und Projektgruppe übernommen werden (viele nutzen es schon). Zudem stellt der Bundesverband mit der DFG-VK-Cloud einen Datenspeicher bereit, der zum Austausch unter den Mitgliedern und als Archiv für digitale Materialien von Fotos und politischen Karikaturen über Vorlagen für Flugblätter bis hin zu Protokollen der letzten Jahre dient. Jedes Mitglied kann einen Cloud-Account bekommen. Unser mittlerweile in Hamburg stehender Server wird vom Bundesverband finanziert und betrieben.

Auch unsere Mitgliederzeitschrift ZivilCourage, deren Erstellung, Druck und Vertrieb aktuell jährlich etwa 55.000 Euro kosten, wird aus dem Haushalt des DFG-VK-Bundesverbands bezahlt. Die Zeitschrift ist mittlerweile auch im Internet stark aufgestellt – www.ZIVILCOURAGE.DFG-VK.de

Die Beitragserhöhung soll und braucht ausdrücklich nicht dafür genutzt zu werden, unsere neue Stelle der Referentin für Lobbying in Berlin (die durch Elvin Çetin ausgefüllt wird) oder die Ausweitung unserer Stelle der Referentin für Friedenspolitik (die durch Kathi Müller ausgefüllt wird) zu finanzieren – die Stelle bzw. die Ausweitung der Stelle ist durch Spenden gegenfinanziert. Auch die bei der Anschaffung eines neuen DFG-VK-Fahrzeugs nötige Anstellung eines/einer Fahrer*in, wäre durch Spenden (u.a. aus einigen der letzten Spendenaufrufe) gedeckt.

Wir haben in den letzten Jahren viel aufgebaut, und es gibt im Verband noch viel mehr Ideen. Bei den Orts- und Regionalgruppen sowie Landesverbänden soll aber nicht gespart werden. Es bestand und besteht beim DFG-VK-Bundesverband keine Absicht, die Beitragsanteile der Landesverbände und Gruppen zu vermindern. Deswegen braucht es eine Beitragserhöhung, die dem Bundesverband in absoluten Zahlen mehr finanzielle Mittel bringt, um die aktuell laufenden Projekte in hohem Maße fortführen zu können.

Finanzkommission arbeitet an verschiedenen Modellen

Die Finanzkommission erarbeitet gerade verschiedene Modelle, wie eine Erhöhung der Beiträge dafür aussehen könnte. Beim kommenden Bundesausschuss-Treffen am 20. Juni soll darüber schon gesprochen werden. Und die Entscheidung über die Beitragserhöhung – und in welcher Höhe sie ausfällt – werden letztlich die Delegierten auf unserem 23. Bundeskongress, der vom 29. bis 31. Oktober 2021 in Halle (Saale) stattfindet, treffen.

Wir alle werden es uns dabei – wie hoffentlich schon aus diesem Beitrag ersichtlich ist – nicht leicht machen: Die aktuelle Zeit ist für viele Menschen nicht einfach. Doch gerade die Pandemie zeigt, dass die Friedensarbeit gestärkt werden muss – auch finanziell. Trotz der Gesundheitskrise, die viele Menschen im Land auch wirtschaftlich trifft, hat die Bundesregierung 2021 einen Rekord-Militärhaushalt in Höhe von 46,9 Milliarden Euro beschlossen. In Zukunft soll es noch mehr Soldat*innen und neue Waffen geben – auch ins Inland drängt das Militär dabei immer mehr. Und auch international sind wir gefragt: Noch immer wird die Welt mit Atomwaffen bedroht – zudem kommen neue Gefahren, wie etwa autonome Waffensysteme, auf. Es braucht eine ausreichend finanzierte DFG-VK, um gegenzuhalten und die Welt friedlicher zu machen!

Christoph Neeb ist DFG-VK-Bundeskassierer, und Michael Schulze von Glaßer ist politischer Geschäftsführer der DFG-VK; beide sind in der DFG-VK-Finanzkommission aktiv.


DFG-VK-Satzung: § 6 Beiträge

(1) Jedes Mitglied ist verpflichtet, den vom Verband festgesetzten regelmäßigen Mitgliedsbeitrag zu zahlen. In sozialen Härtefällen ist eine zeitlich begrenzte Beitragsbefreiung auf Antrag zu gewähren.

(2) Über die Beitragshöhe, Beitragsstaffelung und Beitragsverteilung auf die Gliederungen des Verbandes entscheidet der Bundeskongress.

Kategorie: DFG-VK intern Stichworte: 202102, Bundesgeschäftsstelle, Bundeskassierer, Bundeskongress, Bundesverband, Finanzkommission, Friedensbewegung, Haushaltsplan, Lobbying, Materialversand, Spenden, Zeitschrift, ZivilCourage

14. Juni 2021

Informationen „aus dem Maschinenraum“

Dieser Beitrag ist erschienen in der
ZivilCourage 4/2021

DFG-VK-Info

Technische Umstellungen der DFG-VK-Homepage bieten Vorteile für Gruppen

Von Ralf Buchterkirchen und Jérôme Drees 

Um eine komplexe Homepage, wie die der DFG-VK (https://dfg-vk.de) mit ihren 19 Gruppen- und Kampagnenseiten betreiben zu können, bedarf es eines sogenannten Content Management Systems, kurz CMS. Damit ist es möglich, dass verschiedene Personen ohne tiefergehende Kenntnis der Funktionsweise eines Webservers Inhalte einstellen und damit allgemein verfügbar machen können. 

Unsere Präsenz im Internet ist ein wichtiger Baustein unserer Sichtbarkeit. Das bisher verwendete System Contao, welches teilweise schwergängig zu bedienen war und uns Administrator*innen immer wieder vor Herausforderungen stellte, genügte unseren Ansprüchen an ein modernes und vor allem flexibles System nicht mehr. Daher beschloss die Arbeitsgruppe Medien vor ziemlich einem Jahr, einen Umzug auf WordPress zu prüfen. 

