Dieser Beitrag ist erschienen in der ZivilCourage 4/2021 |
Titel
Beispielhafte Beschäftigung
mit kriegsverherrlichenden Denkmalen in NRW
Von Felix Oekentorp
Kalkar steht seit vielen Jahren auf der Agenda der Friedensfreund*innen aus Nordrhein-Westfalen; der AfD-Kandidat bei der Oberbürgermeisterwahl in Hannover im November 2019 war vor seiner Pensionierung Kommandant der Von-Seydlitz-Kaserne der Bundeswehr in Kalkar, in der die Luftkriege geplant und vorbereitet werden.
Hier steht aber seit 1936 auch ein steinerner Klotz, der „Unseren Helden“ gewidmet ist, die im Ersten Weltkrieg gestorben sind. Im Sockel eingemeißelt steht der Satz: „Mögen Jahrtausende vergehen, man wird nie von Heldentum reden können, ohne des deutschen Soldaten im Weltkrieg zu gedenken“. Aber nicht nur dort steht dieser Satz, sondern wortgleich auch in dem berüchtigten Hitler-Buch „Mein Kampf.
Mit diesem steinernen Kriegspropagandaklotz hat Kalkar allerdings kein Alleinstellungsmerkmal, derlei Zeugs steht allüberall in der Gegend herum. Manche unserer ganz besonders deutschen Mitbürger nutzen manche dieser Dinger, um dort an irgendwelchen Jahrestagen zu beklagen, dass Deutschland schon ewig keinen Krieg mehr gewonnen hat.
Wie soll die demokratische Öffentlichkeit mit diesen Dingern umgehen? Wie wird andernorts mit diesen Hinterlassenschaften der finstersten Vergangenheit umgegangen? Dazu einige Beispiele.
In Wattenscheid gibt es in einer Parkanlage seit 1933/34 ein Ehrenmal mit einer Tafel der im Ersten Weltkrieg getöteten Wattenscheider Soldaten, die um die im Zweiten Weltkrieg getöteten – auf der Tafel ist von „Gefallenen“ die Rede – ergänzt wurde.
„Friedenspark Ehrenmal“ in Wattenscheid
Viele Jahre lang ließ die Stadt das Denkmal verfallen, es wurde zusehends baufälliger und als Ziel für Nazi-Aufmärsche unattraktiver. Erst im Jahr 2018 begann man, aktiv an dem Park und dem Denkmal zu arbeiten, ein Friedenspfad wurde angelegt mit Zitaten aus einem Wettbewerb der Bürger*innen, die den Satz „Frieden ist“ ergänzen sollten.
Ein Bürgerantrag zur Umbenennung des Parks in „Hannes Bienert Friedenspark“ war nur teilweise erfolgreich. Der verstorbene und stadtbekannte Antifaschist Hannes Bienert sollte dann doch nicht Namensgeber werden, aber der „Friedenspark Ehrenmal“ fand eine deutliche Mehrheit in der Bezirksvertretung.
Steinerne Kriegspropaganda in Münster
Münster beherbergt eine Unmenge an steinerner Kriegspropaganda, das Stadtarchiv hat dazu eine Broschüre erstellt und unterhält die Webseite www.stadt-muenster.de/kriegerdenkmale/ mit verschiedenen Kapiteln.
Um in dieser Sammlung erwähnt zu werden, muss ein Denkmal oder Mahnmal an gefallene Soldaten oder zivile Opfer von Kriegen, an regime- und kriegsbedingte Terror- und Gewalttaten erinnern. Ebenfalls erfasst werden auf dieser Liste Denkmäler, die als Mahnungen zum friedlichen Zusammenleben aufgefasst werden können.
Allein sieben Denkmäler stammen aus der Zeit vor 1914, zehn erinnern an den Ersten Weltkrieg, 17 an beide Weltkriege, manche davon wurden während der NS-Zeit errichtet, um mit Heldenverehrung einen Beitrag zur Mobilmachung für den nächsten Krieg zu leisten, dessen Opfer dann später auch Platz auf diesen Steinen fanden. Und noch in der Zeit um 1960 wurden drei Ehrenmale errichtet bzw. ini-tiiert von Traditonskameradschaften, die an ihre im Krieg getöteten Kollegen erinnern wollen.
