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Atomwaffen

19. Dezember 2021

Die nukleare Teilhabe muss beendet werden

Dieser Beitrag ist erschienen in der
ZivilCourage 3/2021

Atomwaffen abschaffen

Kampagne „Büchel ist überall! atomwaffenfrei.jetzt“ am Atomwaffen-Lagerplatz Büchel

Menschenkette startete Aktionsmonat gegen Atomwaffen

Von Marion Küpker

Trotz Corona gelang es uns seit dem letzten Jahr  – gemeinsam mit der bundesweiten Kampagne Büchel ist überall! atomwaffenfrei.jetzt und ICAN – eine öffentliche politische Diskussion über die gefährliche nukleare Abschreckungspolitik der Nato bezüglich der in Büchel stationierten US-Atomwaffen zu führen. Prominente Unterstützung erhielten wir vom SPD-Fraktionsvorsitzenden Rolf Mützenich, der öffentlich die Beendigung der nuklearen Teilhabe Deutschlands zur Diskussion stellte. Unser Kampagnen-Trägerkreis Atomwaffen abschaffen – bei uns anfangen! besteht aus über 70 Organisationen und Gruppen der Friedensbewegung, die gemeinsam den Druck auf die Bundesregierung erhöhen mit dem Ziel des Abzugs der ca. 20 US-Atombomben aus Büchel. Deutschland muss endlich den Atomwaffenverbotsvertrag unterzeichnen und atomwaffenfrei werden, anstatt die geplante nukleare Aufrüstung umzusetzen. 

Atomwaffen-Verbotsvertrag. Am 22. Januar 2021 feierte weltweit die Friedensbewegung das Inkrafttreten des internationalen Atomwaffenverbotsvertrags. Durch das Inkrafttreten ist der Verbotsvertrag völkerrechtlich gültig, d.h. nach internationalem Recht gelten Atomwaffen nun explizit als verboten. Allerdings sind die Bestimmungen nur für die unterzeichnenden Vertragsstaaten bindend, er gilt für 86 Staaten, d.h. auch für die Staaten, die den Vertrag bisher zwar unterschrieben, aber noch nicht ratifiziert haben. Der Handlungsspielraum der Atommächte wird damit immer enger. Einige Finanzinstitute haben Ethikregeln, an denen sie sich nun messen lassen müssen, falls sie Konzerne finanzieren, die Atomwaffen (Teile und Tägersysteme etc.) produzieren. Auch dürfen – laut Vertrag -Teile dieser Waffen nicht mehr in den 86 Vertragsstaaten produziert werden. 

Der Druck auf unsere Regierung wurde und wird durch den Städte- und Abgeordnetenappell und der Organisation der BürgermeisterInnen für den Frieden immer weiter ausgebaut, damit ein Beitritt Deutschlands zum Atomwaffen-Verbotsvertrag endlich erfolgen kann. Hierfür machen sich unsere Trägerkreisorganisationen gemeinsam mit ICAN stark: So haben bereits 646 Abgeordnete und davon 171 Bundestagsabgeordnete den Appell unterschrieben. Insgesamt sind bis heute 137 Städte und vier Bundesländer dem Städteappell beigetreten, um den Vertrag zum Verbot von Atomwaffen zu unterstützen bzw. die Bundesregierung aufzufordern, ihm beizutreten. Auch sind über 700 BürgermeisterInnen für den Frieden in Deutschland dem Bündnis Mayors for Peace beigetreten, womit wir weltweit nach Japan und dem Iran auf Platz 3 stehen.

Menschenkette in Büchel setzt Zeichen. Im Vorfeld der Bundestagswahl – am Sonntag, den 5. September – gelang der Menschenketten-Lückenschluss entlang der Bundesstraße am Atomwaffen-Stützpunkt „Fliegerhorst Büchel“ mit zirka 800 Menschen der Friedensbewegung. Damit konnte ein deutliches Signal aus der Zivilbevölkerung an die Regierungsparteien gesendet werden, damit der Atomwaffenverbotsvertrag der Vereinten Nationen von Deutschland unterzeichnet, die US-Atomwaffen abgezogen und die nukleare Aufrüstung beendet wird. 

Trotz großer Einschränkungen durch Corona und Bahnstreik kamen hierfür über 40 Trägerkreisgruppen der bundesweiten Kampagne Büchel ist überall! atomwaffenfrei.jetzt in 10 Städtebussen oder per PKW angereist. Bei strahlendem Sonnenschein trafen sich viele Friedensbewegte nach längerer Coronapause bei bester Stimmung entlang der Menschenkette wieder. Lebenslaute sang, viele trugen Transparente, und aus Autos wurde wohlwollend gehupt und gewinkt. Im Anschluss erwartete die Teilnehmenden auf dem Kundgebungsplatz am Haupttor ein biologisches vegetarisches Mittagessen und ein spannendes Redeprogramm, dass vor allem die europäische Perspektive in den Blick nahm. 

Während ich, Marion Küpker, auf die aktuellen Entwicklungen unserer Kampagne gegen die nukleare Aufrüstung in Büchel aufmerksam machte und auf die reale Bedrohung eines Atomkrieges durch die Nukleardoktrin hinwies, widmete sich Prof. Karl Hans Bläsius dem Thema der Künstlichen Intelligenz und des jederzeit möglichen Atomkrieges aus Versehen. 

