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202104

20. Dezember 2021

DFG-VK-Jugend-Treffen

Dieser Beitrag ist erschienen in der
ZivilCourage 3/2021

DFG-VK-Info

DFG-VK-U35-Treffen in Kassel

Von Michael Schulze von Glaßer

Vom 17. bis 19. September fand im nordhessischen Kassel das sechste Treffen der jungen DFG-VK-Mitglieder unter 35 Jahren statt. Zwar hat unser Verband aktuell knapp 3 600 Mitglieder, der „U35“-Anteil liegt aber nur bei rund 225 Personen. Die DFG-VK fördert die Jugendarbeit daher seit Jahren und organisiert etwa regelmäßig bundesweite Treffen. 

Aufgrund der Coronapandemie konnte das diesmal aber nur in „abgespeckter“ Form stattfinden – zehn junge Leute waren in Kassel dabei. Doch auch in diesem kleinen Kreis wurde viel gemacht und diskutiert: Es gab einen Input zu „Lobbying von unten“, in dem anhand von Beispielen gezeigt wurde, wie man auf Politiker*innen und andere Entscheidungsträger*innen Einfluss nehmen und sie von unseren friedenspolitischen Positionen überzeugen kann. 

Ein junges Mitglied mit kolumbianischen Wurzeln erklärte uns den aktuellen Konflikt in dem südamerikanischen Land: Viele Menschen dort fordern gerade mit Protesten soziale Verbesserungen und werden von der Regierung mit Milizen und dem Militär niedergeschlagen – dabei kommen auch Waffen aus Deutschland zum Einsatz. 

Darüber hinaus wurde auf dem U35-Treffen auch viel über die DFG-VK – etwa die Strukturen des Verbands – diskutiert. Es war ein „kleines aber feines“ Treffen in Kassel. Im kommenden Jahr soll es – nach hoffentlich weitestgehend überstandener Pandemie – wieder ein größeres Treffen geben. 

Michael Schulze von Glaßer ist politischer Geschäftsführer der DFG-VK.

Kategorie: DFG-VK-Info Stichworte: 202104, Jugendtreffen, U35

20. Dezember 2021

„Furchtlos und treudoof“

Dieser Beitrag ist erschienen in der
ZivilCourage 3/2021

Antimilitarismus

Kein Heldengedenken mehr in der Kasseler Karlsaue

Von einigen Aktiven aus der Antimilitaristischen Aktion Berlin (amab)

Nach einer Plakat-Aktion am kriegsverherrlichenden und Nazi-Mörder ehrenden „Ehrenmal“ an der Kasseler Karlsaue sind die dortigen Reservist*innen stinksauer. Denn die Parkverwaltung sagte daraufhin die jährlich stattfindende Feier zum Volkstrauertag ab. Begründung: Die Gefallenen seien „Täter und Opfer“.

Das Hass-Denkmal in der Karlsaue

Im September eröffnete die Stadt Kassel im Schlosspark in der Karlsaue nach langer Restaurierung feierlich das Ehrenmal. In den drei Stockwerken des Ehrenmals gedenken gleich mehrere Tafeln und große Reliefs der faschistischen Mörderbanden. Die völkischen Gedenktafeln für die im Ersten Weltkrieg gefallenen deutschen Soldaten bedienen in einigen Fällen auch noch die Dolchstoßlegende. In der obersten Etage stellt sich die Bundeswehr mit einer eigenen Plakette in diese deutsche Tradition. (https://bit.ly/3DBjh1K)

Kein Wort zur Shoa. Außerdem gibt es auf dem Ehrenmal eine besondere weitere Tafel für Deserteur*innen des Zweiten Weltkriegs. Erklärende Schilder an den Eingängen weisen darauf hin, dass das Denkmal „kontrovers“ sei, und verbreiten die blanke Lüge, dass es für Frieden werbe. Von den Millionen von deutschen Soldaten getöteten Menschen findet sich kein Wort. Auch die Shoa, die ohne den Vernichtungskrieg der deutschen Soldaten nicht denkbar wäre, findet mit keinem Wort Erwähnung.

Sachbeschädigung

Zuletzt in den Medien war das Denkmal im September. Fiese Chaot*innen hatten das „Ehrenmal“ eines Nachts ganz schlimm entweiht. Die Chaot*innen kleisterten das Denkmal mit an Tabak-Warnhinweise erinnernde Poster voll. Diese informierten „Soldat*innen sind Mörder*innen“ und „Nationalismus gefährdet Ihre Gesundheit“. Die unerkannt gebliebenen Chaot*innen („Rheinmetall entwaffnen“ solidarisierte sich auf Instagram, bestritt aber eine Urheber*innenschaft) kritisierten, dass die Kasseler Stadtgesellschaft das Hetz- und Hassdenkmal bis heute duldet und schönredet. (https://bit.ly/
3lIpp1R)

Kreative Veränderungen

Mit einigen der als Gefallenen-Gedenken verharmlosten Hass-und Hetzslogans am Denkmal setzten sich die unerkannt gebliebenen Chaot*innen intensiver auseinander. Eine Tafel mit dem Slogan „Die Toten verpflichten die Lebenden“ ergänzten sie mittels Aufklebern um die Worte „zu Antifaschismus und Antimilitarismus.“ Das Zeichen der eigentlich gemeinten uniformierten Mörderbande überklebten sie mit einer Abbildung. Diese zeigt zwei Hände, die – so wie im DFG-VK-Logo – ein Gewehr zerbrechen. Auch die Tafel für die Bundeswehr fand ein besonderes Interesse bei den Chaot*innen. Diese ergänzten sie mit dem Slogan „Nazidenkmal? Hier pass ich hin!“

Volkstrauer-Feier abgesagt

Anlässlich des Volkstrauertags berichteten nun die Hessischen Neuesten Nachrichten (HNA), dass der Chef des Reservist*innenverbands in Kassel stinksauer sei. Er sei aus „allen Wolken gefallen“, als er noch im September erfuhr, dass die Parkverwaltung der Museumslandschaft Hessen Kassel (MHK) die Feierlichkeiten zum Heldengedenktag …
ähh:
 Volkstrauertag abgesagt habe. Begründung: Der HMK sei aufgefallen, dass das Ehrenmal eine „heikle Sache“ ist, weil die Gefallenen „Täter und Opfer“ seien. Außerdem würden mit den Steintafeln am Ehrenmal auch Verbände geehrt, die „eindeutig Täter“ seien. Man wolle jetzt einen „differenzierten Umgang“ … blablabla. (https://bit.ly/3dpUtij)

Auseinandersetzung in der Uni

Die Aktion und das Denkmal waren außerdem Thema an der Universität. Die Vorlesungsreihe „Denkmal-Kontroverse in Kassel“ nutzte für die Bewerbung ein Bild der Denkmal-Aktion. Das Bild zeigt eine der mit einem Aufkleber ergänzten kriegsverherrlichenden Steintafeln. Im Original lautet der Slogan „Furchtlos und treu“. Nach der Ergänzung lautete der Schluss des Slogans „Furchtlos und treudoof.“ (https://bit.ly/336M1CT)

Fazit

Machen wir uns nichts vor: Die Zeiten sind gerade günstig. Dank der aktuell fast wöchentlich öffentlich werdenden „Einzelfälle“ von braunen Soldat*innen, die für ihre Nazi-Netzwerke alles unterhalb der Größe eines Schützenpanzers aus den Kasernen schleppen, steht das Militär so sehr unter Druck wie selten zuvor. Ein offener Protestbrief hätte im aktuell sehr günstigen gesellschaftlichen Klima vermutlich Ähnliches erreicht. 

Doch stellen wir uns vor, wir könnten es schaffen, offene Ansprechbarkeit, inhaltsreiche Öffentlichkeitsarbeit, freche Militanz und andere Aktionsformen lokal vor Ort zu verbinden. Welche Kraft hätten wir, politische Ziele zu erreichen! Stattdessen stellen wir Hauptamtliche ein, die in der Berliner Betonwüste ausgerechnet die grüne Kriegspartei anlobbyieren sollen. 

Eines der wenigen Beispiele, bei dem die Verbindung verschiedener Politikformen in der DFG-VK gut klappt, ist der Denkmalprotest um Wilfried Porwol und die DFG-VK-Gruppe Kleve (siehe ZivilCourage Nr. 1/2021 mit der Titelgeschichte „Krieger.Denk.Mal.“). Falls euch weitere Beispiele einfallen, schreibt bitte einen Leser*innenbrief mit Aktionsbild oder eine Mail an amab@riseup.net. Wir würden uns sehr darüber freuen.

Autor*inneninfo: Einige aus der Antimilitaristischen Aktion Berlin (amab). Die amab ist Teil des U35-Netzwerkes der DFG-VK und arbeitet mit im Landesverband Berlin. 

