Dieser Beitrag ist erschienen in der ZivilCourage 4/2021 |
Antimilitarismus
Anmerkungen zu einem Versuch
Von Ernst Rattinger
Gleich drei Web-Seminare zum Thema „Rassismus in der Friedensarbeit?“ veranstaltete die DFG-VK in den letzten Monaten.
Den Anfang machte Aretha Schwarzbach-Apithy, Dozentin an einer Fachschule für Sozialberufe, mit einem historischen Einstieg ins Thema. Historisch heißt in diesem Zusammenhang nicht „Entwicklung des Kastensystems in Nordindien“, sondern die Zeit des 16. Jahrhunderts, in der mit päpstlichem Segen von Portugal und Spanien aus zuerst Westafrika und wenig später die Karibik und Mittelamerika „erschlossen“ wurde. Mit wenigen Bildern wurde anschaulich gemacht, wie von Anfang an die Unterwerfung und Markierung des schwarzen Körpers einerseits und die Erhöhung des dominanten weißen Körpers andererseits zur Herausbildung eines „rassistischen Wissens“ geführt hat. Dieses Wissen, so die Referentin, sei heute noch wirkmächtig bei der Arbeit, in sozialen Bezügen, in medialem Kontext – einfach überall. Ein ausgezeichneter Vortrag, gut strukturiert, nicht überladen, der Lust auf mehr machte.
Wer mitmachen wollte, begegnete im zweiten Teil dem Kommunikationswissenschaftler Dr. Ali Fathi, Spezialist für systemisches Coaching und rassismuskritische Organisationsentwicklung. Mehr als 35 Personen waren am Anfang interessiert, gegen Ende waren es weniger als 15. Es dürfte am ermüdenden Vortrag des Referenten gelegen haben, dass die meisten nach mehr als einer Stunde schlicht kapitulierten. Dabei hatte der Referent zumindest in der Mitte seiner Ausführungen eine hübsche Idee zum Mitmachen: Originalzitate in bunter Mischung aus mehreren Jahrhunderten über „die Kolonien“ oder „die Schwarzen“ sollten einer bestimmten Epoche zugeordnet werden. Da konnte man staunend – oder kopfschüttelnd – erfahren, dass Aussagen, welche man eher der Kolonialzeit um 1900 zugeordnet hätte, aus einem Lehrbuch aus den 1980er Jahren stammten. Und was hat dies alles mit dem Rassismus in der Friedensbewegung zu tun? So richtig klar wurde es nicht; aber es sollte ja noch Teil 3 kommen.
Zwei Frauen vom Black Earth Kollektiv in Berlin waren die Referentinnen. Sie arbeiten zum Thema Klimagerechtigkeit aus einer intersektionalen und dekolonialen Perspektive. Wie berichten, ohne den Text zu einem Verriss des Vortrags ausarten zu lassen? Also kein Wort zur Qualität, doch halt: Wenigstens eine der Teilnehmerinnen der Fragerunde war zufrieden und fand die Äußerungen einer Referentin „total spannend“.
Welche Schlüsse aus alledem im Hinblick auf die Friedensbewegung oder die Arbeit der DFG-VK gezogen werden sollten, das blieb und bleibt völlig unklar. Doch so musste es wohl kommen, sagte doch eine der Veranstalterinnen aus den Reihen der DFG-VK im Verlauf der Seminarreihe sinngemäß: Wir wollten halt einfach mal anfangen, etwas zu tun, einfach mal loslegen. Ja, so kann Friedensarbeit auch aussehen: Wir machen mal – und überlegen hinterher.
Ob der Gesamtverband das auch so will? Oder doch lieber sorgfältig geplante Einzelaktionen und Kampagnen gegen Drohnen, Rüstungsexporte, Kindersoldaten, Bundeswehranzeigen, Büchel-Atombomben, Militärseelsorge, KSK-Killer … Einfach mal loslegen, es gibt viel zu tun.
Ernst Rattinger ist aktiv in der DFG-VK-Gruppe Mittelbaden und Vertreter des Landesverbandes Baden-Württemberg im Bundesausschuss