Es gibt aber auch eine größere Zahl von Mahnmalen, bei denen der zivilen Opfer gedacht wird oder die der Kriegspropaganda etwas entgegenstellen.
Eines dieser Mahnmale erinnert seit 2007 an Paul Wulf, geboren 1921 und 1937 von den Nazis zwangssterilisiert. Er war einer von 400 000 Menschen die ohne ihre Einwilligung aus „rassehygienischen“ Gründen unfruchtbar gemacht wurden. Der Verbleib dieser Skulptur die auf dem zentralen Servatiiplatz in Münster steht, ist seit Jahren umkämpft, anders als der der Steinklötze.
Zu diesen zählt das Dreizehner-Denkmal auf der Promenade. Eine sechs Meter hohe Sandsteinpyramide mit verschiedenen Symbolen zu Sieg und Kampf lädt zur Heldenverehrung. Das 1872 errichtete Denkmal zu Ehren eines Infanterieregiments wurde im Ersten Weltkrieg zerstört, aber schon 1923 wurde der Grundstein gelegt für seine Wiedererrichtung. Das geehrte Infanterieregiment war u.a. beteiligt an der Niederschlagung des Boxer-Aufstands in China und des Herero-Aufstands im heutigen Namibia.
Auch für das Westfälische Train-Bataillon Nr. 7 gibt es an zentraler Stelle ein Ehrenmal. Eine Inschrift erwähnt, dass ein dort genannter Soldat „den Heldentod für Kaiser und Reich in Deutsch-Südwestafrika“ gestorben ist. Ein anderer „starb den Heldentod für Kaiser und Reich in China 1901“. Bürgeranträge, zusätzliche Mahntafeln hier und an den anderen „Ehrenmalen“ anzubringen mit dem Hinweis auf den Völkermord der Deutschen an den Herero und Nama wurden im Rat abgelehnt. Die Begründung: Diese Denkmäler seien „selbst historische Zeugnisse aus vergangener Zeit, sie sollen sich unverändert dem Urteil der Geschichte stellen.“
„Heldengedenken“ in Köln-Porz
Die Friedensfahrradtour des DFG-VK-Landesverbands NRW führte im letzten Jahr erneut durch Köln. Ein Zwischenstopp wurde gemacht an einem „Ehrenmal“ in Porz-Zündorf. An diesem 1932 errichteten Schandmal wird den getöteten deutschen Soldaten mit den Worten „Unseren Helden – Die dankbare Gemeinde – Zündorf 2. Oktober 1932“ gedankt, ergänzt wurde die Inschrift um eine weitere Zeile „Zündorf 4. Oktober 1952“. Zu diesem Zeitpunkt war die Direktive des Alliierten Kontrollrats mit Gesetzeskraft noch gültig, in der der Abbau aller kriegsverherrlichenden Denkmäler verfügt war.
Ein Bürgerantrag richtete sich inzwischen gegen dieses Denkmal und forderte dessen Beseitigung. Ein Argument dabei der Artikel 139 Grundgesetz, nach dem die „zur ‚Befreiung des deutschen Volkes vom Nationalsozialismus und Militarismus‘ erlassenen Rechtsvorschriften (…) von den Bestimmungen dieses Grundgesetzes nicht berührt“ werden. Diese Entnazifizierungsvorschrift habe nach wie vor Gültigkeit, und die Verherrlichung staatlicher Gewalt sei nicht vereinbar mit dem Völkerrecht und der Menschenrechts-Charta der Vereinten Nationen. Die Bezirksvertretung Porz „dankt der Petentin für ihre Eingabe, spricht sich jedoch gegen den Abbau des Kriegerdenkmals an der Groov sowie gegen die Errichtung eines Gegendenkmals in räumlicher Nähe aus“, wie es im Protokoll der Bezirksvertretung vom 7. Februar 2017 nachzulesen ist.