In der Regel verzichten wir auf allgemeingültige Aussagen und Stellvertretung (deswegen „einige aus der amab“). Wir verzichten meistens auch auf individuelle Namensnennungen. Auf das karrieregeile Publikationen-sammeln haben wir keine Lust, und es sollte um das inhaltliche Argument statt um das Ansehen der schreibenden Personen gehen. Außerdem haben wir mittels Datenschmutz-Anfragen rausgefunden, dass ein Landesamt für Verfassungsschmutz Schreibttischtäter*innen dafür bezahlt, Publikationen nach Artikeln eines unserer Mitglieder zu durchforsten und in Datenbanken zu speichern, und dabei müssen wir ja den Geheimen nicht auch noch Hilfestellung leisten. 

Auch die Streitkultur in der DFG-VK, bei der (z.B. nach dem Niemöller-Text – siehe ZivilCourage Nr. 1/2021, S. 26 ff.) regelmäßig völlig unnötig mit Namen um sich geworfen wird, sagt uns nicht zu, denn wir haben Google-Phobie (deswegen gibts auch kein Bild von uns). Unser Vertrauen, dass es bei Stress und Ärger wegen unseres Engagements Unterstützung gibt, und nicht auch noch irgendwer z.B. eine Liste mit unseren Namen an die Staatsanwaltschaft faxt, ist angesichts der Konfliktgeschichte unseres Landesverbandes mit dem Bundesverband leider nicht besonders hoch. Wir versuchen, aus Geschichte zu lernen, und setzen lieber auf Datensparsamkeit. Mehr Infos zu unserer Arbeit findet sich auf unserem Blog amab.blackblogs.org

Und was ist eine Datenschmutz-Anfrage? https://datenschmutz.de/auskunft

Kategorie: Antimilitarismus Stichworte: 202104

20. Dezember 2021

Aus friedenspolitischer Sicht kein Fortschritt

Dieser Beitrag ist erschienen in der
ZivilCourage 3/2021

Titel

Die Ampel-Koalition folgt einer überholten militärischen Sicherheitslogik

Am 24. November schlossen SPD, Bündnis 90/Die Grünen und die FDP ihren „Mehr Fortschritt wagen“ überschriebenen Koalitionsvertrag. Am 8. Dezember wurde Olaf Scholz zum Bundeskanzler gewählt und die neue Bundesregierung vereidigt.

Unmittelbar vor Drucklegung dieser ZivilCourage veröffentlichte der DFG-VK-Bundesverband eine erste Einschätzung  der beabsichtigten Politik der neuen Ampel-Koalition.

Bereits vor Etablierung der neuen Regierung wurde zur Bekämpfung der Corona-Pandemie ein neuer Krisenstab eingesetzt. Die Leitung wurde einem Bundeswehr-General übertragen. Der DFG-VK-Landesverband NRW reagierte darauf mit einer Erklärung, die das scharf kritisierte.

Beide Papiere – die Einschätzung des Koalitionsvertrags und die Erklärung zum militärgeführten Corona-Krisenstab – werden auf den folgenden Seiten dokumentiert. 

Die DFG-VK nimmt den Koalitionsvertrag von SPD, B90/Die Grünen und FDP enttäuscht zur Kenntnis. Die neue Regierung folgt weiterhin einer überholten militärischen Sicherheitslogik. Es gibt ein paar wenige Lichtblicke, die im Folgenden genannt werden. 

Rüstungsexportkontrollgesetz

Die angekündigte Schaffung eines Rüstungsexportkontrollgesetzes ist ein Erfolg der Zivilgesellschaft. Die Wirksamkeit dieses neuen Gesetzes hängt allerdings von dessen Inhalt ab, so dass wir den Entstehungsprozess aufmerksam begleiten werden. Wir begrüßen, dass die Bundesregierung vorsieht, keine weiteren Rüstungsexporte an im Jemen-Krieg beteiligte Staaten zu liefern. Auch dieses Vorhaben werden wir kritisch begleiten. (S. 146) 

Deutschland Beobachter bei 1MSP

Die Zusage der Bundesregierung, der Vertragsstaatenkonferenz des Atomwaffenverbotsvertrages als Beobachter beiwohnen zu wollen, nehmen wir positiv zur Kenntnis. (S. 145)

Keine Minderjährige in Bundeswehr

Laut Koalitionsvertrag sollen Ausbildung und Dienst an der Waffe zukünftig nur noch volljährigen Soldat*innen in der Bundeswehr vorbehalten sein. Wir werten das als einen Erfolg der Friedensbewegung und insbesondere der Kampagne „Unter 18 nie! Keine Minderjährigen in der Bundeswehr“, die sich seit zwei Jahren für die Anhebung des Rekrutierungsalters einsetzt. (S. 149)

Untersuchungsausschuss Afghanistan

Wir begrüßen das Vorhaben der neuen Bundesregierung, einen parlamentarischen Untersuchungssauschuss zur Evakuierungsmission in Afghanistan einzuberufen und den Gesamteinsatz evaluieren zu wollen (S. 150). Wir erwarten, dass die Zivilgesellschaft die Möglichkeit erhält, sich daran zu beteiligen. Zudem werden wir die Koalition bei ihrem Wort nehmen und den versprochenen Dialog über die Herausforderungen der internationalen Politik mit den Bürger*innen einfordern. (S. 144)

Gewohnte Lippenbekenntnisse

Dieser Dialog ist dringend notwendig. Denn trotz kleiner Lichtblicke und den gewohnten Lippenbekenntnissen, z.B. zu einer „atomwaffenfreien Welt“ und einer „abrüstungspolitischen Offensive“ (S. 145), ist der Koalitionsvertrag aus friedenspolitischer Sicht alles andere als ein Fortschritt.

Die folgenden Punkte motivieren uns deshalb, unsere Arbeit in den nächsten vier Jahren mit Nachdruck fortzusetzen.

Bekenntnis zum 2-Prozent-Ziel

Die neue Bundesregierung gibt an, ihren Verpflichtungen innerhalb der Nato nachkommen zu wollen und langfristig insgesamt 3 Prozent des deutschen Bruttoinlandsprodukts in internationales Handeln zu investieren (S. 144). Hiermit bekennt sich die Koalition unserer Meinung nach zum 2-Prozent-Ziel der Nato und damit gleichzeitig zu einem weiteren massiven Anstieg der Rüstungsausgaben. Wir hätten erwartet, dass sich die Ampelkoalition in diesem Punkt klar von der Fehlentscheidung der alten Bundesregierung distanziert und stattdessen eine drastische Senkung des Nato-Beitrages veranlasst. Es ist dramatisch und folgenschwer, dass inmitten der Klimakatastrophe und einer seit zwei Jahren andauernden Pandemie noch mehr Geld für Verteidigung und Militär bereitgestellt werden soll. 

Nukleare Teilhabe bleibt bestehen

Die Koalition will weiter an der nuklearen Teilhabe festhalten. Ein Abzug der Atomwaffen aus Deutschland wird damit unmöglich gemacht. An diesem entscheidenden Punkt und beim nicht erwähnten Thema „Ersteinsatz von Atomwaffen“ bleiben SPD und Bündnis 90/Die Grünen weit hinter den Aussagen ihrer eigenen Politiker*innen zurück. 

Neue Atombomber für die Bundeswehr

Mit der geplanten Anschaffung atomwaffenfähiger Kampfjets als Ersatz für die Bundeswehr-Tornados wird die nukleare Teilhabe zementiert.

Dem Vorhaben der Nato, konventionelle Mittelstreckenraketen in Europa zu stationieren, erteilt die neue Regierung ebenfalls keine Absage.

Zusage an Rüstungsgroßprojekte

Die neue Bundesregierung gibt an, die rüstungstechnische Zusammenarbeit in Europa durch Kooperationsprojekte stärken zu wollen. Das ist für uns eine eindeutige Zusage zur Entwicklung und Beschaffung neuer europäischer Rüstungsgroßprojekte (wie das neue FCAS-Kampfflugzeugsystem, Kampfpanzer und Kriegsschiffe). (S. 148)

Mögliche Verzögerungen bei Rüstungsexportkontrollgesetz

Die neue Bundesregierung möchte sich nach eigenen Angaben an einer gemeinsamen EU-Rüstungsexportverordnung orientieren. Sie darf aber nicht auf eine europäische Verordnung warten und diese als Verzögerungsmöglichkeit für ein nationales Rüstungsexportkontrollgesetz nutzen. Eine europäische Verordnung ist dann sinnvoll, wenn sie zu einer restriktiven Verschärfung auf der Basis des Gemeinsamen Standpunktes der EU und nicht zu einer Verwässerung führt. Das nationale Rüstungsexportkontrollgesetz wäre zu begrüßen, wenn es sich an den Vorgaben der juristisch ausgearbeiteten Gesetzesvorlage von „Greenpeace“ und der Kampagne „Aktion Aufschrei – Stoppt den Waffenhandel!“ orientiert. 