Gesagt – getan. Einige Monate später stand das Konzept, und uns war klar, dass eine Migration nicht wie erhofft automatisch auf Knopfdruck möglich sein würde. Kommerzielle Anbieter*innen, die dies offerierten, funktionierten entweder nicht so, dass es für uns sinnvoll gewesen wäre, oder waren mit einem geforderten Preis von 24.000 Euro (!) einfach zu teuer. 

Es musste also Handarbeit sein. In verschiedenen Onlinemeetings vorgestellt, immer wieder neu diskutiert, vom Bundesausschuss verabschiedet und mit hohem Einsatz insbesondere derer, die für die Homepageinhalte verantwortlich sind, haben wir es geschafft und konnten die Bundesseite und einen Großteil der Gruppenseiten auf die neue Plattform übernehmen und am 12. März live gehen.

Sicher sind noch einige kleinere und vielleicht auch größere Anpassungen notwendig, aber sicher kann man die Umstellung als Erfolg verbuchen. Wir hoffen, dass bis Juni alle bisherigen Gruppen die Umstellung ebenfalls vollzogen haben. Erfreulich ist auch, dass im Rahmen der Migration bereits zwei weitere Gruppen eine eigene Homepage über die DFG-VK haben, weitere werden folgen. Und auch die ZivilCourage ist jetzt kein einfacher Unterpunkt der Hauptseite mehr, sondern hat eine eigene unabhängige Webpräsenz. 

Welche Vorteile bringt die Umstellung für die Friedensarbeit? 

Wir sind flexibler. Im wenigen Minuten können wir eine Kampagnenseite aufbauen und online bringen, für die Ersteller der Inhalte ist es sehr einfach und ohne größeres technisches Wissen möglich, Inhalte flexibel layoutet ins Netz zu bringen. Wir bewegen uns technisch auf dem aktuellen Stand und erfüllen alle an uns selbst gestellten (und natürlich auch die gesetzlichen) Anforderungen an den Datenschutz. 

Auch neue Präsentationsformen sind einfacher möglich und zu implementieren. Jacob Seiffert hat sich zur Aufgabe gemacht, die Beiträge aus der Zivilcourage einzusprechen und über Soundcloud verfügbar zu machen. In Zukunft wird in der Onlineausgabe der Zivilcourage hinter vielen Artikeln ein entsprechendes Icon sein, über das man direkt den Beitrag anhören kann.

Aufgrund der Popularität von WordPress gibt es zahlreiche Erweiterungen, die uns auch neue Formen der politischen Aktion ermöglichen sollen, beispielsweise automatisch generierte Briefe an Abgeordnete, Unterschriftensammlungen, selbst interaktive Tool wie ein „Wahl-o-mat“ sind denkbar. All dies wird nach und nach implementiert werden.

Was bedeutet das für die DFG-VK-Gruppen? Wenn eine Gruppe eine eigene Webpräsenz möchte, wendet sie sich an admin_it@dfg-vk.de. Sie bekommt dann eine eigene WordPress-Instanz und kann dort frei agieren. Die Hauptinstallation kümmert sich um Layout, Updates und grundsätzliche Funktionen, also den ganzen Technikkram, die Gruppe braucht sich nur um die Inhalte zu kümmern. Gerne führen wir dazu auch Schulungen durch und organisieren Erfahrungsaustausch. Es gibt sicher keinen einfacheren Weg, an eine Friedenshomepage zu kommen.

Der Wechsel von Contao auf WordPress war ein großer, aber wichtiger Schritt, weitere kleinere werden nach und nach folgen, um unsere bekannte Aktionsfähigkeit auf der Straße auch virtuell zu untermauern.

Ralf Buchterkirchen und Jérôme Drees sind die Admins (englische Bezeichnung für AdministratorInnen, BetreuerInnen) des elektronischen Netzwerks der DFG-VK.


Bei der DFG-VK verwendete Tools

Mail: Gruppen und Einzelpersonen (soweit für die Verbandsarbeit nötig und sinnvoll) bekommen eine Mailadresse mit der Endung @dfg-vk.de. Das kann sowohl eine Weiterleitung als auch eine echte Mailadresse sein, von der aus auch versendet werden kann.

Homepage: Allen Gruppen und Arbeitsgemeinschaften steht die Möglichkeit offen, die eigene Gruppe unter [Gruppenname].dfg-vk.deins Netz zu bekommen. Infrastruktur, Software, Grundlayout und technischer Support werden gestellt.

Cloud: Über die Cloud können zahlreiche Dokumente abgerufen werden (Stand Ende März: ca. 45 Gigabyte), eigene Bilder und Material können zur Verwendung für andere hochgeladen werden. Jedes Mitglied kann einen Zugang über verwaltung@dfg-vk.deerhalten. Für Gruppen stehen bei Bedarf weitere Unterstützungstools (Aufgabenverwaltung, interne Datenablage etc.) zur Verfügung. Die verwendbaren Tools werden fortlaufend ausgebaut.

PHPlist: Über den Newsletterdienst können Rundbriefe verschickt werden. Bundesverband und verschiedene regionale Gruppen nutzen das Tool zur Kommunikation bereits.

Pad: Über ein Pad lässt sich einfach und ohne Anmeldung eine gemeinsame Arbeitsfläche zum gemeinsamen und synchronen Schreiben an Texten aufrufen. Das Pad ist unter https://pad-dfg-vk.de zu erreichen.

Weitere Tools, die wir nutzen, sind der Shop, der derzeit ebenfalls auf ein neues technisches System umgerüstet wird, sowie unser Analysetool Matomo. Anmeldung und Nachfragen zu diesen wichtigen Arbeitstools bitte an admin_it@dfg.vk.de. Bitte ausschließlich an diese Adresse alle Mitteilungen über Fehlfunktionen und Ausfälle richten.