Kopfloser Held in Bochum
In Bochum gab und gibt es seit den 1980er Jahren eine recht aktive Szene, die sich mit den in der Öffentlichkeit Kriegspropaganda treibenden Schandmälern auseinandersetzt. So steht ein steinerner Soldat im Stadtteil Langendreer auf einem Privatgrundstück, dabei für die Öffentlichkeit bestens sichtbar mit dem Spruch „Einst kommt der Tag, da alle Welt Euren Ruhm verkünden wird!“ Dieses Kriegerdenkmal war in den 1920er Jahren von rechten Verbänden finanziert und mit Beteiligung von Heimwehren und eines SA-Zugs im Juli 1927 eingeweiht worden.
Da die Kommune ein derart revanchistisches Denkmal nicht fördern wollte, musste es auf einem Privatgrundstück errichtet werden. Dort stand der vermeintliche Held unbeschadet, bis ihm 1987 der Kopf abgetrennt wurde. Viele Jahre lang verbrachte der Soldat kopflos und wurde am 70. Jahrestag der Befreiung sogar zum Ort einer Antikriegskundgebung der Bochumer Naturfreunde. Der Kopf wurde erst 2004 ersetzt. Im November 2010, kurz bevor am Volkstrauertag dort ein Heldengedenken stattfinden konnte, wurde auch dieser Ersatz entfernt.
Zum soldatischen Schicksal gehört es, nicht nur zu töten und zu zerstören, sondern auch, in der lebendigen Realität Körperteile verlieren zu können, auch den Kopf. Eine solche Darstellung der Realität taugt aber wohl nicht für die Heldenverehrung.
Im Stadtpark von Bochum hatte es 1935 die Einweihung eines Denkmals gegeben, das zwei Soldaten aus Bronze zeigte. Fast 50 Jahre standen diese dort und machten Kriegspropaganda. Aus Anlass des 50. Jahrestages der Einweihung sägten Unbekannte diesen beiden Kriegern die Beine durch, so dass sie auf der Nase landeten. Die Stadt Bochum ersparte es ihrer Bevölkerung, diese Figuren dort wieder aufstellen zu lassen, stattdessen wurde eine Tafel angebracht, auf der es heißt „Nie wieder Faschismus und Krieg“. Das Stadtarchiv beherbergt seitdem diese im wahrsten Wortsinn gefallenen Soldaten.
„Nazi-Schwert“ in Gelsenkirchen
In Gelsenkirchen gibt es ein „Nazi-Schwert“, eine Stele aus sechs Granitquadern, jede einen Meter hoch, und an dieser ist ein fünf Meter langes gusseisernes Schwert angebracht. Nicht künstlerisch wertvoll, dafür aber von den Nazis 1937 zu Ehren der „gefallenen Kriegskameraden“ des Schalker Vereins, eines Unternehmens der Eisen- und Stahlindustrie, errichtet.
Dieses Nazidenkmal geriet in die verdiente Vergessenheit, die Natur wucherte auf dem Werksgelände, und so wuchs das sprichwörtliche Gras über die Sache. Bis der Schalker Verein verkauft wurde und der neue Eigentümer das Werksgelände neu gestalten wollte.
Die Gelegenheit, diesen Schrott zur Entsorgung freizugeben, wurde vertan, stattdessen beschloss die Bezirksvertretung dessen Eintrag in die Denkmalliste und verlegte das Schandmal auf einen öffentlichen Weg.
Damit nicht genug: Zum 9. November 2015 sollte es als Ziel eines Schweigemarsches unter Schirmherrschaft des Oberbürgermeisters Frank Baranowski dienen. Heftige öffentliche Auseinandersetzungen konnten gerade noch bewirken, dass am Jahrestag der Pogrome von 1938 dort nicht die Abschluss-, sondern lediglich eine Zwischenkundgebung stattfand. Manche Antifaschist*innen verweigerten aus Protest gegen das Festhalten an dem Kundgebungsort mit dem Nazi-Schwert ihre Teilnahme, und eine nicht bekannte Aktionsgruppe überwand in der Nacht zum 9. November die Absperrung um das Schandmal und nahm dort eine farbliche Veränderung vor. Dieser „Farbanschlag“ ist nach wie vor sichtbar, und die Gedenkmärsche zum 9. November fanden seitdem nicht wieder an diesem Nazi-Schwert statt.