Rüstungsexportverbot nicht weitreichend genug

Laut Koalitionsvertrag plant die neue Bundesregierung ein Exportverbot von Kriegswaffen an im Jemen-Krieg „nachweislich unmittelbar“ beteiligte Staaten. (S. 146) Nötig ist jedoch ein Rüstungsexportverbot an alle kriegführenden und menschenrechtsverletzenden Staaten.

Go für die Bewaffnung von Drohnen

Trotz nachdrücklicher Warnungen und starker Bedenken aus der Zivilgesellschaft wird eine Bewaffnung der Drohnen der Bundeswehr ermöglicht. Deren völkerrechtswidriger Einsatz würde von der DFG-VK beim Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag zur Strafanzeige gebracht. 

Kein Fortschritt beim Verbot autonomer Waffensysteme

Die Formulierung zum Thema „Autonome Waffensysteme“ ist kein Fortschritt zu den beiden vorherigen Koalitionsverträgen. Weiterhin wird die bislang folgenlos gebliebene Forderung nach einer internationalen Ächtung verwendet und damit der Druck der Zivilgesellschaft für eine deutliche Formulierung ignoriert. Wenn das deutsche Handeln auf der internationalen Bühne derart ambitionslos verbleibt, wie die Worte im nun vorgestellten Vertrag befürchten lassen, wird sich der Stillstand der letzten Jahre fortsetzen. 

Sollte die kommende Regierung tatsächlich „aktiv“ werden wollen, muss die Review Conference der UN-Waffenkonvention im Dezember für ein klares Bekenntnis und ein starkes Verhandlungsmandat für ein völkerrechtlich bindendes Instrument genutzt werden. (S. 145)

Zivile Konfliktprävention findet kaum Beachtung

Zivile Konfliktprävention im engeren Sinn findet sich nur in fünf Zeilen des Koalitionsvertrags, Verteidigung und Bundeswehr dagegen werden 73 Zeilen gewidmet. Leider spiegelt diese ungleichgewichtige Schwerpunktsetzung auch inhaltlich die gesetzten Prioritäten wider. Zwar sollen Krisenprävention und ziviles Krisenmanagement grundsätzlich gestärkt werden – allerdings fehlen konkrete Ausbauziele.

Zukunft

Wir fordern von der neuen Ampelkoalition eine Außen- und Sicherheitspolitik, die Sicherheit neu denkt und Abrüstung statt Aufrüstung in den Mittelpunkt stellt. Wie sich in der Vergangenheit gezeigt hat, führen militärisches Denken und Handeln zu einer Eskalation der Bedrohungslage und im schlimmsten Fall zu Krieg. Alle Kriegsbeteiligungen Deutschlands der vergangenen Jahre (z.B. in den Kriegen in Afghanistan, im Irak, in Libyen, in Syrien oder im Jemen), sei es durch Bundeswehreinsätze oder Rüstungsexporte, haben fatale Folgen gehabt. Wir erwarten von der neuen Bundesregierung, dass sie die Unkultur des Krieges beendet und durch eine Kultur des Friedens ersetzt.

Kategorie: Titel Stichworte: 202104, Ampel, Friedenspolitik, Regierung

20. Dezember 2021

General gegen Corona – geht´s noch?

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ZivilCourage 3/2021

Titel

Erklärung des DFG-VK-Landesverbands NRW

Jetzt geht es Corona an den Kragen: Die Leitung des einzurichtenden Krisenstabes übernimmt ein Bundeswehr-General! 

In der WAZ wird unter der Überschrift „Dieser General soll die Pandemie besiegen“ schon mal festgestellt, Olaf Scholz vertraue offenbar mehr der „nüchternen Analyse der Militärs als den Einschätzungen der Virologen“. Ein Armutszeugnis für das zivile Krisenmanagement unseres Staates, aber auch ein erschreckendes Bild der kommenden Regierung, die meint, Gesundheitsprobleme mit militärischem Befehl und Gehorsam lösen zu können. 

Dies ist bis jetzt der Höhepunkt des schleichenden Einzugs des Militärs in die zivilen Bereiche der Gesellschaft. Schon seit Jahren wird die zivil-militärische Zusammenarbeit ausgebaut, Militärs auf kommunaler Ebene an führender Stelle in den Zivilschutz und die Katastrophenhilfe integriert. All das, obwohl der Einsatz des Militärs im Inneren in Deutschland aus guten Gründen auf wenige Ausnahmefälle beschränkt ist. Offenbar gibt es immer noch genug Menschen, die den preußischen Irrglauben an die militärische Überlegenheit in allen Lebenslagen nicht abgelegt haben.

In Deutschland gilt eine strikte Trennung von militärischen (Verteidigungs- und Abwehraufgaben) und polizeilichen (Gefahren- und Verbrechenspräventionsmaßnahmen) Aufgaben . Dies ist eine Konsequenz aus den Erfahrungen des Nationalsozialismus und des Zweiten Weltkriegs. In Artikel 87a Abs. 2 Grundgesetz ist ein Verfassungsvorbehalt für einen Einsatz der Streitkräfte formuliert: „Außer zur Verteidigung dürfen die Streitkräfte nur eingesetzt werden, soweit dieses Grundgesetz es ausdrücklich zulässt.“ Die Einsatzmöglichkeiten der Bundeswehr im Innern sind limitiert auf Katastrophennotstände, welche bei Naturkatastrophen oder besonders schweren Unglücksfällen auftreten können. Trotzdem wird von Seiten der Armee und bestimmten politischen Kräften immer wieder versucht, diesen engen Rahmen auszuweiten. 

Dabei spielt auch eine Rolle, dass die Bundeswehr ihr Image verbessern will und der Bevölkerung zeigen möchte, dass sie den Menschen hilfreich zu Seite steht. Dass die manchmal auftretende Notwendigkeit, die Bundeswehr und ihr Gerät z.B. bei Flutkatastrophen einzusetzen, ist vor allem der Tatsache geschuldet ist, dass die Bundeswehr jährlich Milliarden Steuergelder verschlingt; dass die dem zivilen Katastrophenschutz fehlen, wird dabei verschwiegen. 

Erklärung des DFG-VK-Landesverbands NRW vom 30.11.2021

Kategorie: Titel Stichworte: 202104, Ampel, Corona

20. Dezember 2021

Keine  Kampfdrohnen und  Atomkriegsmanöver

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ZivilCourage 3/2021

Antimilitarismus

Demonstrationen in Kalkar und Nörvenich

Von Joachim Schramm

Wenige Tage nach der Bundestagswahl fanden  in Nordrhein-Westfalen  zwei Friedensdemonstrationen statt, an denen der DFG-VK-Landesverband maßgeblich beteiligt war. 

Am 3. Oktober protestierte die Friedensbewegung wie schon in den Vorjahren vor den Luftwaffen-Kommandozentralen von Nato und Bundeswehr im niederrheinischen Kalkar. Am folgenden Wochenende fand am Luftwaffenstandort Nörvenich zwischen Köln und Aachen eine Demonstration gegen das bevorstehende Atomkriegsmanöver „Steadfast Noon“ statt.

Obwohl beide Veranstaltungen die Möglichkeit boten, kurz nach der Wahl noch einmal deutlich zumachen, welche Themen im Wahlkampf gefehlt hatten – oder vielleicht gerade wegen der Nähe zum Wahlkampf – blieb die Beteiligung hinter den Erwartungen zurück. In Kalkar demonstrierten bei widrigen Wetterbedingen nur knapp 100 Aktivist:innen, in Nörvenich waren es zwischen 150 und 200. 

Trotzdem war bei beiden Aktionen die Stimmung gut; diejenigen, die gekommen waren, hatten etwas zu sagen: Angesichts der aktuellen Diskussion um die Bewaffnung mit Bundeswehr-Drohnen und der Beschaffung von europäischen Waffensystemen wie Eurodrohne oder FCAS (Future Combat Air Systems) machte die Demonstration in Kalkar auf die Tatsache aufmerksam, dass diese gefährlichen Waffen im Falle der Anschaffung aus den Militäranlagen im beschaulichen Kalkar aus kommandiert würden. 

Der Hauptredner Lühr Henken, DFG-VK-Mitglied und aktiv im Bundesausschuss Friedensratschlag sowie in der bundesweiten Drohnenkampagne, stellte diese Tatsache in den Zusammenhang der allgemeinen Aufrüstung, vor allem auch im Bereich Luftwaffe: „Die Aufrüstung von Heer, Marine und Luftwaffe Deutschlands ist umfassend. Kramp-Karrenbauer kündigte dazu in einer Grundsatzrede vor eineinhalb Jahren an: ,Im Schnitt bekommt die Bundeswehr jede Woche einen neuen Panzer, jeden Monat ein neues Flugzeug und jedes Jahr ein neues Schiff.‘ Die Luftwaffe soll also bis 2031 jeden Monat ein neues Flugzeug erhalten.“

Um die Zusammenhänge zu anderen gesellschaftlichen Themen darzustellen, waren als weitere Redner ein Vertreter von „Aufstehen gegen Rassismus Kleve“ und ein Betriebsratsvorsitzender aus dem Gesundheitsbereich eingeladen. 