Kategorie: DFG-VK Stichworte: 202102, Admin, Aktion, CMS, Erfahrungsaustausch, Friedensarbeit, Friedenshomepage, Homepage, Präsenz, Webserver, Website, Wordpress, ZivilCourage

14. Juni 2021

Vom Rassismus in der Friedensbewegung

Dieser Beitrag ist erschienen in der
ZivilCourage 4/2021

Antimilitarismus

Anmerkungen zu einem Versuch

Von Ernst Rattinger

Gleich drei Web-Seminare zum Thema „Rassismus in der Friedensarbeit?“ veranstaltete die DFG-VK in den letzten Monaten. 

Den Anfang machte Aretha Schwarzbach-Apithy, Dozentin an einer Fachschule für Sozialberufe, mit einem historischen Einstieg ins Thema. Historisch heißt in diesem Zusammenhang nicht „Entwicklung des Kastensystems in Nordindien“, sondern die Zeit des 16. Jahrhunderts, in der mit päpstlichem Segen von Portugal und Spanien aus zuerst Westafrika und wenig später die Karibik und Mittelamerika „erschlossen“ wurde. Mit wenigen Bildern wurde anschaulich gemacht, wie von Anfang an die Unterwerfung und Markierung des schwarzen Körpers einerseits und die Erhöhung des dominanten weißen Körpers andererseits zur Herausbildung eines „rassistischen Wissens“ geführt hat. Dieses Wissen, so die Referentin, sei heute noch wirkmächtig bei der Arbeit, in sozialen Bezügen, in medialem Kontext – einfach überall. Ein ausgezeichneter Vortrag, gut strukturiert, nicht überladen, der Lust auf mehr machte. 

Wer mitmachen wollte, begegnete im zweiten Teil dem Kommunikationswissenschaftler Dr. Ali Fathi, Spezialist für systemisches Coaching und rassismuskritische Organisationsentwicklung. Mehr als 35 Personen waren am Anfang interessiert, gegen Ende waren es weniger als 15. Es dürfte am ermüdenden Vortrag des Referenten gelegen haben, dass die meisten nach mehr als einer Stunde schlicht kapitulierten. Dabei hatte der Referent zumindest in der Mitte seiner Ausführungen eine hübsche Idee zum Mitmachen: Originalzitate in bunter Mischung aus mehreren Jahrhunderten über „die Kolonien“ oder „die Schwarzen“ sollten einer bestimmten Epoche zugeordnet werden. Da konnte man staunend – oder kopfschüttelnd – erfahren, dass Aussagen, welche man eher der Kolonialzeit um 1900 zugeordnet hätte, aus einem Lehrbuch aus den 1980er Jahren stammten. Und was hat dies alles mit dem Rassismus in der Friedensbewegung zu tun? So richtig klar wurde es nicht; aber es sollte ja noch Teil 3 kommen.

Zwei Frauen vom Black Earth Kollektiv in Berlin waren die Referentinnen. Sie arbeiten zum Thema Klimagerechtigkeit aus einer intersektionalen und dekolonialen Perspektive. Wie berichten, ohne den Text zu einem Verriss des Vortrags ausarten zu lassen? Also kein Wort zur Qualität, doch halt: Wenigstens eine der Teilnehmerinnen der Fragerunde war zufrieden und fand die Äußerungen einer Referentin „total spannend“. 

Welche Schlüsse aus alledem im Hinblick auf die Friedensbewegung oder die Arbeit der DFG-VK gezogen werden sollten, das blieb und bleibt völlig unklar. Doch so musste es wohl kommen, sagte doch eine der Veranstalterinnen aus den Reihen der DFG-VK im Verlauf der Seminarreihe sinngemäß: Wir wollten halt einfach mal anfangen, etwas zu tun, einfach mal loslegen. Ja, so kann Friedensarbeit auch aussehen: Wir machen mal – und überlegen hinterher.

Ob der Gesamtverband das auch so will? Oder doch lieber sorgfältig geplante Einzelaktionen und Kampagnen gegen Drohnen, Rüstungsexporte, Kindersoldaten, Bundeswehranzeigen, Büchel-Atombomben, Militärseelsorge, KSK-Killer … Einfach mal loslegen, es gibt viel zu tun. 

Ernst Rattinger ist aktiv in der DFG-VK-Gruppe Mittelbaden und Vertreter des Landesverbandes Baden-Württemberg im Bundesausschuss

Kategorie: Antimilitarismus Stichworte: 202102, Friedensbewegung, Rassismus

11. Juni 2021

Aktivistische Basisorganisation oder NGO?

Dieser Beitrag ist erschienen in der
ZivilCourage 4/2021

DFG-VK intern

Kritik an der zunehmenden Verhauptamtlichung im DFG-VK-Bundesverband

Von Detlef Mielke

In der DFG-VK wurden in den vergangenen Jahren Stellen für bezahlte Friedensarbeit auf Bundesebene neu eingerichtet oder aufgestockt. Größtenteils wurden sie aus dem Bundesverbandshaushalt bezahlt, manchmal von einem Förderer bezuschusst. Parallel zu mehr bezahlten Kadern gab es seit drei Jahren regelmäßig ein größeres Defizit im Bundeshaushalt, das zum Teil auf die Personalkosten zurückzuführen ist. Nun wurde durch Beschluss des Bundesausschusses eine Stelle für Lobbyarbeit in Berlin besetzt. Finanziert wird sie von einem Mitglied des BundessprecherInnenkreises.

Aus dem Landesverband Hamburg/Schleswig-Holstein haben wir immer gegen die Stellenaufstockung im politischen Bereich und das damit verbundene eingeplante Defizit im Bundeshaushalt gestimmt – und sind unterlegen. Eine Anlehnung der Gehälter an den Tarifvertrag für den Öffentlichen Dienst haben wir befürwortet, ebenso eine ausreichende personelle Ausstattung der Verwaltung. Die seit Jahrzehnten bestehende 50-Prozent-Stelle für die Erstellung der ZivilCourage haben wir nie infrage gestellt.