Ist das Kunst oder kann das weg?
In der öffentlichen Debatte über den Umgang mit dem Nazi-Kriegerdenkmal in Kalkar gab es nicht nur zustimmende Reaktionen. Wo ist die Grenze zu ziehen? Dürfen Denkmäler beschädigt oder gar zerstört werden? Wer entscheidet über die Legitimität solcher Aktionen?
Ein Aufschrei ging durch die Welt, als der „Islamische Staat“ die historische Stadt Nimrud im Nordirak zerstörte. Nimrud war vor über 3 000 Jahren gegründet worden und einst Hauptstadt des Assyrischen Reiches. Einigkeit bestand in der Einschätzung, dass durch die Zerstörung der dort noch verbliebenen Kulturgüter – die meisten waren bereits von Archäologen aus der Stadt gebracht worden – ein Schaden angerichtet wurde, der nicht wieder gutzumachen ist.
Auch die Zerstörung der riesigen Buddha-Statuen von Bamiyan aus dem sechsten Jahrhundert durch die Taliban wurde mit weltweitem Entsetzen zur Kenntnis genommen. Es wurde auf die Haager Konvention von 1954 verwiesen, die Kulturstätten bei bewaffneten Konflikten vor Zerstörung schützt.
Möglicherweise mag die eine oder andere Darstellung bei diesen viele Jahrhunderte alten Denkmälern politische oder religiöse Inhalte gehabt haben, die wir aus heutiger Sicht anders bewerten würden. Anders aber als bei den Nazi-Denkmälern gibt es seit Jahrhunderten keine Opfer dieser damaligen Herrschenden, so dass auch für Atheisten oder Andersgläubige derlei Darstellungen hinnehmbar sind. Mönche, die vor Jahrhunderten genug Zeit hatten, Statuen aus Felsen zu hauen, mögen uns vielleicht nicht als Vorbilder gelten, sie haben aber nicht Abermillionen Tote auf dem Gewissen wie dies bei den Nazis der Fall ist. Und sie waren auch nicht bei Völkermorden wie den Kolonialkriegen des vorletzten Jahrhunderts aktiv.
Moderne Kriegspropaganda
Im Gegensatz zu den jahrhundertealten Denkmälern steht die Werbung im öffentlichen Raum mit Plakaten und neuerdings auch Videowänden in Bahnhöfen. Insbesondere die zahlreichen Kampagnen für die Nachwuchsgewinnung der Bundeswehr haben vielerorts zu einer kreativen Verfremdung dieser Plakate angeregt, der Fachbegriff hierzu lautet Adbusting. In der ZivilCourage 2/2020 gab es einen ausführlichen Artikel über die Unterstützung der Adbuster*innen durch den Carl-von-Ossietzky-Fonds der DFG-VK.
Weil es den Akteuren gelungen war, das Militär ins Lächerliche zu ziehen, war sogar der Staatsschutz aktiv geworden und hatte mehrere Hausdurchsuchungen durchgeführt. Immerhin hatte ein Gericht diese als unverhältnismäßig bewertet. So lange die Originalplakate nicht beschädigt oder entfernt werden, liegt nicht einmal eine Straftat vor, auf die sich ein Ermittlungsverfahren begründen ließe.
Natürlich wird auch hier schon kontrovers diskutiert; und auch, wenn keine Straftaten begangen werden, ist doch dem Auftraggeber dieser Werbung jegliches Verfremden der Plakate ein Dorn im Auge.
Ein Dorn im Auge ist natürlich auch den Militarist*innen jegliche Umgestaltung dieser Ehrenmale, wie sie die öffentliche Zurschaustellung ihrer steinernen Heldenverehrungen bezeichnen. Geehrt werden Täter, die in Ausübung ihres Soldatenhandwerks ums Leben gekommen sind. Sie sollen mit diesen steinernen Ungetümen Werbung machen für das Kriegshandwerk.