Angelika Claußen, europäische Präsidentin der Internationalen Sektion der IPPNW/ÄrztInnen zur Verhütung des Atomkriegs, stellte die Notwendigkeit einer europäischen Kampagne vor – hier ein Auszug aus ihrer Rede:

„Ja, die Friedensbewegung schreibt Erfolge, den Atomwaffenverbotsvertrag (AVV) haben wir, die weltweite Zivilgesellschaft durchgesetzt im Bündnis mit den Ländern des globalen Südens und mutigen herausragenden Politikerinnen aus Ländern in Europa, aus Österreich und aus Irland. Den Widerstand der Atomwaffenstaaten haben wir erwartet, der AVV läuft ihren Interessen ja diametral entgegen! Jetzt ist Europa dran! In Europa muss die Nukleare Teilhabe beendet werden: in Deutschland, in Belgien, in den Niederlanden und in Italien… Der erste Schritt dazu ist, das nukleare Dogma der Nato in Frage zu stellen, das Dogma der nuklearen Abschreckung. 

Und hier kommt ein aktuelles Großereignis ins Spiel: Die Niederlage der Weltmacht USA in Afghanistan. Es ist jetzt glasklar deutlich, dass militärisch gestützte Sicherheitspolitik extrem zerstörerisch ist. Militär und Wettrüsten, sei es nuklear oder auch nicht nuklear, sind völlig ungeeignete Mittel, um den Herausforderungen der Menschheit in Zeiten der Klimakrise zu begegnen. Das Militär selbst ist ein Klimakiller. Wir brauchen stattdessen eine zivile Sicherheits- und Friedenspolitik, die in kooperativen Beziehungen unserer Länder die wichtigen Schritte zu einer sozial-ökologischen Transformation umsetzt. Entspannungspolitik heute, kooperative Sicherheitspolitik bedeuten drastische Abrüstungsschritte für Klimagerechtigkeit.

Nuclear-Free Europe – so haben wir unsere gemeinsame Kampagne genannt, um die Friedensbewegung und die Politik in den Dialog zu bringen, wie eine Roadmap zur Beendigung der nuklearen Teilhabe in Europa aussehen kann… Eine Welt frei von Atomwaffen, die Eindämmung der Klimakrise samt Klimagerechtigkeit und unser Recht auf Leben und Gesundheit – alle diese Ziele gehören zusammen! Dafür setzen wir uns gemeinsam hier in Büchel ein!“ 

Aus den europäischen Ländern der nuklearen Teilhabe sprachen Guido van Leemput, der Mitarbeiter der Außenpolitik und Landesverteidigung der Fraktion der Sozialistischen Partei in den Niederlanden ist und sich bei Bike for Peace Holland engagiert. Ludo De Brabander ist Sprecher der belgischen Friedensorganisation „Vrede“, die aktuell die Proteste an der belgischen Militärbasis Kleine Brogel organisiert. Alfonso Navarra sprach als italienischer Vertreter der „disarmisti esigenti“ und übermittelte einen gemeinsamen Vorschlag der italienischen Friedensgruppen für die nächste COP26 (UN Climate Change Conference) in Glasgow. Rudolf Gottfried sprach für die Aktionen, die gegen das nukleare Nato-Manöver „Steadfast Noon“ in Nörvenich am 9. Oktober stattfanden (siehe den Beitrag in diesem Heft auf Seite XX). 

Die gesamte Kundgebung wurde in einem Livestream aufgezeichnet und kann jetzt auf You-Tube angeschaut werden: www.youtube.com/watch?v=wxFABSdzBO0, weitere Informationen auch unter: www.atomwaffenfrei.de und unter www.buechel-atombombenfrei.de

Europäische Fahrradtour (24. bis 26. September): Month of Action. Nuke-Free Europe (www.nukefreeeurope.eu) ist ein junges europäisches Netzwerk, dass den diesjährigen September als Aktionsmonat für die Abschaffung der nuklearen Teilhabe in der Nato ausgerufen hat. Weitere Ziele sind der Abzug der US-Atomwaffen aus den Nato-Teilhabe-Ländern, der Stopp der geplanten nuklearen Modernisierung mit B61-12 Atombomben und den dazu nötigen Träger-Kampfflugzeugen sowie der Beitritt und die Ratifizierung des Atomwaffen-Verbotsvertrages durch unsere Länder. Wir wollen unsere Organisierung gegen Atomwaffen in Zukunft stärker auf europäischer Ebene koordinieren. Die Menschenkette war der Auftakt des Aktionsmonats, und im Anschluss wurden so von Büchel aus die Atomwaffen-Stützpunkte in den Niederlanden (Volkel) und Belgien (Kleine Brogel) mit einer Fahrradtour zu den dortigen Protesten miteinander verbunden. Da der Hauptorganisator einen Monat vor der Tour ausfiel, übernahm ich zum Teil die weitere Organisation einer zehnköpfigen Delegation aus Deutschland. Am 24. September starteten wir in Aachen mit dem Klimastreik von Fridays for Future, wo wir Flugblätter zu Klima und (Atomwaffen)-Militäremissionen und unserem Netzwerk verteilten. Im Anschluss wurde das Begleitfahrzeug mit Anhänger für den kommenden Morgen abgeholt. Nach einem gemeinsames Abendessen fand die Gruppenfindung mit inhaltlicher Ausrichtung in unserer Unterkunft statt, sodass wir Samstagfrüh gemeinsam mit unseren Fahrrädern aufbrachen.