Wir unterscheiden zwischen der notwendigen personellen Ausstattung für die Grundorganisation der DFG-VK, etwa die Mitgliederverwaltung, die Buchhaltung und den Materialversand, und den politischen Stellen wie politische Geschäftsführung, Referentin für Friedenspolitik, „Bullifahrer“ usw. Es geht uns ausdrücklich nicht um die Kompetenz der bisherigen politischen Kader, aber die Entwicklung hin zu einer NGOisierung halten wir aus finanziellen und aus politischen Gründen für falsch.

Wir betrachten nur die Entwicklung auf der Bundesebene, die Entscheidungen auf der Landesverbandsebene müssen dort verantwortet werden. Landesverbände und Gruppen entscheiden in der DFG-VK zum Glück und entsprechend der Satzung immer noch autonom – und das sollte auch so bleiben. Im Landesverband Hamburg/Schleswig-Holstein haben wir seit Jahrzehnten entschieden, keine Mitgliedsbeitragsanteile in Personalkosten zu stecken. Weniger Aktivitäten und Materialien als bei anderen Landesverbänden gibt es dadurch nicht. Sichtbar sind diese Landesverbandsaktivitäten z. B. auf unserer Homepagewww.bundeswehrabschaffen.de

Kritik an der NGOisierung der DFG-VK mit einer finanziellen Begründung

Laut Haushaltsplan ist allein in den drei Jahren 2018, 2019, 2020 ein Defizit von 131 873 Euro zusammengekommen – und das ist noch schöngerechnet. Werden AfA (Absetzung für Abnutzung) und Gruppenverwahrgelder berücksichtigt, sind es 179 793 Euro. Für 2021 ist erneut ein großes Defizit im Haushalt des Bundesverbandes eingeplant (53 119 Euro mit AfA). Die einzige Gegenstimme bei der Verabschiedung des 2021er-Haushalts Ende Februar kam von mir. 

Es ist schon abzusehen: Auf dem Bundeskongress Ende Oktober wird es vermutlich Anträge zur Erhöhung der Mitgliedsbeiträge geben – obwohl alle Mitglieder sich selbst einschätzen und ihre Beitragsstufe festlegen. Vermutlich wird es erneut Versuche geben, die Beitragsanteile für die Gruppen zugunsten des Bundesverbandes zu schmälern. 

Woher kommt das Geld für eine neue Stelle, das schon für die vorhandenen nicht da ist? Die neue Stelle für Abgeordnetenbeeinflussung in Berlin soll für den Bundesverband kostenneutral sein. Das Gehalt mit allen dazugehörigen Kosten wird von besagtem Förderer zweckgebunden finanziert. Die DFG-VK hat etwa so viele Mitglieder wie ein größerer Kleinstadtsportverein. Auch in solchen Sportvereinen gib es manchmal Begeisterte, die Spielerkader ihrer Sportart mit großen Geldbeträgen „einkaufen“. Erst einmal nichts Problematisches, solche Großspender, könnte Mensch denken. Aber letztlich entstehen, trotz guter Absichten, informelle Abhängigkeiten.

Kritik an der NGOisierung der DFG-VK mit politischer Begründung

Bezahlte Abgeordnetenbeeinflussung nutzt dem Ringen gegen Krieg und Militär und für Frieden wenig. In Berlin arbeiten 5 000 bis 6 000 bezahlte Abgeordnetenbeeinflusser*
innen. Nun kommt ein Mensch dazu und zwar ohne den großen Geldsack im Hintergrund, ohne JuristInnenstäbe, die genehme Gesetze vorformulieren, ohne Jobs, die im Drehtüreffekt für die Zeit nach dem Abgeordnetendasein ein überdurchschnittlich hohes Einkommen garantieren. 

Ein „Geschmäckle“ hat es, wenn jemand Geld bekommt, um Abgeordnete zu beeinflussen. Was ist dann bei der DFG-VK anders als etwa bei Chemieriesen, Automobilverbänden oder der Pharmaindustrie – außer die Größe des dahinter hängenden Geldbeutels? Anders ist es, wenn Bürger*innen Abgeordnete ansprechen oder zu überzeugen versuchen. Das entspricht in der Theorie dem Prinzip des Parlamentarismus. Theoretisch sollen die Abgeordneten die Bevölkerung vertreten. 

Kreativität und Bissigkeit gehen NGOs mit der Zeit meist verloren

Abgeordnetenbeeinflussung ist das, was bezahlten Kadern von NGOs zuerst einfällt. Da sie ihre Stellen finanzieren müssen, fällt ihnen natürlich auch noch die Akquise von Spenden sowie Zuwendungen von Staat und Wirtschaft als wesentliches Arbeitsfeld ein. Wir alle kennen die regelmäßigen Bettelbriefe zum Jahreswechsel. Mit der Arbeitsweise passen NGOs sich an die Strukturen des Staates an, anstatt Basisdemokratie und Bürger*innenbeteiligung zu stärken. 

Ein Zauberwort für NGOs sind Feldzüge, Kampagnen genannt. Kleine überschaubare, zeitlich begrenzte Aktivitätsabfolgen. Diese Feldzüge können dann publiziert und für sie Mittel eingeworben werden. Die bezahlten Kader werden oft als Campaigner*innen betitelt. Auch die DFG-VK hat Fortbildungen zur Campaigner*in mitfinanziert. 

Kampagnen lehnen wir nicht grundsätzlich ab, sie können aber nur dort sinnvoll taktisch eingesetzt werden, wo sie in ein langfristiges strategisches Konzept passen. Unsere programmatische Arbeit ist langfristig auf Jahrzehnte angelegt. Das widerspricht jedoch der Zeitbegrenztheit von Kampagnen.

NGO oder Bewegungsorientierung? 

NGOs reden oft mit NGOs und viel seltener mit der Bewegung. Schon bei der Frage der Tageszeit von Besprechungen klappt eine Zusammenarbeit von NGO-Kadern und Bewegungsaktiven oft nicht. Denn die Aktiventreffen finden meist an Wochenenden oder am Abend nach 20 Uhr statt; die Angestellten der Weltanschauungsfirmen wollen aber auch mal Feierabend haben – spätestens dann, wenn sie das Alter eines bürgerlichen Familienlebens mit Kindern erreicht haben und die Partner*innen maulen. 