Für besondere Aufmerksamkeit sorgte eine Aktion am Ende der Demonstration: Die letzten Meter zum Kundgebungsplatz legte eine Gruppe Demonstranten rückwärts zurück, versehen mit Schildern gegen die rückwärtsgewandte Politik der bisherigen Regierung (von der sich die angekündigte Politik der neuen Regierung in diesem Bereich aber wohl kaum unterscheiden wird).

Die letzte Anmerkung trifft auch auf die nukleare Teilhabe zu, die von keiner der drei Ampelparteien real in Frage gestellt wird. Im Rahmen dieser Teilhabe probt die Nato mit den entsprechenden Mitgliedsstaaten jeweils im Oktober den Atomkrieg! Mit Atombombern aus der Türkei, aus Italien, Belgien, den Niederlanden und Deutschland wird das Anbringen der Bomben an den Flugzeugen geübt, das Starten und das Abwerfen, um auch auf den realen Einsatz, den atomaren Massenmord, vorbereitet zu sein. Geübt wird mit Attrappen, anders wäre es wohl mitten im dichtbesiedelten Europa etwas zu riskant.

Gegen dieses Manöver „Steadfast Noon“ fand in diesem Jahr zum ersten Mal in Deutschland eine Protestaktion statt, und zwar am Luftwaffenstandort Nörvenich zwischen Aachen und Köln. Dort befindet sich der Ausweichflughafen für die Atombomber aus Büchel, die Bunker zur Aufnahme der Atombomben sind dort ebenfalls vorhanden. Ab dem kommenden Jahr sollen die Bundeswehr-Tornados für vier Jahre in Nörvenich stationiert werden, da Büchel dann für die Nachfolge-Flugzeuge und neue Atombomben umgebaut wird. 

Mitten in dem kleinen Ort mit ca. 11 000 Einwohner:innen fand die Auftaktkundgebung statt, an der knapp 200 Menschen teilnahmen. Die Veranstalter, Friedensgruppen aus Aachen, Köln, Bonn und Düren sowie der DFG-VK-Landesverband waren in dieser Konstellation das erste Mal zusammen aktiv. 

Vielleicht um allen gerecht zu werden, nahm die Auftaktkundgebung dann auch einen ziemlichen Umfang ein: Fünf Redner:innen waren geladen: Susanne Rössler (evangelische Pfarrerin, Düren/Nörvenich), Angelika Claußen (Präsidentin der IPPNW Europa), Reiner Braun, (Co-Präsident des International Peace Bureau), Ludo De Brabander, (Vrede.be, belgische Friedensbewegung), Hildegard Slabik-Münter (Büchel ist überall! atomwaffenfrei.jetzt) nahmen Stellung zu den verschiedenen Aspekten der Atomwaffenpolitik. Dazwischen gab es Musik von einer Gruppe aus Aachen, zum Schluss bereicherte eine Poetry-Slammerin das Programm. Vor allem Angelika Claußen und Ludo De Brabanter betonten die Notwendigkeit internationaler Zusammenarbeit, um diesem Nato-Manöver auch zukünftig etwas entgegensetzen zu können.

Nur wenige Dutzend Kilometer von Nörvenich entfernt sind auch im belgischen Kleine Brogel und im niederländischen Volkel die B-61-Atombomben stationiert

Nach der Kundgebung setzte sich der Demozug durch das eher verschlafene kleine Örtchen in Bewegung, das sich auf Straßenschildern an mehreren Punkten mit dem Luftwaffenstützpunkt identifiziert. Dieser wurde kurz nach dem Krieg von der britischen Air Force gebaut und schon bald an die neu entstandene Luftwaffe übergeben. Hier war der berüchtigte Starfighter stationiert, mit dem allein an einem Tag 1962 vier Piloten in der Nähe von Nörvenich in den Tod stürzten.

An der Zufahrtstraße zum Stützpunkt machte die Demo Halt. Hier wurde über den Namensgeber des Stützpunktes, den Weltkrieg-1-Jagdflieger Oswald Boelke informiert, der sich durch die Tötung zahlreicher französischer Piloten „auszeichnete“. Symbolisch wurde die Straße nach einem bedeutenden Franzosen, dem Maler Claude Monet umbenannt. Vor dem Tor wurde dann das bekannte Borchert-Gedicht „Dann gibt es nur eins“ vorgetragen, dessen Aufforderung zum Nein-sagen speziell an die Piloten der Atombomber auch auf einem Transparent zu lesen war.

Nach vielen Jahren, in denen Nörvenich von der Friedensbewegung nur noch selten besucht wurde, waren sich die TeilnehmerInnen nun einig, dass sich das wieder ändern muss. Inzwischen gibt es schon Pläne, in Nörvenich im kommenden Jahr einen Ostermarsch abzuhalten. Und beim nächsten Atomkriegsmanöver im Oktober 2022 wird man wieder vor dem Atomkriegs-Stützpunkt protestieren!

Das diesjährige Steadfast-Noon-Manöver startet eine Woche später, am 18. Oktober an einem anderen Stützpunkt der nuklearen Teilhabe, im Ghedi in Italien. Auch deutsche Tornados waren beteiligt. 

Joachim Schramm ist Geschäftsführer des DFG-VK-Landesverbands NRW.

Kategorie: Antimilitarismus Stichworte: 202104, Demonstration, Kampfdrohnen, Steadfast-Noon-Manöver

19. Dezember 2021

Teuer und gefährlich: FCAS

Dieser Beitrag ist erschienen in der
ZivilCourage 3/2021

Antimilitarismus

Informationen zur digital vernetzten Luftkriegsführung der Zukunft

Eine Information der Kampagne „Bundeswehr abschaffen“

Am 23. Juni hat der Haushaltsausschuss des Bundestages 4,6 Milliarden Euro für die Studien und die Erstellung eines Prototyps des Future Combat Air Systems (FCAS) beschlossen. 

Es wird das teuerste Rüstungsprojekt von Staaten der Europäischen Union mit geplanten 100 Milliarden Euro Gesamtkosten.

Was ist FCAS und was gehört dazu?

FCAS ist ein vollkommen neues Kampfflugzeug mit Tarnkappeneigenschaften, neuem Triebwerk, neuer Sensorik und der Möglichkeit, vernetzt mit anderen Systemen zu operieren. Es soll mit einem Drohnenschwarm sowie als System mit anderen Waffensystemen in der Luft, am Boden und auf See sowie im Cyberraum kommunizieren und kooperieren können. Ziel ist ein Gesamtsystem aller Waffensysteme.

Dazu gehören unbemannte Flugobjekte, also Drohnen, die gemeinsam mit dem Kampfflugzeug im Schwarm fliegen können. Sie sollen Fähigkeiten zur Spionage (Aufklärung), elektromagnetischer Störung (Jamming) sowie Täuschung haben. Drohnen sollen bewaffnet werden können für Luft-, Boden- und Seekampf.

Eine sogenannte Combat Cloud soll das System aus Kampfflugzeug und Drohnenschwarm mit anderen Kampfsystemen über eine Datenübertragung in „Echtzeit“ miteinander vernetzen. Dadurch sollen sämtliche Sensoren von Flugzeugen, Schiffen, Landfahrzeugen oder -stationen und Satelliten sowie Waffen dieser Systeme miteinander vernetzt eingesetzt werden. Es geht nicht nur um herkömmliche Waffen, sondern auch um elektromagnetische und den Cyberraum.

Wofür FCAS

Im Luftkrieg sollen bemannte und unbemannte Flugobjekte Daten und Informationen sammeln und untereinander kommunizieren, um die militärischen Absichten des Gegners sicher und schnell zu erkennen. Durch diesen militärischen Vorsprung soll der Gegner ausgeschaltet werden, bevor er reagieren kann. 

Die dabei anfallende Datenmenge sollen in der Combat Cloud verarbeitet werden. Das System besteht aus Großdrohnen, die aus großer Höhe in der Lage sind, das Gesamtgeschehen eines militärischen Kampfgebiets mit Sensorik zu überblicken, Daten und Informationen zu sammeln, zu digitalisieren und allen am Kampfgeschehen Beteiligten zu übermitteln, zusammen mit vielen anderen Waffensystemen. Drohnenschwärme aus kleinen Drohnen sind in der Lage, aus geringer Höhe detaillierte Lagebilder zu erstellen und zu übermitteln. Die Daten und Informationen werden dann als Einsatzbefehl an die Kampfflugzeuge im Kampfgebiet übermittelt, damit diese dann gezielt ihre Bomben und Raketen abwerfen.

