Dieser Beitrag ist erschienen in der ZivilCourage 4-22/1-23 |
Editorial
Liebe Leserin, lieber Leser,
nach 10 Monaten (damit es ausdrücklich gesagt ist: verbrecherischem Angriffs-)Krieg Russlands gegen die Ukraine gibt es wenig Aussicht auf einen Waffenstillstand, von Frieden gar nicht zu reden. Politisch bewegt sich nichts, nur der Strom an westlichen Waffen in die Ukraine wird immer breiter. Und die materielle und ideologische Aufrüstung hierzulande schreitet voran, kritische und besonnene Stimmen sind in der öffentlichen Diskussion fast keine mehr zu vernehmen.
Mit Folgen auch für Friedensbewegung und die DFG-VK: Wenn selbst hochrangige Verbands-Mitglieder öffentlich erklären, sie „persönlich“ seien für Waffenlieferungen an die Ukraine oder sie hätten „noch keine abschließende Meinung zu dieser Frage“, dann scheint durch den Ukraine-Krieg doch einige Verwirrung entstanden zu sein; auch darüber, welche Bedeutung die pazifistische Grundsatzerklärung hat, in der es heißt, man sei wegen des Verbrechens, das jeder Krieg ist, entschlossen, keine Art von Krieg zu unterstützen.
Ich selbst sehe da wenig Interpretationsspielraum und halte diese Grundsatzerklärung der War Resisters´ International, die weltweit das einigende Band der Kriegs(dienst)gegner*innen – oder besser: der Widerständler*innen gegen Krieg – ist, nicht für eine bloß visionäre Zielbeschreibung, sondern für eine Selbstverpflichtung.
Da besteht also Diskussionsbedarf und Streiten ist angesagt. Aber als gelernter Sozialarbeiter weiß ich: Streiten verbindet. Wenn wir den Rahmen dafür schaffen, dass Streit produktiv wird, dass er von Respekt und Toleranz geprägt ist. Und: Dass Zweifel nicht verboten sind, sondern gerade in der existenziellen Frage von Krieg und Frieden, von Leben und Tod, normal sind und – wie es Ernst Rattinger in seinem Leitartikel ausdrückt – jedenfalls keine Schande.
Aus diesen Gründen halte ich es auch für richtig, dass die unterschiedlichen Meinungen und Positionen in dieser Zeitschrift Raum bekommen. Das führt zu Ärger bei den „Andersmeinenden“ (siehe z.B. die LeserInnenbriefe auf Seite 40). Die ZivilCourage ist kein „pazifistisches Zentralorgan“, sondern das DFG-VK-Magazin für alle ihre Mitglieder. Und diese sind, wie es in unserem Programm heißt, „unterschiedlicher Weltanschauungen und politischer Auffassungen“. Deshalb sollte bei allem Streit und in jeder Diskussion die Überzeugungskraft der Argumente das entscheidende Kriterium sein. … Weihnachten ist ja die Zeit der Wünsche – und ich wünsche mir das für unsere DFG-VK.
P.S. … apropos Weihnachten: das und der Jahreswechsel kommen immer so überraschend, könnte man scherzhaft sagen. Zwar liegt dieses Heft rechtzeitig digital unterm Weihnachtsbaum, gedruckt aber leider nicht. Die Druckerei rechnet fünf Arbeitstage für die Fertigstellung, die Behindertenwerkstatt braucht einige Tage für die Versandvorbereitung und Posteinlieferung, und die Post, na ja, ist halt oft eine Schneckenpost. Eine Umstellung auf den Digitalbezug ist deswegen eine sinnvolle Sache (siehe Seite 37). Und wer will, kann neben dem gedruckten Heft auch das digitale erhalten; bitte per E-Mail an zivilcourage@dfg-vk.de mit dem Betreff ZC digital eine entsprechende Bemerkung machen.