Kader der einen NGO verstehen Kader der anderen NGO meist viel besser als gerade neu Politisierte. Also unterstützen sie sich bei ihren Fotoaufstellaktionen etwa vor dem Reichstagsgebäude in Berlin. Ganz normale Freizeitaktivisten kommen selten in großer Zahl dazu. Zu verfolgen ist das auf diversen Fotos z.B. auf den Homepages von unter 18 nie, Macht Frieden usw. Sicherlich sind bei kleinen lokalen Aktionen meist nicht viel mehr Aktive, diese werden aber auch nicht als „Berufsdemonstrant*innen“ für viel Geld bezahlt. 

NGOisierung ist eine Mobilisierungsfalle

„Weshalb soll ich denn Protokoll schreiben, wenn doch hier jemand sitzt, der/die für die Anwesenheit Geld bekommt?“, frage ich mich manchmal. Bin ich Dienstleister für die Kader oder diese für mich? 

Wenn wir als Ehrenamtler Mitglieder und Freunde ansprechen, stellen diese ihr Expert*innenwissen oft kostenlos zur Verfügung, weil auch wir unsere Aktivitäten unentgeltlich einbringen. Die Angesprochenen ergänzen dann den Aktivenstamm der Gruppe. Sind bezahlte Kader bei Vorbereitungen oder Aktionen dabei, geht das Handeln auf Augenhöhe verloren. Ehrenamtlich Aktive fühlen sich manchmal nur als Statist*innen. Wenn es um Gruppenbildung und den Zusammenhalt von Gruppen geht, sind die Hauptamtlichen wieder weg. 

Bei den Stärken der DFG-VK ansetzen

Eine Stärke der DFG-VK ist die politische Verankerung in der Fläche durch autonom agierende Landesverbände und Ortsgruppen mit Aktiven, die viel Freizeit in unseren Verband stecken und die DFG-VK in lokalen und regionalen Netzwerken verankern.

In unseren Ortsgruppen ist die Anzahl der Aktiven wichtiger als die Zahl der Mitglieder. Wir freuen uns natürlich über Mitglieder, denn sie bestätigen unsere politische Arbeit und tragen zu deren Finanzierung bei. Einige machen mit ihren Möglichkeiten Öffentlichkeitsarbeit z.B. in sozialen Medien oder ihrem Wohnumfeld. Kern der Außenwirkung aber sind die Gruppenaktiven, die regelmäßig in Fußgängerzonen, vor Schulen oder Jobmessen, vor Kasernentoren oder bei Festivals stehen, die mit Infoständen und Transparenten auf Demos präsent sind oder diese gar selbst organisieren. Diese Gruppenaktiven können von bezahlten Kadern auf keinen Fall ersetzt werden.

Kann beides nebeneinander herlaufen? Ja, es könnte sich ergänzen wie z.B. die Youtube-Filmchen des politischen Geschäftsführers Michael Schulze von Glaßer über Gruppenaktivitäten; aber nur, wenn die Gruppenautonomie erhalten bleibt und wenn für die Finanzierung bezahlter Kader nicht die Mittel der Gruppen gekürzt und immer weiter Schulden gemacht werden – was mittelfristig die Existenz der DFG-VK gefährdet. 

Detlef Mielke ist seit Jahrzehnten auf Gruppenebene und im DFG-VK-Landesverband Hamburg/Schleswig-Holstein aktiv; im Bundesausschuss vertritt er seinen Landesverband.

Kategorie: DFG-VK intern Stichworte: 202102, Abhängigkeiten, Basisdemokratie, Beitragsanteile, Bettelbrief, Bundesverband, Defizit, DFG-VK intern, ehrenamtlich, Geschäftsführer, Gruppenarbeit, Gruppenautonomie, hauptamtlich, Haushalt, Haushaltsplan, Kader, Kampagne, Konzept, Landesverband, Lobbyarbeit, Mitgliederverwaltung, NGO, Ortsgruppen, Personal, politische Verankerung, Strategie, Verhauptamtlichung

11. Juni 2021

Feldpost

Dieser Beitrag ist erschienen in der
ZivilCourage 4/2021

Satire

TAGESBEFEHL!

Soldatinnen und Soldaten! 

Nein, nicht schon wieder KSK. Was soll das ständige Gemecker über unsere Elite? Sollen doch alle froh sein, wenn die mal am Wochenende in der Freizeit zur privat organisierten Fortbildung ausrücken und dabei die restliche Übungsmunition verballern. Da könnten sich andere Staatsdiener ein Beispiel dran nehmen! Aber denken wir positiv, wir dienen doch Deutschland. Was sind sie nicht alle begeistert, die Landräte und Bürgermeister, von der unglaublichen Unterstützung durch unsere Kameraden in den Impfzentren. Vorher: Chaos im Wartebereich, die Leute rennen durcheinander, Spritzen fehlen, Ärzte völlig überfordert. Dann: Übernahme durch unsere Kräfte, ein Uffz brüllt mal kräftig, alles steht stramm und Ordnung herrscht in der Halle. So geht das! Naja, gegen Ende der Impfkampagne kann es dann noch mal kerniger werden, wenn unsere Greiftrupps ausrücken und die letzten Impfverweigerer einsammeln müssen. Da wird dann nicht lange diskutiert: Ärmel hoch, Astra rein und gut ist. Wir schaffen auch das.

gez. Alex von Lingua, Feldpostmeister 

Kategorie: Satire Stichworte: 202102, Satire

10. Juni 2021

Aus der Geschichte lernen

Dieser Beitrag ist erschienen in der
ZivilCourage 2/2021

Pazifismus

Die historische Lektion über das zivilisatorische Minimum

Von Wolfram Wette

Auf einer Tagung der Würzburger Akademie Frankenwarte Mitte der 1990er Jahre wurden neuere Forschungsergebnisse über die Wehrmacht und den Holocaust erörtert. In der Diskussion attackierte ein weißhaariger Herr, der sich als ehemaliger Angehöriger der Wehrmacht zu erkennen gab, einen jungen Teilnehmer mit dieser Frage: „Und wie hätten Sie sich damals verhalten?“ 

Dem jungen Mann verschlug es zunächst die Sprache, weil er sich als konstruktiver Diskussionspartner auf das Ansinnen einzulassen versuchte, jedoch alsbald merkte, dass er nicht in der Lage war, eine Antwort zu geben. Statt seiner ergriff damals Susanne Miller das Wort, die bekannte Bonner Professorin für Geschichte und vormalige jüdische Emigrantin.