Vernetzte Kriegsführung nicht nur in der Luft

In die militärische Vernetzung FCAS sollen perspektivisch auch die neuen Flottendienstboote, das Nachfolgemodell des Panzers Leopard 2, Militärfahrzeuge bis hin zu jedeR SoldatIn eingebunden werden. Die unterschiedlichen militärischen Fähigkeiten einzelner Systeme sollen zu einer Gesamtfähigkeit verschmelzen. 

Das Ziel ist, möglichst alle Daten und Informationen der einzelnen am Kampfgeschehen Beteiligten in Echtzeit zu sammeln, auszuwerten und allen zur Verfügung zu stellen. Damit soll der militärische Gegner frühzeitig erkannt und effizient bekämpft werden, bevor er selbst in der Lage ist zu kämpfen. Für die frühzeitige Erkennung des Gegners, seines Standortes und seiner Kampffähigkeit werden Systeme der signalerfassenden Aufklärung, Systeme, die Informationen und Daten über ein gesamtes Kriegsgebiet sammeln können und Satelliten benötigt, die diese Daten und Informationen in Echtzeit übermitteln können. Je mehr Informationen und Daten über den militärischen Gegner gesammelt werden sollen, desto mehr muss in diesem Bereich aufgerüstet werden.

Verschwendete Steuermittel für Rüstungskonzerne

Beteiligt an FCAS sind die BRD und Frankreich mit dem Konzern Airbus, Frankreich mit dem Konzern Dassault Avion und Spanien mit dem Konzern Indra Sistemas. Airbus hat die Leitung in der Entwicklung des vernetzten Systems für den Luftkrieg. Zusätzliche Partner sind MBDA für Lenkflugkörpersysteme, Thales für Kommunikations-, Informations- und Steuerungssysteme und Safran für Kampfflugzeugtriebwerke. Da die drei beteiligten Staaten sich die Kosten teilen, bedeutet das: Schon der Entwurf des neuen europäischen Kampfjets kostet über 13 Milliarden Euro. Wenn das System FCAS funktionieren soll, müssen alle am System Beteiligten immer auf dem gleichen Ausrüstungsstand sein. Damit ist eine dauerhafte Aufrüstung aller am System beteiligten Teilsysteme verbunden.

Bedenken des Bundesrechnungshofes (BRH)

Der BRH hat den Mitgliedern des Haushaltsausschusses abgeraten, der Vorlage des Bundesministeriums für Verteidigung zuzustimmen. Er kritisiert, dass für das Projekt noch kein Vertragswerk zwischen den beteiligten drei Staaten und den Rüstungskonzernen vorliegt. Die Freigabe der Milliarden soll erfolgen, obwohl das Bundesfinanzministerium einräumt, dass „weder die Konzeptstudie noch die Phase 1A bisher beendet werden konnten und abschließende Ergebnisse insofern nicht vorliegen.“ Es gibt nur eine Absichtserklärung, und dennoch soll Geld bereit gestellt werden. 

Der BRH kritisiert auch, dass die Nutzungsrechte an den Studien, die von den Staaten bezahlt werden sollen, nicht endgültig geklärt sind. Airbus besteht darauf, dass die Studienergebnisse nur mit der Zustimmung der Rüstungskonzerne an die Partnerstaaten weiter gegeben werden. Der BRH kritisiert, dass von 4,6 Milliarden Euro lediglich Studien erstellt und ein Prototyp des Kampfsystems bis 2027 gebaut werden. Es ist nicht planbar, wie teuer das Endprodukt sein wird, das 2040 einsatzbereit sein soll. Er kritisiert auch, dass das Risiko besteht, dass die Drohnen und Kampfflugzeuge keine Zulassung im zivilen Luftraum bekommen. Die Prüfer kritisieren außerdem, dass das Parlament nicht beteiligt wird, etwa bei der Frage, ob die Entwicklung so erfolgreich war, um das Projekt weiter zu verwirklichen. Bei der Entwicklung von FCAS liegen die finanziellen Risiken ausschließlich bei den Steuerzahler*innen der beteiligten Staaten.

Geübt wird schon jetzt in Schleswig-Holstein

Vom Flugplatz Todendorf an der Ostsee übte Airbus bereits 2019 den gemeinsamen Flug von Drohnenschwärmen. Die Erkenntnisse der Übungen über dem Meer sollen in die Entwicklung des FCAS einfließen.

Das „mit anderen Luftstreitkräften vernetzte System“ soll „das gegnerische Luftkriegspotenzial in der Luft und am Boden“ bekämpfen können, hatte ein Bundeswehroffizier im Vorfeld gesagt. Am 24. Juni startete ein Eurofighter im Rahmen einer Luftwaffenübung am Fliegerhorst Jagel. In Todendorf startete gleichzeitig eine unbemannte Drohne. Über der Ostsee übernahm der Eurofighter dann die Lenkung der Drohne. „Wenn das klappt, wäre das ein Riesending“, hatte der Offizier . Bei der Kriegsführung der Zukunft sollen autonom fliegende, eventuell bewaffnete Drohnen mit einer neuen Generation von Kampfjets kontinuierlich kommunizieren. Mit der Übung sollte vor allem die Combat Cloud erprobt werden. Der NDR berichtete auch (https://bit.ly/3EEQE4Y).

Der endgültige Beschluss steht noch aus

Da der Verteidigungshaushalt für das Haushaltsjahr 2022 zum Ende der letzten Legislaturperiode beschlossen wurde, unterliegt er der „Diskontinuität“. Das heißt, die neue Bundesregierung muss einen neuen, zweiten Regierungsentwurf beschließen und in das parlamentarische Gesetzgebungsverfahren einbringen. Der Bundestag wird den Haushalt dadurch voraussichtlich erst bis Mitte 2022 wohl beraten und beschließen können. Wir können deutlich machen, was wir von dieser Verschwendung von Steuermitteln, die nur den Zweck haben, zu zerstören, halten: Nichts!

Kategorie: Antimilitarismus Stichworte: 202104, FCAS

19. Dezember 2021

Von einem Vorurteil zum nächsten

Dieser Beitrag ist erschienen in der
ZivilCourage 3/2021

Friedenskongress

Ergänzende Bemerkungen zu dem IPB-Kongress in Barcelona

Von Guido Grünewald

Vielen Dank an die Amab-Aktivst:innen für ihren Bericht vom Weltfriedenskongress des International Peace Bureau (IPB). Ich konnte diesmal nur digital teilnehmen und freue mich, dass eine Gruppe junger Menschen aus dem Kontext der DFG-VK vor Ort war. Zum ihrem Bericht möchte ich aus meiner Sicht als langjähriger Vertreter der DFG-VK beim IPB einige Anmerkungen machen.

Zu Recht monieren die Verfasser:innen die klimaschädliche Anreise der meisten Teilnehmer:innen vor allem aus Europa. Auch wenn für manche sicher eine Bahnreise aus diversen Gründen nicht möglich war und (längere) internationale Bahnreisen angesichts mangelhafter Zusammenarbeit der nationalen Bahngesellschaften oft schwierig und anstrengend sind (eigene Erfahrung), vor allem wenn keine Zwischenstation wie von der Gruppe in Paris eingeplant ist, die wiederum das Privileg von Zeitverfügbarkeit erfordert: International engagierte Aktive glauben offenbar häufig, ohne sie ginge es nicht und sie müssten bei möglichst vielen Treffen anwesend sein. Dass ihre Reisen Teil des Problems sein können, kommt (zu) vielen nicht in den Sinn.

Zum Begriff Weltkongress

Die Dominanz von Teilnehmer:innen aus westlichen Ländern ist unbestreitbar. Einerseits hatte das IPB sein Zentrum historisch und auch heute noch in Europa, andererseits gibt es nur in wenigen Ländern des globalen Südens Friedensorganisationen mit einem nennenswerten Budget. Für mehr Teilnehmer:innen aus diesen Staaten hätten die Finanzsponsoren des Kongresses deutlich höhere Reisekostenzuschüsse zur Verfügung stellen müssen. Das IPB selbst hat nur einen schmalen Etat und wenige bezahlte Mitarbeiter:innen: eine in Genf, in Barcelona und in Berlin (dort sind nicht nur Deutsche tätig). Vor allem Reiner Braun (6 Jahre Präsident in einer Doppelspitze, seitdem Generalsekretär) bemüht sich, regionale Netzwerke in Asien und Afrika zu initiieren, meiner Beobachtung nach durchaus mit Erfolg.