Wir wurden von ca. 70 Menschen an der Militärbasis Volkel empfangen. Dort fand eine Kundgebung – gemeinsam mit Abgeordneten der niederländischen Linken und Grünen – sowie den dortigen Anti-Atomwaffen-Organisationen statt. Im Anschluss umradelten wir gemeinsam die Militärbasis, die – wie in Büchel – ca. 20 US-Atombomben beherbergt und wo niederländische PilotInnen deren Einsatz üben. Um 16 Uhr wurden wir mit unseren Fahrrädern in Richtung Eindhoven und zu einem belgischen Campplatz hin verabschiedet. Die belgische Friedensorganisation Vrede empfing uns dort, und wir führten am Lagerfeuer bis in die frühen Morgenstunden unsere Vernetzungs-

diskussionen. Am Sonntag, den 26. September starteten wir früh und vereinten uns mit 130 FahrradfahrerInnen auf dem letzten Abschnitt hin zur belgischen Militärbasis Kleine Brogel. Auch dort liegen wie in Büchel ca. 20 US-Atombomben. Mit einer internationalen Kundgebung und einer kleinen Menschenkette protestierten wir hier gemeinsam und trafen dabei viele Bekannte. Darunter war auch die US-Amerikanerin Susan Crane, die extra für ihren Büchel-Prozess am 29. September im Amtsgericht Cochem aus den USA angereist kam. Hier nahm sie das erste Mal an den Protesten in Volkel und Kleine Brogel teil.

Büchel könnte der Schlüssel zur atomaren Abrüstung sein. Unsere Kampagne zeigt, dass wir gemeinsam viel stärker sind, wenn wir uns auf unsere vereinbarten Ziele konzentrieren: die vierte Kampagne Büchel ist überall! atomwaffenfrei.jetzt startete 2016 mit den jährlichen Aktionspräsenzen in Büchel „20 Wochen für 20 Bomben“. Öffentliche Umfragen zeigen, dass 80 bis 90 Prozent der Bevölkerung gegen die Atombomben sind – und in unserer Kampagne sind anerkannte Organisationen wie der IPPNW, IALANA, Ohne Rüstung Leben, Pax Christi, DFG-VK, Versöhnungsbund, WILPF etc. dabei. Viele Gruppen reisen Jahr für Jahr nach Büchel, um direkt am Stützpunkt zu protestieren. Jedes Jahr predigen Geistliche und Bischöfe aus verschiedenen Kirchen vor bis zu 1000 Menschen an der Bundeswehr-Militärbasis. Viele Gruppen halten Mahnwachen und/oder Blockaden am Stützpunkt ab. In den letzten Jahren ist Büchel zu einem Symbol für unseren Widerstand gegen Atomwaffen in Deutschland geworden. Nach der Ankunft erhält jede Gruppe eine Einführung über die Arbeit unserer Trägerkreis-Kampagne Büchel ist überall! atomwaffenfrei jetzt. Einige Gruppen konzentrieren sich auf zivilen Ungehorsam am Ort des Geschehens. Viele sind der Meinung, dass wir neben Lobby- und Aufklärungsarbeit auch mit gewaltfreien direkten Aktionen Druck auf die politischen EntscheidungsträgerInnen ausüben müssen und dadurch das internationale (Völker-)Recht endlich zur Anwendung kommen könnte. 

Klage beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte. Unter den Trägerkreisgruppen der Kampagne befindet sich auch die Gewaltfreie Aktion Atomwaffen Abschaffen (GAAA), die die Proteste vor 25 Jahren in Büchel startete und die als Gruppe Mitglied in der DFG-VK ist. Seit dem Jahr 2017 organisiert die GAAA mit der US-amerikanischen Organisation Nukewatch die internationale Woche, die jeweils im Juli während der 20-wöchigen Aktionspräsenz stattfindet. Jedes Jahr haben wir Unterstützung von US-Delegationen, deren Teilnehmende auch zu Hause an den US-Produktionsstädten der neuen Atombomben für Europa aktiv sind. 

Mehrere Go-In-Aktionen führten zu Gerichtsprozessen. In den letzten beiden Jahren fanden etwa 50 Gerichtsverfahren mit mehreren Angeklagten statt. Darunter waren erstmalig drei US-BürgerInnen: Dennis DuVall, John LaForge und Susan Crane u.a. aufgrund der Go-In-Aktion am 15. Juli 2018 mit 18 Teilnehmenden. Auch der US-Aktivist Brian Terrell erhielt dieses Jahr seinen Strafbefehl in Deutschland ausgehändigt und legte dagegen sofort Widerspruch ein.

Am 1. April wurde aus unserer internationalen Gruppe eine Verfassungsbeschwerde beim Bundesverfassungsgericht von Stefanie Augustin und mir eingereicht, was aktuell die 14. Verfassungsbeschwerde ist. Bisher hat sich das Verfassungsgericht geweigert, auch nur eine der Beschwerden anzunehmen, u.a. mit der Begründung, dass die Verhandlung der in Deutschland stationierten Atomwaffen nicht im Interesse unserer Öffentlichkeit sei. Bei uns gab das Verfassungsgericht im Mai 2021 nicht einmal eine Begründung für die Nichtannahme. Wieder verfehlten die Gerichte durch alle Vorinstanzen die Anwendung des internationalen Rechts und verweigerten die Zeugenanhörung von RechtsexpertInnen, z.B. Anabel Dwyer (USA, Adjunct Professor of Human Rights and Humanitarian Law at T. M. Cooley Law School). Und das, obwohl das Völkerrecht unserem deutschen Recht übergeordnet ist. Damit haben wir alle nationalen rechtlichen Schritte ausgeschöpft, sodass wir jetzt Anfang November erstmalig Klage beim Internationalen Gerichtshof für Menschenrechte einreichten. Unser Hauptaugenmerk liegt auf Artikel 2 der Verletzung des Rechts auf Leben sowie auf Artikel 6 der Verletzung des Rechts auf Verteidigung, da u.a. auch völker- und verfassungsrechtliche Fragen zu prüfen sind. 