Sie trug mit erkennbarer Erregung vor, das sei eine ganz unpassende und falsche Frage. Denn erstens vermöge sich der junge Mann, der stellvertretend für seine Generation gesehen werden könne, gar nicht genau in die damalige Zeit – gemeint war die Zeit der NS-Diktatur und des Zweiten Weltkrieges – hineinzuversetzen. Daher sei es – zweitens – ein nutzloses Unterfangen, ihn mit der unterschwellig moralisierenden Frage zu konfrontieren, was er wohl getan hätte. Stattdessen komme es – drittens – auf etwas ganz anderes an, nämlich darauf, was der junge Mensch aus der Geschichte gelernt habe und wie er das Gelernte heute und in der Zukunft zu praktizieren gedenke.

Erhellendes Statement

Das war für viele Tagungsteilnehmer ein erhellendes Statement, auch für den Verfasser dieses Vorworts, wie schon aus der Tatsache hervorgeht, dass es ihm so präzise in Erinnerung geblieben ist. Susanne Miller hätte in Würzburg noch hinzufügen können, dass besagte Frage aller Wahrscheinlichkeit nach zu dem Zweck gestellt wurde, den Vertreter der Kriegsgeneration zu entlasten. 

Denn man geht wohl nicht fehl in der Annahme, dass in der von ihm aufgeworfenen Frage bereits die – anthropologisch gemeinte – Antwort mitschwang: Unter bestimmten extremen Bedingungen verlieren wir doch alle die humane Orientierung und sind nicht davor gefeit, uns an Verbrechen zu beteiligen. Also habt ihr Jüngeren kein Recht, über unser damaliges Verhalten, auch wenn es ein Versagen war, zu richten oder moralisch zu urteilen.

Besagte Frage ist also Teil des größeren Zusammenhangs der nachträglichen Rechtfertigung von Mitwisserschaft, Mitläuferschaft oder Mittäterschaft. Sie kommt nicht selten in der Aussage „Man hat doch nichts dagegen machen können!“ daher. Dank intensiver historischer Forschungen wissen wir jedoch heute, dass zumindest eine Minderheit der damals lebenden Deutschen sich verweigerte oder etwas Widerständiges zu tun versuchte. 

Man denke an die Kriegsdienstverweigerer, die Wehrkraftzersetzer, die Deserteure der Wehrmacht, an die Tausende von Menschen, die verfolgten Juden Unterschlupf gewährten und bestrebt waren, sie vor dem Tode zu retten. Nicht umsonst wurden diese gegen den Strom schwimmenden Menschen so lange totgeschwiegen und als Verräter diffamiert. Hielten sie den Mitläufern und Mittätern doch den Spiegel vor, in dem eine ganz andere Frage stand: Und was hast du getan? Nicht etwa: Was hättest du getan, wenn du damals gelebt hättest, sondern, an die Adresse der Angehörigen der Kriegsgeneration: Was hast du damals tatsächlich gedacht und getan?

Der Literaturwissenschaftler Jan Philipp Reemtsma, Leiter des Hamburger Instituts für Sozialforschung, hat sich mit unserer Frage ebenfalls beschäftigt. In ihr, vermutet er nicht ohne Grund, könne sich die Anmaßung von Zeitzeugen verstecken, die meinen, nur der könne mitreden, der dabei gewesen sei, was – methodisch betrachtet – keinerlei Sinn mache, weil sonst jegliche Geschichtsschreibung, die dem Streben nach Wahrheit verpflichtet ist, unmöglich sei. 

Weiterhin weist Reemtsma darauf hin, dass der miterlebende Zeitgenosse und der rückblickende Historiker keineswegs auf der gleichen Ebene urteilen müssten. Denn schließlich könne es „einen Zuwachs an moralischer Kompetenz in der Generationenfolge“ geben. Tatsächlich bestimmt doch unser Wissen um die historischen Fehlentwicklungen in der NS-Zeit unser heutiges und zukünftiges Denken und Handeln maßgeblich mit. 

Der Theoretiker Reemtsma wird vergleichsweise konkret, wenn er die fundamentalen Lehren beschreibt, die aus der NS-Zeit zu ziehen sind. Er nennt sie das „zivilisatorische Minimum“ und schreibt: „Wir müssen voneinander – ohne jede Nachsicht – verlangen, dass wir keine Mörder werden. Dass wir uns nicht freiwillig an Verbrechen beteiligen, dass wir andere Menschen nicht denunzieren, ihr Leben nicht zerstören.“

Lehren für die Geschichtswissenschaft

Was bedeutet diese Lehre für das methodische Vorgehen des Historikers? Selbstverständlich muss er bestrebt sein, sich in die Zeit, die er untersucht, möglichst intensiv hinein zu versetzen, um zu erklären, weshalb bestimmte Menschen so handelten, wie sie es getan haben, und nicht anders. Gleichzeitig hat er zu bedenken, dass andere Menschen sich anders verhalten und dass sie Handlungsspielräume im Sinne des menschlichen Anstands erkannt und genutzt haben. Aber er kann beim bloßen Ermitteln der Fakten nicht stehen bleiben. Eine solche antiquarische Geschichtsschreibung würde das Geschehene ja nur sprachlich verdoppeln. Auch Bewertungen sind gefordert. 