Dass in Barcelona kein Graswurzelkongress stattfinden würde, war auf Grundlage der Größe und des Programms vorhersehbar. Dafür stehen auch die Finanzsponsoren (Katalonische Behörden, Transform Europe, Brüsseler Büro der Rosa-Luxemburg-Stiftung sowie die beiden internationalen Gewerkschaften ITUC und UNI Global Union),  die vorrangig auf Gremienarbeit orientieren. Im IPB ist (auch historisch) jener Flügel der Friedensbewegung stark repräsentiert, der eine Welt ohne Krieg durch Abrüstungsvereinbarungen und den Ausbau des Völkerrechts erreichen will. Dazu zählen u.a. seit Langem der Einsatz für die vollständige Vernichtung der Atomwaffen wie auch Lobbyarbeit im Rahmen der Vereinten Nationen oder Mitarbeit an alternativen Konzepten von Sicherheitspolitik wie aktuell einer Wiederbelebung des im Palme-Report von 1982 propagierten Konzepts gemeinsamer Sicherheit (Details siehe https://commonsecurity.org). In Barcelona waren im Übrigen auch Basisaktivist:innen anwesend, u.a. zwei Aktivistinnen des Europäischen Büros für Kriegsdienstverweigerung (Ebco). 

Welche Impulse von einem solchen Kongress ausgehen und ob es zu fruchtbaren Vernetzungen kommt, hängt letztlich von den Teilnehmer:innen ab. Im aktuellen „FriedensForum“ (06/2021, S. 43) hat Reiner Braun in einer Vorstellung des Friedensbüros zutreffend geschrieben: „IPB lebt von der Selbstorganisation seiner Mitglieder, sich eigenständig einzubringen.“ Das IPB verfügt nicht über die Ressourcen, um zu Dessau und vergleichbaren Fällen Stellung zu beziehen. Das ist Aufgabe der nationalen (in diesem Fall der deutschen) Mitgliedsorganisationen; das Büro mit seinen wenigen Mitarbeiter:innen ist mit der internationalen Koordinierungsarbeit voll ausgelastet. Der in Barcelona verabschiedete Aktionsplan (https://trello.com/c/YN4gufhy/165-action-plan-ipb-brochurepdf) ist sehr ambitioniert; das IPB muss meiner Ansicht nach achtgeben, sich nicht zu übernehmen.

Gut finde ich, dass die Amab-Aktiven in Barcelona sensibel mit dem Thema Antisemitismus umgegangen sind. Eine direkte Intervention wie am Beispiel des Workshops beschrieben ist bisweilen notwendig. Friedensbewegte sind keine besseren Menschen und tragen wie andere Menschen (oft unbewusst) Feindbilder und Vorurteile mit sich herum. Die Situation auf dem Kongress kann ich mangels persönlicher Anwesenheit nicht beurteilen; in den Gremien des IPB habe ich in den langen Jahren meiner Mitarbeit keinen Israelhass und keinen Antisemitismus angetroffen. 

Schade finde ich, dass die Verfasser:innen bei ihrem neuen Bild von Reiner Braun nur von einem Vorurteil zum nächsten gewechselt sind. Können sie sich tatsächlich nicht vorstellen, dass Menschen komplex und widersprüchlich sein können? Ich stimme mit Reiner Braun keineswegs immer überein und habe bei Ratstreffen auch Kontroversen mit ihm ausgetragen, aber er hat nicht nur in Barcelona von Antirassismus und Feminismus geredet, sondern ist seit Jahren dabei, das IPB für diese Aspekte zu sensibilisieren und zu öffnen. Meiner Kenntnis nach leben sowohl die Autor:innen wie auch Reiner Braun in Berlin: Wäre da nicht ein offenes, auch kontrovers geführtes persönliches Gespräch sinnvoll?

Guido Grünewald ist internationaler Sprecher der DFG-VK.

Kategorie: International Stichworte: 202104, Barcelona, IPB

19. Dezember 2021

Welt oder Westen?

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ZivilCourage 3/2021

Friedenskongress

Fazit des Kongresses in Barcelona aus Sicht einer DFG-VK-Jugenddelegation

Von einigen Aktiven aus der Antimilitaristischen Aktion Berlin (Amab)

Der World Peace Congress, den wir im Rahmen einer Jugenddelegation der DFG-VK und dank der Unterstützung des Alois-Stoff-Bildungswerks des DFG-VK-Landesverbands Nordrhein-Westfalen und vielen Spender*innen besuchen durften, ist vorbei. Und wir sind zurück aus Barcelona. Zeit, zu versuchen, ein Fazit zu ziehen. Oder mehrere.

Besser als befürchtet

Zuallererst: Der Kongress war nicht annähernd so schlimm wie befürchtet. Die von uns im Vorfeld beargwöhnte Veranstaltung mit russischen Putin-Lobbyist*innen hat nicht stattgefunden. (https://bit.ly/3DwvBA8) Auch Oligarchen-Kidz, die ihren Präsidenten für den zweitgrößten Friedensstifter aller Zeiten halten, sind uns nicht häufiger begegnet als daheim an der Uni. Wie unsere Veranstaltungsberichte auf unserem Blog zeigen (https://bit.ly/3rO30UT), waren viele Workshops durchaus interessant und gehaltvoll. Besonders stach das Jugendforum mit offenem Format, erinnerungspolitischer Stadtführung, Storytelling-Workshop und Pizza heraus (detaillierter Bericht vom Jugendforum: https://bit.ly/3ECzSn1).

Diverser als Deutschland

Ob Alter, Geschlecht oder Hautfarbe: Das Publikum des Kongresses war deutlich diverser, als wir das aus der Friedensbewegung in Deutschland gewohnt sind. Das spiegelte sich auch im Veranstaltungsprogramm. Feminismus und Antirassismus wurden in Workshops und auch auf dem Hauptpodium häufig und selbstverständlich thematisiert. Davon kann die DFG-VK noch was lernen. 

World oder Westen? 

Ob der Begriff „World Congress“ angemessen war, bezweifeln wir jedoch. Die meisten Menschen, die wir trafen, waren aus westlichen Ländern. Auch bei den Referent*innen hatten diese ein Übergewicht (wer es nicht glaubt, kann ja das schriftliche Programm auszählen). Und hauptamtliche Mitarbeitende des IPB haben wir vor allem aus Deutschland kennen gelernt (gibts welche in anderen Ländern?). 

Wo waren die Aktivistis? 

Ein deutliches Problem in unseren Augen war das Fehlen von Aktivist*innen. Jetzt werden viele sagen: Wieso? War doch alles voll mit Peace-Activists… Nein, war es nicht. Das Ganze war ein Treffen von NGO-Angestellt*innen und Akademiker*innen, die mit Friedensforschung betraut sind. Das zeigt sich im Workshop-Programm, wo Aktivisti-Wissen kaum vertreten ist. Und dort, wo es hätte stattfinden können, wurde lieber auf NGO-Angestellte zurückgegriffen. 

Fehlende Infrastruktur

Dies zeigt sich auch in der Infrastruktur. Denn die gab es nicht. Außer beim Jugendforum wurde wie selbstverständlich vorausgesetzt, dass man es mit Leuten zu tun hat, für die die Verpflegung in der teuren Innenstadt kein Problem ist. Ähnliches bei der Unterkunft. Für ehrenamtliche Aktivistis, die ihr Klima-Mord-Flugticket für den Konferenz-Tourismus nicht von ihrer Arbeitgeber*in bezahlt bekommen, sind das sehr hohe Hürden. Erst recht, wenn es sich nicht um Mittelstands-Kidz wie uns, sondern um normale Leute aus dem Globalen Süden handelt.

Apropos Fliegen: Außer uns sind vermutlich echt fast alle zum Kongress geflogen. Was ja beachtlich ist, denn ständig quatschten da alle von Klimawandel, und dass der böse sei. Wenn man den Klimamord-Beitrag des Kongresses ansprach, entgegneten die in der Regel von NGOs oder Unis bezahlten Konferenz-Tourist*innen Sätze wie: „Oh, das ist ja schön, dass ihr die Zeit habt, mit dem Zug zu fahren. Wie wunderschön!“ Das ist ein Missverständnis: Wir haben die Zeit nicht, wir nehmen die Zeit von unseren sonstigen Zeitbudgets. Es ist schon ganz schön strange, dass ausgerechnet die Leute, die für Friedensarbeit bezahlt werden, keine Zeit haben, angemessen zu einem Weltfriedens-Kongress anzureisen. 

Expert*innen langweilen

Die Fokussierung auf angebliche Expert*innen spiegelte sich leider auch in vielen Veranstaltungen wider. Statt Begegnung auf Augenhöhe zu ermöglichen, konnte man mittels Zoom Expert*innen dabei zuschauen, wie sie sich gegenseitig zuschwafeln. Besonders enttäuschend war das beim Workshop zu Online-Aktivismus in Corona-Times. Da dass ein neues Thema ist und die politische Arbeit aller betrifft, hätte es sich hier angeboten, die Erfahrungen der Anwesenden fruchtbar zu machen. Stattdessen gab es Zoom-Vorträge von NGO-Mitarbeitenden, deren NGOs es nicht mal hinkriegen, Server mit freier Software zu bezahlen (geschweige denn aufzubauen) und stattdessen trotz all ihrer Spendengelder auch im Jahr zwei der Pandemie ziemlich hilflos kommerzielle Datenkraken füttern.