Mit den vielen gut koordinierten Verfahren und auch den einzelnen Teilerfolgen (ein IPPNW- Mitglied hatte gerade Erfolg mit ihrem Revisionsantrag) sowie unserer Öffentlichkeitsarbeit machen wir es den Gerichten immer schwerer, ihre ablehnende Haltung in Folgeprozessen weiter zu begründen. 

Europa in Gefahr. Unser zivilgesellschaftlicher Widerstand gegen die Atomwaffen erzeugt bereits viel Druck, denn anders ist es schwer zu erklären, dass während der Koalitionsverhandlungen Ende Oktober der Chef der Münchner Sicherheitskonferenz, Wolfgang Ischinger, in ca. 80 deutschen Zeitungen mit der Aussage zitiert wird: „Europa würde ohne in Deutschland stationierte US-Atomwaffen in Gefahr sein…“ 

Ich zitiere aus der Pressemitteilung unserer Kampagne: „Ein Abzug der amerikanischen Atomwaffen aus Deutschland würde „Polen … sicherheitspolitisch den Teppich unter den Füßen wegziehen“. Ischinger bringt die Möglichkeit ins Spiel, dass dann Polen nach Atombomben auf seinem Territorium verlangen könnte. Allein die Tatsache, dass Ischinger dies in Erwägung zieht, bedeutet ein Spiel mit dem Feuer. Als langjähriger Leiter der sogenannten Sicherheitskonferenz in München muss er wissen, dass Sicherheit von Vertrauen lebt. Eine Grundlage für Vertrauen ist, dass Verträge eingehalten werden: ,pacta sunt servanda‘. Die Nato hat sich vertraglich verpflichtet, in den neuen Beitrittsstaaten, also auch in Polen, keine Atomwaffen zu stationieren. Diese Verpflichtung wurde von den Wissenschaftlichen Diensten des Bundestages ausdrücklich hervorgehoben (WD 2-3000-041/20 vom 29. April 2020).“ 

„In der Nato-Russland Grundakte (Grundakte über gegenseitige Beziehungen, Zusammenarbeit und Sicherheit zwischen der Nordatlantikvertrags-Organisation und der Russischen Föderation) vom 27. Mai 1997 wird eine Stationierung von Atomwaffen im Hoheitsgebiet der neuen Nato-Mitglieder ausgeschlossen.“ 

Ischinger weiß: Falls Deutschland aus der nuklearen Teilhabe austritt, wird dieses Auswirkungen auf zukünftige Entscheidungen der anderen europäischen Länder der nuklearen Teilhabe haben: Ein möglicher Domino-Effekt! 

Marion Küpker ist Sprecherin der Kampagne Büchel ist überall! atomwaffenfrei.jetzt, internationale Koordinatorin der DFG-VK gegen Atomwaffen sowie Friedensreferentin zu Atomwaffen beim deutschen Zweig des Internationalen Versöhnungsbundes.

Kategorie: Atomwaffen Stichworte: 202104

1. September 2021

Die Forderung: Atomwaffen verbieten

Dieser Beitrag ist erschienen in der
ZivilCourage 4/2021

Antimilitarismus

Wahlprüfsteine zur Bundestagswahl der von der DFG-VK mitgetragenen Kampagne „Büchel ist überall! atomwaffenfrei.jetzt“

In der aktuellen Legislaturperiode konnte die Friedensbewegung einige beachtliche Erfolge erzielen, um Druck für nukleare Abrüstung zu machen. Mehr als 120 Städte haben inzwischen den Ican-Städteappell unterzeichnet und fordern die Bundesregierung dazu auf, dem UN-Atomwaffenverbot (AVV) beizutreten. Mit Bremen, Berlin, Hamburg und Rheinland-Pfalz konnten sogar vier Bundesländer dazu gewonnen werden, sich diesem Appell anzuschließen. Ein weiterer großer Erfolg war das Einwirken der Friedensbewegung auf die SPD, als es um die Anschaffung eines neuen Trägersystems ging. Kein neuer Atombomber in der 19. Legislaturperiode. Doch wie geht es bei diesem und weiteren Kernforderungen der Kampagne „Büchel ist überall! atomwaffenfrei.jetzt“ nach der Wahl weiter?

Wir haben in die Wahlprogramme geschaut und uns gefragt, wie die Parteien zu den zentralen Forderungen unserer Kampagne stehen. 

CDU/CSU

Die Unionsparteien betonen, solange es Staaten mit Atomwaffen gebe, brauche Europa „weiterhin den nuklearen Schutzschirm der USA“. Daher sind sie für eine „entschlossene Fortsetzung“ der nuklearen Teilhabe Deutschlands und die Bereitstellung der notwenigen Mittel (sprich: neuer Atombomber für die Bundeswehr) dafür. Die langfristige Vision sei eine Welt, „in der nukleare Waffen als Abschreckung nicht mehr nötig sind“. Sie wollen daher Initiativen unterstützen, „die zu mehr Sicherheit beitragen“. Konkrete Schritte dorthin gibt es aber nicht. Der Atomwaffenverbotsvertrag wird nicht genannt.