Wenn beispielsweise Heinrich Himmler in seiner berüchtigten Posener Rede vom 4. Oktober 1943 seine SS-Offiziere lobte, dass sie bei der Ermordung der Juden „anständig geblieben“ seien, weil sie diszipliniert getötet und nichts entwendet hatten, so kann diese Sentenz doch sinnvoll nur erörtert werden, wenn wir die damaligen und heutigen Moralvorstellungen miteinander vergleichen. 

Es geht gar nicht anders: Der Historiker muss auch darlegen, wie das Verhalten von Menschen in der NS-Zeit nach unseren heutigen moralischen Maßstäben zu bewerten ist. Diese Normen haben sich bekanntlich in der jahrzehntelangen Auseinandersetzung mit dem Absturz der Deutschen während der NS-Zeit in die grenzenlose Inhumanität herausgebildet.

Der Schriftsteller und emeritierte Staatsrechtler Bernhard Schlink, Verfasser des Weltbestsellers „Der Vorleser“, hat neuerdings kritisiert, dass die NS-Geschichte mit heutigen Moralvorstellungen bewertet wird, und von einer um sich greifenden „Kultur des Denunziatorischen“ gesprochen. Statt zu entlarven und zu demontieren, sollten die Menschen von heute sich vielmehr in die damalige Lage hineinbegeben, denn: „Je mehr wir über das Dritte Reich wissen, desto weniger wissen wir darüber, wie damals gelebt und erlebt und was gedacht und gefühlt wurde.“ 

Schon in der Schule, kritisiert Schlink, werde statt des Verständnisses des Verhaltens im Dritten Reich dessen moralische Bewertung „eingeübt“, was die Gefahr in sich trage, dass die künftigen Generationen von dieser Zeit einfach nichts mehr wissen wollen. 

Hier scheint mir Schlink das Kinde mit dem Bade auszuschütten. Natürlich ist es Aufgabe der Historiker, sich die NS-Zeit vor Augen zu führen und sich der schwierigen Aufgabe zu unterziehen, die fließenden Übergänge zum Unrechtsstaat und zu den großen Verbrechen zu ermitteln und sich der emotionalen Lage der damals lebenden Deutschen anzunähern. Aber damit ist es nicht getan. Sie sind auch aufgefordert, die Teilhabe vieler Zeitgenossen an den damaligen Staatsverbrechen zu bewerten, und das geht nur mit den Augen und mit den Wertmaßstäben von heute, was selbstverständlich jeweils genau kenntlich gemacht werden muss.

In ihren Überlegungen zu einem angemessenen Umgang der heute lebenden Generationen mit der Zeit des Nationalsozialismus kommen die Historikerin Susanne Miller und der Literaturwissenschaftler Jan Philipp Reemtsma übrigens zu einem übereinstimmenden Ergebnis: 

Die Frage „Wie hätte ich mich verhalten?“ erbringt letztlich keinen Erkenntnisgewinn. Sie dient allenfalls der Entlastung desjenigen, der sie stellt. 

Die richtige Frage: „Wie soll ich mich verhalten?“

Viel wichtiger und auch viel folgenreicher ist die Frage der heute lebenden Menschen: „Wie soll ich mich verhalten?“ 

Anders ausgedrückt: Habe ich die historische Lektion über das „zivilisatorische Minimum“ für die verantwortliche Gestaltung meines gegenwärtigen und zukünftigen Lebens gelernt?

Wolfram Wette ist DFG-VK-Mitglied, Friedensforscher und emeritierter Geschichtsprofessor. Dieser Beitrag ist sein gekürztes Geleitwort zum Buch von Moritz Pfeiffer: Mein Großvater im Krieg 1939-1945. Erinnerung und Fakten im Vergleich. (Bremen 2012; ausführliche Besprechung in Forum Pazifismus Nr. 34/35/36, II-IV/2012, S. 82 ff.; https://bit.ly/3x6vYzc).

Kategorie: Pazifismus Stichworte: 202102

10. Juni 2021

Buchbesprechung

Dieser Beitrag ist erschienen in der
ZivilCourage 4/2021

Literatur

100 Jahre War Resisters´International

Wolfram Beyer (Hrsg.): Widerstand gegen den Krieg. 100 Jahre War Resisters´ International. Beiträge zur Geschichte des gewaltfreien Antimilitarismus und Pazifismus. Berlin 2021; 56 Seiten; 5,80 Euro (zzgl. Versandkosten bei Bestellung über den IDK-Online-Shop: www.idk-info.net)

Auch wenn das Kürzel WRI selbst vielen Mitgliedern der DFG-VK nicht geläufig sein dürfte, die Grundsatzerklärung der War Resisters´ International, für welche die Abkürzung steht, kennen alle Mitglieder, mindestens hat jede und jeder diese bei ihrem/seinem Beitritt unterschrieben. Sie lautet: „Der Krieg ist ein Verbrechen an der Menschheit. Ich bin daher entschlossen, keine Art von Krieg zu unterstützen und an der Beseitigung aller Kriegsursachen mitzuarbeiten.“ Sie ist das einigende Band zwischen dem weltweiten Netzwerk der WRI mit über 80 Gruppen in mehr als 40 Ländern. In Deutschland hat die Internationale der KriegsdienstgegnerInnen, wie der englische Name – wegen der Betoung des „Dienstes“ vielleicht etwas unglücklich und verkürzend übersetzt wird – gleich mehrere Mitgliedsorganisationen, Sektionen genannt. 

Neben der DFG-VK als der größten sind das der Bund für Soziale Verteidigung, das Institut für Friedensarbeit und Gewaltfreie Konfliktaustragung sowie die Internationale der Kriegsdienstgegner*innen (eine Gruppe in Berlin, die die verschiedenen Fusionen zur DFG-VK nicht mitgemacht hat). Von dieser IDK wurde nun vor einigen Wochen anlässlich des einhundersten Jubiläums der Gründung der WRI eine lesenswerte kleine Broschüre als Beitrag zur Geschichte des gewaltfreien Antimilitarismus veröffentlicht.