Antisemitismus kein Thema? 

In unseren Augen besteht beim International Peace Bureau deutlicher Handlungsbedarf beim Thema Antisemitismus. Zwar haben wir nicht, wie von uns befürchtet, krasse Hassveranstaltungen erlebt. Neben der häufigen Thematisierung von Rassismus und Sexismus fällt aber auf, dass auf den ganzen Veranstaltungen des Kongress Antisemitismus einfach kein Thema war. 

Zudem erlebten wir regelmäßig eine fehlenden Sensibilisierung in Bezug auf Antisemitismus. In vielen Veranstaltungen trafen wir Klugscheißer*innen, die anmerken mussten, dass es bei all den Beispielen aus den USA, Deutschland, Frankreich usw. auch wichtig sei, noch mal zu erwähnen, dass ja auch Israel total böse ist. In der Regel widersprachen die Referent*innen den dabei auftretenden typischen Doppelstandards in Bezug auf Israel nicht. Im besten Fall moderierten die Verantwortlichen verlegen ab, meistens ließen sie in Bezug auf Antisemitismus problematische Statements einfach im Raum stehen.

Einen besonders krassen Fall mangelnder Sensibilität bezüglich Antisemitismus und Israelhass erlebte ein Amab-Mitglied im Workshop „Nonviolent Journalism“. Die referierende Person war sich nicht zu blöd, erst einfach so nebenbei völlig ohne Bezug zum Thema rauszuhauen, dass Jeremy Corbyn kein Antisemit sei, sondern dass es sich um eine Kampagne unbekannter mächtiger Kreise handle, was erstens Quatsch und zweitens klassisches Verschwörungsdenken ist. Nach einer Kritik gab die Person zu, sich überhaupt nicht mit den Vorfällen auseinandergesetzt zu haben und trotzdem große Sprüche zu kloppen. Auch bei den anschließenden Täter-Opfer-Umkehr-Sprüchen aus dem Publikum („Antisemitismuskritiker*innen sind die wahren Antisemit*innen“) widersprach die den Workshop leitende Person nicht (De-tailierter Bericht zum Workshop „Nonviolent Journalism“: https://bit.ly/3ECzc0Q). 

Unser neues „Reiner-Bild“

Vom Stopp-Ramstein-Papst und IBP-Geschäftsführer Reiner Braun konnten wir in Barcelona ein neues Bild gewinnen. Im Vorfeld der Reise hatten wir uns intensiv mit seinem Wirken bei „Stopp Ramstein“ auseinander gesetzt und eine lange Kritik daran entwickelt, warum seine rechtsoffenen Posersprüche und seine Einladungen zur solidarischen Debatte mit Holocaust-Relativierer*innen krass uncool sind. (https://bit.ly/3096uWp)

In Barcelona trafen wir einen völlig anderen Reiner. Statt sich Nazis, Faschisten und Coronaleugnern an die Brust zu werfen, redete Reiner ständig von Klima und wie wichtig das ist. Auch adressierte er ständig Antirassismus und Feminismus. Nicht nur das: In einem Workshop pöbelte ein alter weißer Mann rum, dass sich die jungen Leute nur noch für „race and gender“ interessieren würde, aber nicht mehr für „class“. Dabei vergriff er sich leider im Ton, und ausgerechnet Reiner sah sich genötigt, den Herrn zu ermahnen. Bei uns ging da die Frage an, was wohl seine rechtsoffenen Stopp-Ramstein-Kumpelz von so einer Performance halten würden. Wir sehen in Reiner seit Barcelona keinen rechten Populisten mehr, sondern eher einen Opportunisten, der sich einfach allen an den Hals schmeißt, die nicht schnell genug in Deckung gehen.

Black Lives Matters

Eine deutliche Portion Opportunismus steckt in unseren Augen auch in der Preisverleihung an Black Lives Matters. Bitte nicht missverstehen: Das Aufbegehren gegen rassistische Polizeigewalt ist definitiv preiswürdig. Wir vermissen jedoch beim IPB z.B. eine Positionierung zu Dessau oder den viele anderen vergleichbaren Fällen (wer jetzt nicht weiß, was gemeint ist, hat Nachholbedarf und sollte Dessau + Polizeigewalt googlen). Warum vergeben die Leute einen Preis für das Wirken gegen rassistische Polizeigewalt irgendwo weit weg, wenn sie sich noch nie mit rassistischer Polizeigewalt vor ihrer Haustür auseinander gesetzt haben? 

Beim Jugendforum war diese beim Thema Polizeigewalt zutage tretende kulturelle Kluft zwischen erfolgreichen Akademiker*innen und Aktivist*innen spürbar. Auf der in diesem Rahmen stattfindenen Stadtführung machten die jungen Leute aus Barcelona vor einem Polizeirevier halt und wollten über die dort stattgefundene Polizeigewalt und Folter berichten. Aufgrund der großen Gruppe wurden die Wachposten vor dem Gebäude recht schnell aufmerksam, was die Kidz aus Barcelona berechtigterweise verunsicherte. Die anwesenden Young Peace Leaders waren hingegen eher davon verunsichert, dass sie sich mit einer Weltsicht auseinandersetzen mussten, in der Cops keine Freunde und Helfer sind. 

Fazit

Hat sich der Kongress gelohnt? Für uns auf jeden Fall. Wir haben viel erlebt und viel gesehen und viele spannende Leute aus anderen Ländern getroffen, siehe die detaillierten Veranstaltungsberichte auf unserem Blog. Außerdem zeigt der Kongress, dass Bewegungen diverser werden, wenn man im Veranstaltungsprogramm ernsthaft versucht, Diversität abzubilden. 

Ob der Kongress reale Effekte auf den World Peace hat? Für unsere Arbeit leider eher weniger, da die Bewegungs-Straßenköter*innen aus anderen Ländern fehlten. Hoffentlich hat der Kongress wenigstens positive Auswirkungen auf die Karrierewege der anwesenden Hauptamtlichen aus NGOs und Wissenschaft. 

Autor*inneninformationen: Die Antimilitaristische Aktion Berlin (amab) wurde 2018 von jungen Antimilitarist*innen aus Berlin gegründet. Die Gruppe engagiert sich im U35-Netzwerk der DFG-VK und im Landesverband Berlin/Brandenburg. Wir veröffentlichen Texte als Kollektiv, weil wir eine ordentliche Portion Google-Phobie miteinander teilen. Wir haben außerdem keinen Bock, dass einzelne Mitglieder, wie schon geschehen, wegen ihrer Äußerungen im Visier von Polizei oder Geheimdiensten landen. Denn so besonders viel Solidarität bekommt man unserer Erfahrung nach in so einem Fall nicht aus der in weiten Teilen recht bürgerlichen Friedensbewegung. Deswegen gibt es von uns fast nur kollektive Publikationen unterschrieben mit „Einige Aktive aus der amab“. Bitte habt Verständnis dafür.

Kategorie: International Stichworte: 202104, Amab, Barcelona, IPB, Jugenddelegation

19. Dezember 2021

Global betrachtet

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ZivilCourage 3/2021

International

Weniger friedlich als es scheint … – ein Blick zurück auf das Jahr 2021

Von David Scheuing

Trotz  einer  Atempause  in  der Corona-Pandemie hat sich der Sommer pazifistisch und antimilitaristisch relativ aktionsarm – auch international – gestaltet. Dafür gibt es sicherlich mehrere Gründe, nicht zuletzt auch wieder zunehmend repressive Methoden von vielen Regierungen gegenüber sozialen Bewegungen. Es bleibt daher hier Zeit für einen Blick zurück und einen Blick auf Diskussionen, die weniger prominent geführt wurden.

Die Bedeutung zivilen Widerstands

Im Frühjahr putschte das Militär in Myanmar erneut – und traf auf heftigen und organisierten zivilen, gewaltfreien Widerstand der Bevölkerung (siehe ZivilCourage 2/21). Die zehn Jahre einer relativen Offenheit hatten Zeit zur Vernetzung, Organisierung und dem Aufbau eines kreativen Protestrepertoires gegeben. Die Generalstreiks des Civil Disobedience Movement (CDM) hatten sich explizit zum Ziel gesetzt, das Militär von seinen Einnahmequellen abzuschneiden und dabei so wenig zivile Folgen wie möglich zu erzeugen – und all das mit einem zugrundeliegenden gewaltfreien Aktionskonsens. 

Die Boykott-Maßnahmen gegen die Banken des Militärs und andere Aktionen hatten zunächst erstaunlich viel Wirkung. Doch mit dem Ende der kurzen Aufmerksamkeit der globalen Medien und der politischen Öffentlichkeit für die Vorgänge in Myanmar endete auch die Hochzeit des Widerstands. In fast allen gesellschaftlichen Gruppen und Schichten zogen die immer ähnlichen Dilemmata ein: doch mit dem Regime zu kooperieren, um zumindest manche zivilen Freiheiten wieder zu erlangen, die Opposition zu unterstützen mit der Hoffnung auf – auch international unterstützte – Transition oder einen dritten Weg zu gehen.