Manche dieser Militarist*innen sind geradezu unermüdlich in ihrem Eifer. Die oben geschilderten „abgesägten“ Soldaten aus dem Stadtpark Bochum hätten nach dem Willen des CDU-Stadtbezirksvorsitzenden James Wille wieder aufgestellt werden sollen. Allerdings zog er seine 2012 gestellte Anregung in der Bezirksvertretung recht bald zurück angesichts der erkennbaren Aussichtslosigkeit seines Anliegens. Er jammerte: „Auf Beschluss des mehrheitlich von der SPD geführten Rates beugte man sich dem Diktat der Straße, indem die Skulptur nicht mehr aufgestellt wurde.“
Das Bemalen und Verändern hat für manche etwas mit einer abwertenden und vernichtenden Haltung zu tun. Genau so wurde es in der NS-Zeit selbst von den Nazis durchgeführt. In München gab es eine große Veranstaltung „Entartete Kunst“, so ein vorgebrachtes Argument gegen die Aktion in Kalkar.
Sind denn diese Kriegerdenkmäler als Kunst oder als Kultur zu bewerten, ähnlich den jahrhundertealten Buddha-Statuen und im Gegensatz zu den vielen Plakataktionen? Oder sind sie letztlich nichts anderes als in Stein gehauene Propaganda, Pflastersteine auf dem Weg zum nächsten Krieg?
Es wird keine allgemein gültige Definition von Kultur geben, der alle gleichermaßen zustimmen. Manche Skulpturen im öffentlichen Raum gaben und geben noch immer Anlass zu heftigen Kontroversen, in manchen Fällen werden sie als gigantische Verschwendung öffentlicher Gelder gesehen wie Richard Serras Skulptur „Terminal“ in Bochum, manchmal braucht es Zeit, bis sie aus dem Stadtbild nicht mehr wegzudenken sind wie die „Giant Pool Balls“ von Claes Oldenburg in Münster am Aasee, beide aus den 70er Jahren des letzten Jahrhunderts. Auch diese werden ständig farblich verändert, was wohl seitens des Künstlers auch nicht anders geplant war oder doch zumindest billigend in Kauf genommen wurde.
Wenn denn die steinerne Heldenverehrung im öffentlichen Raum nicht als Kunst, sondern als Propaganda zu werten ist, welche Möglichkeiten gibt es, dies nicht unwidersprochen zu lassen?
Wo Recht zu Unrecht wird, wird Widerstand zur Pflicht
Angesichts der aufgeführten Beispiele beantwortet sich die Frage nach den Möglichkeiten, die antimilitaristische Perspektive anders als durch Eigeninitiative zu lösen, so: Bürgeranträge ohne einen zusätzlichen Druck von direkten Aktionen sind nur selten erfolgreich. Die Offiziellen in den Kommunen sitzen das Thema gern aus, lassen Protest verpuffen und hoffen, dass sich der Widerstand schon irgendwann legt. Ziviler Ungehorsam kann diese Prozesse befördern. Regelbrüche möglichst gewaltfrei und mit einer entsprechenden öffentlichen Wahrnehmung sowie mit einer klaren Positionierung der „Täter“, die auch persönliche Konsequenzen für ihr Tun akzeptieren, waren schon immer ein Motor für gesellschaftliche Bewegung und Veränderung.
Das immer wieder praktizierte Eindringen von Friedensaktivist*innen in den Atomwaffenstandort Büchel ist ein Beispiel dafür. Auch dort wird keine Gewalt angewendet, es sei denn, das Durchtrennen des Zauns möchte bereits als Gewalt gegen Sachen gewertet werden.
Mit dem Eindringen in das Atomwaffenlager nehmen die Akteure billigend in Kauf, dass ihnen nach der Festnahme und Personalienfeststellung Strafverfahren drohen. Vielmehr: Gerichtsverhandlungen werden als Möglichkeit angestrebt, die Völkerrechtswidrigkeit der Atomwaffen zu thematisieren. Ohne derartige Aktionen wäre weniger bekannt, dass noch immer auch in Deutschland Atomwaffen gelagert werden und mit diesen der Krieg geprobt und geplant wird.