Herausgegeben wurde sie von dem langjährigen IDK-Aktivisten Wolfram Beyer, der seine Einleitungstext überschrieben hat mit „100 Jahre WRI: Von den Anfängen der gewaltfreien Fraktion im Antimilitarismus“ und einen kurzen Abriss der Geschichte der Internationale liefert. Den Hauptteil der Broschüre stellen vier etwas ausführlichere, mit jeweils maximal 10 Seiten  aber leicht lesbare Texte dar.

Der erste Beitrag stammt von Gernot Jochheim und ist betitelt mit: „Antimilitarismus und Gewaltfreiheit. Historische Entwicklungen zur WRI-Gründung“. Dabei handelt es sich um einen Auszug aus der Einleitung seines Buchs „Antimilitaristische Aktionstheorie, Soziale Revolution und Soziale Verteidigung. Zur Entwicklung der Gewaltfreiheitstheorie in der europäischen antimilitaristischen und sozialistischen Bewegung 1890-1040, unter besonderer Berücksichtigung die Niederlande“. … man ahnt es bereits: Das ist die Doktorarbeit Jochheims, und diese ist bereits 1977 erschienen. Nun wird sie aber in diesem Jahr im Verlag Graswurzelrevolution gekürzt neu erscheinen. Also: „bisschen wissenschaftlich“, aber für die WRI-Geschichte und das Verständnis der unterschiedlichen „Fraktionen“ auch die in der heutigen Friedensbewegung wichtig.

Wer hätte gedacht, dass die WRI bzw. deren Sekretär, Herbert Runham Brown, im Mai 1940, also im neunten Kriegsmonat, in der Zeitschrift „The War Resister“ schrieb: „Frieden jetzt ist möglich. Es würfte zwar kein guter Frieden sein, aber der schlechteste Frieden ist besser als der beste Krieg.“ Das erfährt man in dem Beitrag von Christian Scharnefsky, der überschrieben ist mit: „Zerreißprobe für den radikalen Pazifismus: Die WRI im Zweiten Weltkrieg (1939-1945)“. Das Brown-Zitat entspricht zwar ganz der WRI-Grundsatzerklärung, und auch wir fordern ja heute oft „Verhandeln statt schießen“, weil miteinander reden an sich immer besser ist als Gewaltausübung. Aber gilt dies ungebrochen auch im – freilich nachträglichen – Blick auf den von Nazi-Deutschland angezettelten Krieg? 

Im dritten Beitrag beschäftigt sich Wolfgang Hertle mit der Periode nach 1945 und schreibt – immer wieder auch aus sehr persönlicher Sicht – über „Friedensfördernde Grenzüberschreitungen – Die WRI nach dem Zweiten Weltkrieg“.

Aktuell(er) und praktisch wird es im Beitrag des den meisten als langjährigen hessischen DFG-VK-Landesgeschäftsführer bekannten Gernot Lennert. Er beschreibt in einem Überblicksartikel „Aktuelle Arbeitsschwerpunkte der War Resisters´ International“ – und macht damit die Vielfältigkeit der WRI deutlich (was ja auch die ZivilCourage mit dem regelmäßigen Beitrag „Global betrachtet“ von David Scheuing, der die DFG-VK im Rat der WRI vertritt, seit einiger Zeit versucht).

Abgerundet wird die Broschüre durch die Vorstellung des deutschen „Förderverein(s) War Resisters´ International“ durch die frühere WRI-Vorsitzende Christine Schweitzer und eine kurze Vorstellung der sechs AutorInnen.

Was ist der Wert dieses schmalen 56-Seiten-Bändchens? Für mich: Ich liebe solche Broschüren, auch wenn sie sehr „Old School“ sind. Ich kann darin Anstreichungen vornehmen, Bemerkungen hineinschreiben. Und weiß Jahre später noch: In diesem Heftchen oder einem der vielen anderen vergleichbaren in meinem Bücherregal war „dieser eine wichtige Gedanke“  formuliert, den ich nochmals nachlesen wollte. Ein Griff ins Regal reicht. Das leistet kein Computer, kein Google, höchstens ergänzend.

Und dass die IDK  damit ein bisschen Werbung für sich macht und pazifistische Öffentlichkeits- und Bildungsarbeit leistet – davon können wir alle profitieren.

Stefan Philipp

Kategorie: Literatur Stichworte: 202102

10. Juni 2021

Karikatur

Dieser Beitrag ist erschienen in der
ZivilCourage 2/2021

Die ZivilCourage-Karikatur

Kategorie: Karikatur Stichworte: 202102

  • Go to page 1
  • Go to page 2
  • Go to page 3
  • Go to Next Page »

Haupt-Sidebar

„Eine Supermacht Europa verhindern“

17. Januar 2023

Michael Schulze von Glaßer
Titel: Warum Pazifismus wichtiger denn je ist
Erschienen in ZivilCourage 4-22/1-23

ZC-4-22/1-23-Editorial

16. Januar 2023

Stefan Philipp
Editorial zum Heft 3/2022

Zweifel sind keine Schande

16. Januar 2023

Ernst Rattinger
Leitartikel
Erschienen in ZivilCourage 4-22/1-23

Warum Pazifismus wichtiger denn je ist

16. Januar 2023

Michael Schulze von Glaßer
Titel: Warum Pazifismus wichtiger denn je ist
Erschienen in ZivilCourage 4-22/1-23

„Ein Signal mangelnder Zivilcourage“

27. November 2022

Andreas Zumach
„Ein Signal mangelnder Zivilcourage“
Erschienen in ZivilCourage 3/2022

… gefördert von: Bertha-von-Suttner-Stiftung

27. November 2022

Hauke Thoroe
… gefördert von: Bertha-von-Suttner-Stiftung
Erschienen in ZivilCourage 3/2022

  • Datenschutz
  • Impressum

Urheberrecht © 2023 Anmelden