SPD 

Die SPD betont, sie sei für eine Welt ohne Atomwaffen. Dafür will sie sich für Abrüstungsverhandlungen einsetzen – auch mit dem Ziel, „die in Europa und in Deutschland stationierten Atomwaffen endlich abzuziehen und zu vernichten“. Deutschland solle die Intentionen des UN-Atomwaffenverbotsvertrages als Beobachter „konstruktiv begleiten“. Die Entscheidung über einen Nachfolger der Tornado-Kampfflugzeuge macht die SPD von einer sorgfältigen Erörterung der nuklearen Teilhabe abhängig.

Bündnis 90/Die Grünen

Der Anspruch von Bündnis 90/Die Grünen ist „nichts Geringeres als eine atomwaffenfreie Welt“. Sie wollen ein Deutschland frei von Atomwaffen und einen deutschen Beitritt zum UN-Atomwaffenverbotsvertrag. Die Formulierungen dazu sind jedoch sehr schwammig. Wann soll dies geschehen? In der nächsten Legislaturperiode oder in 20 Jahren? Die Grünen sprachen sich ebenfalls dagegen aus, ein klares „Nein“ zu einem neuen Atombomber in ihr Wahlprogramm aufzunehmen, wie wir in einer Pressemitteilung zum Wahlparteitag der Grünen im Juni herausgearbeitet haben. Deutschland solle zuerst mit einem Beobachterstatus an der Vertragsstaatenkonferenz des Atomwaffenverbotsvertrages teilnehmen und u. a. eine internationale Initiative zur Reduzierung der Zahl von Atomwaffen starten. (…)

Die Linke

Deutschland muss, so die Linke in ihrem Wahlprogramm, den Atomwaffenverbotsvertrag der UN unterzeichnen, die nukleare Teilhabe in der Nato beenden und darf keine Trägersysteme bzw.  Pilotinnen und Piloten mehr für den Einsatz von Atomwaffen bereitstellen. Die US-Atomwaffen sollten sofort aus Büchel abgezogen und vernichtet werden. (…)FDP: Die Freien Demokraten bekennen sich zum „langfristigen Ziel einer atomwaffenfreien Welt“. Auf Grund der zunehmenden Gefahr durch Nuklearwaffen wollen sie, dass Deutschland und Europa Impulsgeber sind, um Abrüstungs- und Rüstungskontrollinstrumente „zu erneuern und neu zu denken“. Zu unseren konkreten Forderungen verhalten sich die Liberalen nicht. Auf Nachfrage von „Ohne Rüstung Leben“ verneint sie diese aber zum jetzigen Zeitpunkt. Die Frage, ob Deutschland als Beobachter bei der ersten Vertragsstaatenkonferenz des AVV dabei sein solle, lehnte ein Redner der FDP im Januar im Bundestag ab. Dies führe zu „Kollateralschäden“ im Verhältnis zu Deutschlands Verbündeten.

Kategorie: Atomwaffen Stichworte: 202103, Atomwaffen, atomwaffenfrei, Büchel

27. Mai 2021

Deutschland will Atommacht sein

Dieser Beitrag ist erschienen in der
ZivilCourage 4/2021

atomwaffenfrei

Ein- und Ausblick der Proteste am Atomwaffenstandort in Büchel

Von Marion Küpker

Trotz Corona gelang es uns im letzten Jahr – gemeinsam mit der bundesweiten Kampagne Büchel ist überall! atomwaffenfrei.jetztund Ican – eine breite politische Diskussion über die gefährliche nukleare Abschreckungspolitik der Nato bezüglich der in Büchel stationierten US-Atomwaffen zu führen. AkteurInnen der Friedensbewegung thematisierten im letzten Juni diese Abschreckung durch eine regionale Zeitungsanzeige: „Tornado-Appell“ an die Bücheler Tornado-Piloten zur Verweigerung der nuklearen Teilhabe. 

Auch in den Zivilen-Ungehorsams- Gerichtsprozessen wegen der Go-In- Aktionen in den Atomwaffen-Stützpunkt Büchel von mehr als 40 Angeklagten wurde letztes Jahr in den rheinland-pfälzischen Städten Cochem und Koblenz wieder und wieder die illegale d.h. völkerrechtswidrige nukleare Teilhabe, die illegale Atomwaffen-Stationierung, die illegale Abschreckungspolitik sowie die humanitären Folgen eines jederzeit möglichen Atomkrieges eingebracht. Sieben AktivistInnen reichten Verfassungsbeschwerden ein, die allerdings nicht zur Entscheidung angenommen wurden. Weitere folgen dieses Jahr. Dahinter steht die Hoffnung, das internationale Völkerrecht zur Anwendung zu bringen, was von den Gerichten bisher nicht berücksichtigt wird, obwohl es unserem deutschen Recht übergeordnet ist. Der historische Atomwaffen-Verbotsvertrag bietet uns nun bei den neuen Beschwerden beim Bundesverfassungsgericht eine stärkere Ausgangsposition. 

Atomwaffen-Verbotsvertrag.

Mit weit über 100 Aktionen wurde am 22. Januar in Deutschland das Inkrafttreten des internationalen Atomwaffen-Verbotsvertrages gefeiert. 

Durch das Inkrafttreten ist der Verbotsvertrag völkerrechtlich gültig, d.h. nach internationalem Recht gelten Atomwaffen nun explizit als verboten. Allerdings sind die Bestimmungen nur für die Vertragsstaaten bindend, was aber auch die vertragsunterzeichnenden Staaten miteinbezieht, die den Vertrag bisher noch nicht ratifiziert haben, d.h. er gilt für 138 Staaten! Der Handlungsspielraum der Atommächte wird damit immer enger. 