Eine Malaktion und ihre Folgen
Ähnlich gelagert ist es mit dem Nazi-Kriegsklotz in Kalkar und dessen künstlerischer Bearbeitung durch Wilfried Porwol. Jahrzehntelang steht das Dingen in der Gegend herum, seit Jahren ist bekannt, dass der Spruch auf dem Sockel wortgleich in „Mein Kampf“ vorkommt, und die Stadtoberen lassen den Protest dagegen ins Leere laufen. Erst durch die Malaktion im Sommer 2019 kam Bewegung in die Geschichte, Aussitzen ging nun nicht mehr. Insbesondere als der Stadt nach der unmittelbaren Beseitigung der ersten farblichen Umgestaltung ein von unbekannter Hand ebenso unmittelbar erfolgter Neuauftrag einer farblichen Gestaltung präsentiert wurde. Die Stadt Kalkar sah ein, dass es wahrscheinlich vergebliche Mühe bedeuten würde, auch diesen Farbanstrich zu entfernen, und ließ es monatelang bei dem Zustand.
Und nicht nur das, sogar eine Tafel wurde aufgestellt. Damit sollte der aufmüpfigen antimilitaristischen Opposition aber nun genug entgegengekommen sein. Der Text auf dieser Tafel aber verharmlost dieses Schandmal und dessen Entstehung. Die Gelegenheit, wenn schon nicht den Klotz zu entsorgen, so doch sich kritisch distanziert damit auseinanderzusetzen, war gründlich vertan. Egal, ob Dummheit oder böser Vorsatz, beides ist unverzeihlich.
Die Unzufriedenheit mit dieser Tafel mündete nebst diversen öffentlichen Stellungnahmen in einem von Wilfried Porwol gesprühten Kommentar, einem pinkelnden Hund. Eine Bastelanleitung dieser Schablone findet sich in der Zeitschrift Graswurzelrevolution 454 vom Dezember 2020.
Die Ostermarsch-Bewegung demonstriert alljährlich in Kalkar und hat am 3. Oktober 2020 die Gelegenheit genutzt, mit einer Sprühaktion auf dem Marktplatz ein weithin sichtbares Zeichen der Solidarität zu setzen. Besprüht wurde allerdings nicht der hässliche steinerne Klotz, sondern ein Styropormodell davon, so dass die Polizei keinen Anlass sah, dagegen einzuschreiten.
Im Dezember fand ein erster Strafprozess statt gegen Wilfried Porwol (siehe nächste Seite). Dieser war begleitet von Solidaritätsaktivitäten. Eine Mahnwache trotzte dem schlechten Wetter am Zugang zum Gerichtsgebäude, die Staatsanwaltschaft trug derweil drinnen ihre Argumente für eine Bestrafung vor. Ihrer Ansicht nach handelte es sich um gemeinschädliche Sachbeschädigung, diese ist noch böser als einfache Sachbeschädigung, und so setzte es 30 Tagessätze zu je 30 Euro. Diese Strafe betrifft nur die erste der Malaktionen vom Juli 2019. Weitere Kriminalisierungsverhandlungen werden folgen, ebenso steht der Kostenbescheid für die Entfernung der Farbe noch aus.
So ist es jetzt an der Zeit, nicht nur symbolisch Solidarität zu zeigen, sondern auch ganz konkrete finanzielle. Der Carl-von-Ossietzky-Fonds der DFG-VK leistet Unterstützung hier, das kann er nur mit unseren Spenden auf das Konto IBAN DE47 3702 0500 0008 1046 06
Inzwischen gibt es auch in Kalkar einen Bürgerantrag gegen den Kriegsklotz, und eine ortsansässige Band hat einen Solisong aufgenommen mit dem Titel „Drecksnest Kalkar“.
In dem Bürgerantrag wird gefordert, das Kriegerdenkmal zu entfernen und zu ersetzen durch eine Erinnerungsstätte für die Opfer des Holocausts und des NS-Regimes.
Felix Oekentorp ist Landessprecher der DFG-VK NRW. Er lebt in Bochum und ist im Münsterland aufgewachsen, das erklärt die Fokussierung auf dortige Beispiele von Denkmälern im Artikel.