Eine lesenswerte Analyse über die Situation der Mon People findet sich beim Transnational Institute: https://bit.ly/3CyUyu8. Insgesamt sind zu Myanmar die Ressourcen des TNI sehr lesenswert, aber auch diese kürzlich erschienene Studie zur Bedeutung des zivilen Widerstands während und nach dem Coup auf new mandala (in Zusammenarbeit mit der Australian National University von einem ungenannten Autor erstellt): https://bit.ly/3x0b6Kp

Auch in anderen Kontexten haben sich in den vergangenen zwei Jahren die Notwendigkeit und die Erfolge gewaltfreien Widerstands unter Beweis gestellt – und immer wieder hat sich die Herausforderung der Unterdrückung gestellt (ermöglicht auch durch schwindende internationale Aufmerksamkeit). Das gilt sicherlich für Belarus, aber auch für Westpapua, Kolumbien oder den Sudan. Damit wir uns immer wieder in Erinnerung rufen, was erreicht werden kann, seien hier die Ressourcen des Programms für Gewaltfreiheit der WRI in Erinnerung gerufen: Unter nonviolence.wri-irg.org
stehen viele lesenswerte Analysen zu gewaltfreiem Widerstand und seinen Herausforderungen. Zwei möchte ich konkret hervorheben.

In „Wandel im Sudan: Wie ein Sitzstreik ein Regime herausforderte“ reflektiert ein*e Aktivist*in über die Erfolge der ersten Widerstandsbewegung 2019 – die jetzt nach dem erneuten Coup des Militärs im Oktober wieder präsent nach vorne geholt werden sollten. Seine*ihre Kernerkenntnisse: Im Zusammenspiel der Akteure, die eine gemeinsame Vision für andere Verhältnisse teilen, die kollaborativ zusammen gewaltfreien Widerstand wagen, kann ein Regime in die Knie gehen. Wichtig jedoch: Jede Bewegung hat ihre eigene Ausformung gewaltfreier Aktionen, es braucht den globalen Austausch und das Lernen voneinander über Methoden und Erfolge der Gewaltfreiheit, und doch muss jede Bewegung dann ihre je eigenen Wege gehen dürfen. Immer noch lesenswert: https://bit.ly/3coOUjI

Der zweite Beitrag dreht sich um den Widerstand von Montenegriner*innen gegen die Etablierung einer Militärbasis im Hochland von Sinjajevina – ein Widerstand, von dem viele noch nicht gehört haben werden, der aber für die Möglichkeiten zivilen Widerstands gegen militärische Einrichtungen so wichtig ist wie der Kampf der Bürger*innen in Larzac (Frankreich) oder der Freien Heide in Deutschland. 

Nach dem Nato-Beitritt Montenegros 2017 wurde in Windeseile binnen zwei Jahren die Etablierung einer riesigen Übungsfläche für Nato-Kräfte ohne parlamentarische Beratungen durchgedrückt. Eine schnelle und effektive Vernetzung der Viehhirt*innen auf dem Hochland mit eher urbanen Aktivist*innen half dabei, eine Kampagnengruppe zusammenzustellen, die sich für die Schaffung eines Naturreservates und gegen die Etablierung des Nato-Übungszentrums aussprach. 

Den größten Erfolg feierte die Kampagne im Oktober 2020, als sie geplante Übungen der Nato auf dem Hochplateau abwenden konnte durch ihre physische Präsenz und die Hilfe von abertausenden Bürger*innen, die gar nicht einsahen, dass trotz der Abwahl der Regierung und einer gewählten Regierung, die sich für den Erhalt der Sinjajevina ausgesprochen hatte, diese Nato-Übungen abgehalten werden sollten. Doch auch 2021 ging der Kampf für ein freies Sinjajevina weiter – denn noch immer gibt es kein Schutzgebiet. Hier nachzulesen: https://bit.ly/3HCrA06. Die Kampagne findet sich hier: https://bit.ly/3kPzEks

Kurz notiert:

EU: Die militarisierte Union. Eine neue Publikation des europäischen Netzwerks gegen Rüstungsexporte (ENAAT) zur Aufrüstung und der Verfestigung des Rüstungskomplex der Europäischen Union versucht, den Mangel an guten Publikationen zu schließen, die diese Umstände übersichtlich und verständlich auch für die Bildungsarbeit aufbereiten. Hier: https://bit.ly/3qRa8PC

Nagorno-Karabach: EGMR erkennt Rechte eines Kriegsdienstverweigerers an. Im Falle eines Zeugen Jehovas aus Armenien hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) anerkannt, dass die Verurteilung und Verknastung gegen Artikel 9 der europäischen Menschenrechtscharta verstieß. Der Fall geht schon einige Jahre zurück, ist aber aufgrund der Relevanz für das Gebiet von Nagorno-Karabach interessant. Dem Kläger wurde trotz seines armenischen Passes das Recht auf einen alternativen Dienst verweigert, weil er angeblich Bürger der unabhängigen Teilrepublik Nagorno-Karabach gewesen sei, die Kriegsdienstverweigerung nicht anerkenne. Der Gerichtshof widersprach dieser Argumentation aufgrund der offenkundigen Passfrage, ging aber erneut über diese Feststellung hinaus: Armenien habe aufgrund seiner effektiven Kontrolle über Nagorno-Karabach über den Einzelfall hinaus die Grundfreiheiten der Menschenrechtscharta auch dort sicherzustellen. Zwar ist das im Lichte früherer Entscheidungen des Gerichtshofes nicht überraschend, aber für zukünftige Kriegsdienstverweigerer aus der Region von materieller Bedeutung. (wri-irg.org)

Kolumbien: Kriegsdienstverweigerung für alle ethnischen Gruppen. Der Verfassungsgerichtshof Kolumbiens muss sich aktuell mit einer Klage beschäftigen, die die bisherigen Regeln für die Freistellung vom Militärdienst auf alle ethnischen Gruppen des Staates ausgedehnt sehen will. Derzeit gilt diese Regelung nur für indigene Gruppen Kolumbiens. Auch die Ersatzzahlung, mit der man sich aus dem Militärdienst freikaufen kann, wird durch das Verfahren infrage gestellt. Auch der nationale Ombudsman unterstützt die Klage. (wri-irg.org)

Geschichte der WRI: 100 Jahre auf einem Zeitstrahl. Für alle Freund*innen der Internationalen der Kriegsdienstgegner*innen findet sich jetzt eine schöne Illustration der Geschichte der letzten 100 Jahre auf der Homepage der WRI. Sie reicht von der Gründung des Netzwerks 1921 bis heute und versucht sich an einer ersten Aufarbeitung der wesentlichen Meilensteine. Hier: https://bit.ly/3oAQsN6

David Scheuing ist Vertreter der DFG-VK bei der War Resisters´ International (WRI), dem internationalen Dachverband der DFG-VK mit Sektionen in weltweit 45 Ländern, gewählt. An dieser Stelle berichtet er regelmäßig in der ZivilCourage aus der WRI, um den LeserInnen das globale Engagement von KriegsgegnerInnen sichtbar zu machen. Das sind keine tieferen Analysen, sondern kleine kursorische Überblicke und Nachrichten; es geht dabei nicht um Vollständigkeit, vielmehr um Illustration. Ideen und Vorschläge für kommende Ausgaben sind erwünscht. Der Autor ist per E-Mail erreichbar unter scheuing@dfg-vk.de

Kategorie: International Stichworte: 202104

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„Eine Supermacht Europa verhindern“

17. Januar 2023

Michael Schulze von Glaßer
Titel: Warum Pazifismus wichtiger denn je ist
Erschienen in ZivilCourage 4-22/1-23

ZC-4-22/1-23-Editorial

16. Januar 2023

Stefan Philipp
Editorial zum Heft 3/2022

Zweifel sind keine Schande

16. Januar 2023

Ernst Rattinger
Leitartikel
Erschienen in ZivilCourage 4-22/1-23

Warum Pazifismus wichtiger denn je ist

16. Januar 2023

Michael Schulze von Glaßer
Titel: Warum Pazifismus wichtiger denn je ist
Erschienen in ZivilCourage 4-22/1-23

„Ein Signal mangelnder Zivilcourage“

27. November 2022

Andreas Zumach
„Ein Signal mangelnder Zivilcourage“
Erschienen in ZivilCourage 3/2022

… gefördert von: Bertha-von-Suttner-Stiftung

27. November 2022

Hauke Thoroe
… gefördert von: Bertha-von-Suttner-Stiftung
Erschienen in ZivilCourage 3/2022

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