Einige Finanzinstitute haben Ethikregeln, an denen sie sich nun messen lassen müssen, falls sie Konzerne, die Atomwaffen (Teile und Tägersysteme etc.) produzieren, finanzieren. Auch dürfen laut Vertrag diese als „kontrovers“ bezeichneten Waffen in den 138 Vertragsstaaten nicht mehr produziert werden. 

Der Druck auf unsere Regierung muss jetzt weiter ausgebaut werden, damit auch ein Beitritt Deutschlands erfolgen kann.

Neuentwicklungen in Büchel

Trotz des Verbotsvertrages soll der Atomwaffen-Stützpunkt Büchel nun von Juni 2022 bis Januar 2024 für 259 Millionen Euro ausgebaut werden. Dasselbe geschieht an allen europäischen Atomwaffen-Standorten, die zur nuklearen Teilhabe gehören, also in Belgien, den Niederlanden, in Italien und z.T. in der Türkei. 

Diese Baumaßnahmen dienen der Vorbereitung der Stationierung der neuen US-Atombomben vom Typ B61-12, die ab Ende des Jahres in den USA produziert werden. Nach Fertigstellung der Umbauten sollen die alten Atombomben vom Typ B61 gegen die neuen B61-12 ausgetauscht werden. Der Bauplan beinhaltet den Ausbau der Startbahn sowie die Modernisierung der Atomwaffen-Infrastruktur. So sollen die Spezialbehälter in den Flugzeug-Hangars, wo die ca. 20 Bomben eingelagert sind, erneuert werden. 

Zusätzlich steht die Entscheidung über die Anschaffung neuer Kampfflugzeuge aus den USA an, die mit 8 Milliarden Euro veranschlagt ist. Es sei denn, die Laufzeit des 40 Jahre alten Tornado-Kampfjets wird weiter verlängert. Der eigentliche Plan ist, das deutsch-französische Kampfflugzeug FCAS (Future Combat Air System), das aktuell entwickelt wird, anzuschaffen. Das neue US-Kampfflugzeug wäre nur als Zwischenlösung gedacht. Unsere Proteste sind am Standort Büchel daher bedeutender denn je, um diese Planungen zu durchkreuzen!

EU-Atomkamfflugzeug FCAS

Die Bundesregierung will mit Frankreich und Spanien noch in diesem Jahr das neue nuklearfähige Mehrfachkampfflugzeug FCAS auf den Weg bringen, um das Projekt unumkehrbar zu machen. Das neue Kampfflugzeug schreibt die umstrittene nukleare Abschreckung auf Jahrzehnte fort und frisst viele weitere Milliarden an Geldern. 

Das FCAS soll als halbautonomes Waffensystem mit Eurodrohnen vernetzt ab 2040 einsatzfähig sein und auch die in Büchel gelagerten US-Bomben tragen können. 

Klima und Atombomben-Trägerflugzeug

Allein die neuen 45 US- Kampfjets A 18, die Annegret Kramp- Karrenbauer für 10 Milliarden US-Dollar in den USA für die Atombomben in Büchel einkaufen möchte, zeigen – milde ausgedrückt – ihre Klima-Blindheit. 

Der bisherige Tornado-Kampfjet  wird seit 1985 in der Eifel eingesetzt. Die CO2-Belastung je Flugstunde liegt beim Tornado-Kampfflugzeug bei 12 Tonnen. Die Bücheler Atombomben-Piloten vom Luftwaffengeschwader 33 erreichten im April 2019 nach 34 Jahren ihre 200 000ste Tornado-Flugstunde. Das haben sie in Büchel medienwirksam gefeiert, d.h. allein die alten Atombomberjets haben bis heute, nach 35 Jahren, ca. 2,5 Millionen Tonnen CO2 in unsere Umwelt geblasen. Die Zusammenarbeit mit Fridays for Future ist hier sehr wichtig, da auch die militärischen Flüge in die Klimabilanz miteinbezogen werden müssen. Sie tragen eine erhebliche Mitverantwortung für den Klimawandel und gehören abgeschafft. 

Planungsstand der Büchel-Proteste 2021

Die Kampagnenplanung des Trägerkreises Atomwaffen abschaffen – bei uns anfangen! sieht für die Aktionen in Büchel derzeit folgendermaßen aus: 

Anfang Juli bis zum 9. August soll es wieder ein sechswöchiges Camp für Aktionsgruppen in der Nähe des Bücheler Haupttores geben. 

Verschiedene Gruppen sind schon im Vorfeld aktiv:

Am 13. Juni ist der Aktionstag der Naturfreunde in Büchel.

Der 16. Juni ist der 25. Jahrestag des Beginns der Proteste in Büchel. Eine Ausstellung soll am 16. Juni am Haupttor des Fliegerhorstes Büchel erstmalig gezeigt werden (s.u.). 

Der Pacemakers-Radmarathon plant am 17. Juni in Büchel zu sein.Am 3. Juli soll nach aktuellen Planungen der ökumenische Aktionstag stattfinden.Die IPPNW hat ein Camp für den 6.-11. Juli angemeldet.Vom 12.-20. Juli findet die Internationale Woche der GAAA statt.Vom 24.- 27. Juli sind die Quäker in Büchel.Den Abschluss der Aktionspräsenz bildet auch 2021 das öffentliche Fasten des regionalen Initiativkreis gegen Atomwaffen (Versöhnungsbund) am Nagasaki-Gedenktag, dem 9. August Es finden regelmäßig weitere Gerichtsprozesse in Cochem und Koblenz statt.

