Dieser Beitrag ist erschienen in der ZivilCourage 4/2021 |
Literatur
100 Jahre War Resisters´International
Wolfram Beyer (Hrsg.): Widerstand gegen den Krieg. 100 Jahre War Resisters´ International. Beiträge zur Geschichte des gewaltfreien Antimilitarismus und Pazifismus. Berlin 2021; 56 Seiten; 5,80 Euro (zzgl. Versandkosten bei Bestellung über den IDK-Online-Shop: www.idk-info.net)
Auch wenn das Kürzel WRI selbst vielen Mitgliedern der DFG-VK nicht geläufig sein dürfte, die Grundsatzerklärung der War Resisters´ International, für welche die Abkürzung steht, kennen alle Mitglieder, mindestens hat jede und jeder diese bei ihrem/seinem Beitritt unterschrieben. Sie lautet: „Der Krieg ist ein Verbrechen an der Menschheit. Ich bin daher entschlossen, keine Art von Krieg zu unterstützen und an der Beseitigung aller Kriegsursachen mitzuarbeiten.“ Sie ist das einigende Band zwischen dem weltweiten Netzwerk der WRI mit über 80 Gruppen in mehr als 40 Ländern. In Deutschland hat die Internationale der KriegsdienstgegnerInnen, wie der englische Name – wegen der Betoung des „Dienstes“ vielleicht etwas unglücklich und verkürzend übersetzt wird – gleich mehrere Mitgliedsorganisationen, Sektionen genannt.
Neben der DFG-VK als der größten sind das der Bund für Soziale Verteidigung, das Institut für Friedensarbeit und Gewaltfreie Konfliktaustragung sowie die Internationale der Kriegsdienstgegner*innen (eine Gruppe in Berlin, die die verschiedenen Fusionen zur DFG-VK nicht mitgemacht hat). Von dieser IDK wurde nun vor einigen Wochen anlässlich des einhundersten Jubiläums der Gründung der WRI eine lesenswerte kleine Broschüre als Beitrag zur Geschichte des gewaltfreien Antimilitarismus veröffentlicht.
Herausgegeben wurde sie von dem langjährigen IDK-Aktivisten Wolfram Beyer, der seine Einleitungstext überschrieben hat mit „100 Jahre WRI: Von den Anfängen der gewaltfreien Fraktion im Antimilitarismus“ und einen kurzen Abriss der Geschichte der Internationale liefert. Den Hauptteil der Broschüre stellen vier etwas ausführlichere, mit jeweils maximal 10 Seiten aber leicht lesbare Texte dar.
Der erste Beitrag stammt von Gernot Jochheim und ist betitelt mit: „Antimilitarismus und Gewaltfreiheit. Historische Entwicklungen zur WRI-Gründung“. Dabei handelt es sich um einen Auszug aus der Einleitung seines Buchs „Antimilitaristische Aktionstheorie, Soziale Revolution und Soziale Verteidigung. Zur Entwicklung der Gewaltfreiheitstheorie in der europäischen antimilitaristischen und sozialistischen Bewegung 1890-1040, unter besonderer Berücksichtigung die Niederlande“. … man ahnt es bereits: Das ist die Doktorarbeit Jochheims, und diese ist bereits 1977 erschienen. Nun wird sie aber in diesem Jahr im Verlag Graswurzelrevolution gekürzt neu erscheinen. Also: „bisschen wissenschaftlich“, aber für die WRI-Geschichte und das Verständnis der unterschiedlichen „Fraktionen“ auch die in der heutigen Friedensbewegung wichtig.
Wer hätte gedacht, dass die WRI bzw. deren Sekretär, Herbert Runham Brown, im Mai 1940, also im neunten Kriegsmonat, in der Zeitschrift „The War Resister“ schrieb: „Frieden jetzt ist möglich. Es würfte zwar kein guter Frieden sein, aber der schlechteste Frieden ist besser als der beste Krieg.“ Das erfährt man in dem Beitrag von Christian Scharnefsky, der überschrieben ist mit: „Zerreißprobe für den radikalen Pazifismus: Die WRI im Zweiten Weltkrieg (1939-1945)“. Das Brown-Zitat entspricht zwar ganz der WRI-Grundsatzerklärung, und auch wir fordern ja heute oft „Verhandeln statt schießen“, weil miteinander reden an sich immer besser ist als Gewaltausübung. Aber gilt dies ungebrochen auch im – freilich nachträglichen – Blick auf den von Nazi-Deutschland angezettelten Krieg?
Im dritten Beitrag beschäftigt sich Wolfgang Hertle mit der Periode nach 1945 und schreibt – immer wieder auch aus sehr persönlicher Sicht – über „Friedensfördernde Grenzüberschreitungen – Die WRI nach dem Zweiten Weltkrieg“.
Aktuell(er) und praktisch wird es im Beitrag des den meisten als langjährigen hessischen DFG-VK-Landesgeschäftsführer bekannten Gernot Lennert. Er beschreibt in einem Überblicksartikel „Aktuelle Arbeitsschwerpunkte der War Resisters´ International“ – und macht damit die Vielfältigkeit der WRI deutlich (was ja auch die ZivilCourage mit dem regelmäßigen Beitrag „Global betrachtet“ von David Scheuing, der die DFG-VK im Rat der WRI vertritt, seit einiger Zeit versucht).
Abgerundet wird die Broschüre durch die Vorstellung des deutschen „Förderverein(s) War Resisters´ International“ durch die frühere WRI-Vorsitzende Christine Schweitzer und eine kurze Vorstellung der sechs AutorInnen.
Was ist der Wert dieses schmalen 56-Seiten-Bändchens? Für mich: Ich liebe solche Broschüren, auch wenn sie sehr „Old School“ sind. Ich kann darin Anstreichungen vornehmen, Bemerkungen hineinschreiben. Und weiß Jahre später noch: In diesem Heftchen oder einem der vielen anderen vergleichbaren in meinem Bücherregal war „dieser eine wichtige Gedanke“ formuliert, den ich nochmals nachlesen wollte. Ein Griff ins Regal reicht. Das leistet kein Computer, kein Google, höchstens ergänzend.
Und dass die IDK damit ein bisschen Werbung für sich macht und pazifistische Öffentlichkeits- und Bildungsarbeit leistet – davon können wir alle profitieren.
Stefan Philipp