Corona kann Änderungen bewirken. Schaut deswegen zeitnah in den Terminkalender: https://bit.ly/3treVWE

25 Jahre Proteste gegen Atombomben in der Eifel

Zum 25. Jahrestag der Proteste in Büchel plant die Kampagne Büchel ist überall! atomwaffenfrei.jetzt eine Ausstellung, die ab Juni der Friedensbewegung auch überregional zur Verfügung gestellt werden soll. 

Hier ein kleiner Einblick in die Anfangsgeschichte der Anti-Atomwaffen-Bewegung in Büchel:

„Vor 25 Jahren, am 16. Juni 1996, fand unsere erste Protestaktion am Atomwaffen-Stützpunkt Büchel statt:

Rund 80 Mitglieder der Atomteststopp-Kampagne führten eine gewaltfreie Sitzblockade am Haupttor des Fliegerhorstes Büchel durch und zogen von dort in einer Demonstration zum 2,5 KIlometer entfernten Atombomben-Außendepot.

Das einzige Tor dieses Depots wurde mit einer mitgebrachten schweren Eisenkette verschlossen („Schließung eines Atomwaffenlagers“). Hier schritten weder Polizei noch Bundeswehr oder Wachschutz ein. Der Schlüssel, mit dem das Tor verschlossen wurde, wurde am nächsten Tag dem Bürgermeister von Büchel auf einem roten Samtkissen überreicht. Mitaufrufer dieser Aktionen war der noch junge bundesweite Trägerkreis (1994) Atomwaffen abschaffen – bei uns anfangen!“

Höhepunkt Menschenkette – „Save the date!“

Für Sonntag, den 5. September, ist eine Menschenkette geplant: Über 3,5 Kilometer soll die Kette vom Ortskern Büchel auf dem Fahrradweg entlang der Bundesstraße bis hin zum Haupttor des Atomwaffen-Fliegerhorstes Büchel, gehen. Dieser Menschenketten-Termin liegt drei Wochen vor der geplanten Bundestagswahl am 26. September, auf die wir Druck ausüben wollen. 

Bitte meldet Euch bei Interesse an per E-Mail: info@atomwaffenfrei.jetzt

Marion Küpker ist Sprecherin der „Kampagne Büchel ist überall! atomwaffenfrei.jetzt“, Internationale Koordinatorin der DFG-VK gegen Atomwaffen sowie Friedensreferentin zu Atomwaffen beim deutschen Zweig des internationalen Versöhnungsbunds.

Kategorie: Atomwaffen Stichworte: 202102

25. März 2021

Der Atomwaffenverbotsvertrag gilt

Dieser Beitrag ist erschienen in der
ZivilCourage 4/2021

Antimilitarismus

Die rechtliche und politische Lage nach dem Inkrafttreten des Vertrages

Von Roland Blach

Die Zahlen

Kundgebung vor dem Kanzleramt in Berlin am 22. Januar (Foto: Uwe Hiksch)

Der Atomwaffenverbotsvertrag (AVV) ist am 22. Januar 2021 in Kraft getreten, nachdem dem Abkommen 51 Staaten beigetreten sind. Weitere Beitritte werden erwartet: die Staaten, die unterzeichnet haben und im Prozess der Ratifizierung sind (weitere 37 Staaten), sowie die Staaten, die ihre Unterstützung bereits kundgetan haben (weitere 50). 

Diese 138 Staaten stellen über 70 Prozent der Staaten weltweit dar – eine klare Mehrheit. Weitere 17 Staaten sind unentschieden, und 42 Staaten sind dagegen. Von diesen 42 Staaten sind 9 Atomwaffenstaaten und 32 solche, die unter dem sogenannten nuklearen Schirm stehen. Diese 32 Staaten sind besonders gefragt, weil sie laut Nichtverbreitungsvertrag (NVV) als Nicht-Atomwaffenstaaten gelten und sich damit dazu verpflichtet haben, auf Atomwaffen zu verzichten. 

Die rechtliche Situation

Nach dem Inkrafttreten des AVV wird der Vertrag völkerrechtlich gültig. Damit kann man sagen, dass Atomwaffen nach internationalem Recht verboten sind. Allerdings sind die Bestimmungen des Vertrags zunächst nur für die Vertragsstaaten verbindlich. Nach dem Wiener Übereinkommen über das Recht der Verträge müssen auch Unterzeichnerstaaten, die noch nicht ratifiziert haben, die Bestimmungen einhalten. Alle Staaten, die den Vertrag noch nicht unterzeichnet haben, müssen das nicht. 

Der Vertrag schafft durch das Inkrafttreten und die Beitritte vieler Staaten eine Norm. Atomwaffen werden dadurch immer mehr stigmatisiert. Das haben wir mit anderen Verbotsverträgen bereits erfahren, siehe den Landminen-Vertrag oder die B- und C-Waffenkonventionen. 

Auch wenn Hersteller- oder Besitzerstaaten dem Vertrag nicht beitreten, wird es zunehmend schwierig, Atomwaffen zu rechtfertigen. Sie werden als „kontroverse“ Waffen bezeichnet – ein Begriff, der das Verhalten von Finanzinstituten und Firmen nachhaltig ändern kann. 

Um zu verhindern, dass diese Norm zum Gewohnheitsrecht wird, müssen die Gegner des AVV ihren Widerstand immer wieder geschlossen öffentlich erklären („persistent objection“). Kürzlich erst hat die Nato eine solche Erklärung abgegeben. Deswegen ist es besonders wichtig, dass ein Dialog in der Nato über die Zukunft der Atomwaffenpolitik entsteht. 

Dialog in der Nato

Im Nordatlantikvertrag gibt es keine Erwähnung von Atomwaffen – also ist es rechtlich nicht unerlässlich, dass die Nato eine „nukleare Allianz“ bleibt. 

Das immer wiederholte Statement „Solange Atomwaffen existieren, bleibt die Nato eine nukleare Allianz“ kann auch anders herum verstanden werden: Solange die Nato eine nukleare Allianz bleibt, werden Atomwaffen weiterhin existieren. Das ist ein Teufelskreis. 

Europa spielt eine Schlüsselrolle in der Blockade der Abschaffung von Atomwaffen, wenn man die weltweite Situation betrachtet. Afrika, Lateinamerika, Zentralasien und der Südpazifik sowie Teile Südostasiens bilden atomwaffenfreie Zonen. Hier findet man die meisten AVV-Unterstützerstaaten. Europa hat die meisten Gegnerstaaten, nicht zuletzt wegen der vielen Nato-Mitgliedsstaaten. 

Deutschland hat oft erklärt, Rüstungskontrolle und Abrüstung in der Nato voranbringen zu wollen. Auch wenn die Bundesregierung sich nicht dazu in der Lage sieht, dem AVV beizutreten, kann sie einen Dialog über die nukleare Teilhabe und die künftige Rolle der Atomwaffen in der Nato anschieben. 

Was kann Deutschland jetzt machen?

Die politischen Verhältnisse im Bundestag geben momentan keinen Beitritt zum AVV her. Aber der Weg kann noch geebnet werden, wenn die folgenden Maßnahmen unternommen werden: 

● Deutschland könnte zunächst erklären, die Wahrnehmung über die Bedrohung durch nukleare Abschreckung, die die Mehrheit der Staaten teilt, anzuerkennen. 

● Dabei kann die Bundesregierung versichern, dass Deutschland langfristig auf eine Sicherheitspolitik auf der Grundlage der nuklearen Abschreckung verzichten will, weil eine solche nicht nachhaltig ist. 

● Die Verpflichtung aller Staaten unter Artikel VI des NVV, sich für die nukleare Abrüstung einzusetzen, wurde durch den Aktionsplan 2010 konkretisiert. 

● Ein Aktionspunkt ist die Reduzierung der Rolle von Atomwaffen in der Atomwaffenpolitik von Staaten. Die Bundesregierung sollte einen Plan formulieren, wie dieser Aktionspunkt konkret in Deutschland verfolgt wird, besonders in Bezug auf die nukleare Teilhabe. 

● Der öffentlich erklärte Widerstand der Bundesregierung gegen den AVV kann zurückgenommen werden, und die Bundesregierung kann prüfen, ob Deutschland dem Vertrag künftig beitreten kann und was dafür notwendig ist. 

● Eine Teilnahme als Beobachterstaat an den Staatenkonferenzen zur Überprüfung des AVV würde den Dialog mit den AVV-Staaten ermöglichen. 

Aktuelle Wirksamkeit des Vertrags

Der AVV wirkt sich seit dem 22. Januar 2021 noch stärker aus als zuvor, weil er dann Teil des Völkerrechts ist. Atomwaffen gehören damit zu der Klasse der „kontroversen“ Waffen. Der AVV hat die Abrüstungsdebatte bereits verändert und wird seine Wirkung mit dem Inkrafttreten weiter verstärken. 

Seit dem Tag des Inkrafttretens ist der AVV für seine Vertragsstaaten verbindliches Recht und muss durch nationale Maßnahmen umgesetzt werden. Beispielsweise hat das irische Parlament bereits ein Gesetz verabschiedet, das jegliche unter dem Vertrag verbotene Aktivität unter Strafe stellt. 

Bereits jetzt diskutieren Firmen und Finanzinstitute über den neuen Status von Atomwaffen durch den Verbotsvertrag. Firmen wie Airbus, MAN und Thyssen-Krupp sind im Atomwaffengeschäft involviert und können dadurch mehr in die Kritik geraten. 

Die Finanzierung von Atomwaffen wird durch das Verbot der unterstützenden Tätigkeiten (Artikel 1 lit. e) mittelbar untersagt. Finanzinstitute und Banken in Vertragsstaaten können keine Kredite an Hersteller von Atomwaffen und Trägersystemen vergeben oder anderweitig in diese investieren. 

Schon heute haben globale Banken ihre Richtlinien in Bezug auf Atomwaffen angepasst und dabei explizit auf den AVV verwiesen, auch in Staaten wie Deutschland, den Niederlanden und Belgien. 

Das Tabu gegen den Einsatz von Atomwaffen wird mit dem AVV gestärkt. Das kann auf das Verhalten von Staaten, die noch nicht beigetreten sind, Auswirkungen haben. 

Beispielsweise werden künftig explizite und implizite Drohungen mit Atomwaffen nicht ohne scharfe Kritik der Vertragsparteien ausgesprochen werden können. Die Strategie der nuklearen Abschreckung wird in bisher ungekanntem Ausmaß unter Rechtfertigungsdruck kommen. 

Roland Blach ist Geschäftsführer des DFG-VK-Landesverbands Baden-Württemberg.

Kategorie: Antimilitarismus, Atomwaffen Stichworte: 202101, Abrüstung, Atomwaffen, Atomwaffensperrvertrag, Nato, Nordatlantikvertrag, Rüstungskontrolle, Völkerrecht

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