Verfassungsbeschwerde gegen Hausdurchsuchungen wegen Adbusting
Von Amab Anonymus
Ausgabe 5/2020
Das Landeskriminalamt (LKA) Berlin verzweifelt dermaßen an überklebten Werbeplakaten, dass es Pazifist*innen und Antimilitarist*innen mit Hausdurchsuchungen zu Leibe rückt. Die Begründung: Adbusting – also die Verfremdung, Umgestaltung z.B. von Reklameplakaten für die Bundeswehr – mache die Bundeswehr „gar lächerlich.“
Dagegen klagt nun die Aktivist*in Frida Henkel* vor dem Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe. Dabei unterstützt sie der Strafrechts-Professor Mohamad El-Ghazi und der Staats- und Verfassungsrechts-Professor. Andreas Fischer-Lescano. „Die Polizei macht sich selbst lächerlich, wenn sie wegen veränderter Poster Hausdurchsuchungen macht“, sagt Frida. „Dazu braucht sie das Adbusting überhaupt nicht.“
Die Aktivistin wurde im Mai 2019 zusammen mit einer anderen Person beim Aufhängen eines korrigierten Bundeswehrplakats von einer Zivilstreife beobachtet. Die nahm die Personalien der zwei Aktivist*innen auf und beschlagnahmte das Plakat. Den scheinheiligen Satz „Geht Dienst an der Waffe auch ohne Waffe?“ verbesserten die beiden zu „Kein Dienst an der Waffe geht ohne Waffe!“
Im September 2019 folgten Hausdurchsuchungen in drei Wohnungen im Umfeld der Betroffenen. Dagegen legt Frida Henkel nun Beschwerde beim Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe ein. „Etwas Papier, Kleister und die Aussage Kein Dienst an der Waffe geht ohne Waffe reichen für Polizei und Landgericht also aus, um derart massiv in unsere Privatleben einzudringen“, meint sie. „Dass das passiert ist, kann ich mir nur damit erklären, dass wir inhaltlich Kritik geübt haben.“
Auch Andreas Fischer-Lescano, Professor für Öffentliches Recht, Europa- und Völkerrecht, Rechtstheorie und Rechtspolitik an der Universität Bremen, kritisiert: „Das Vorgehen gegen spezifische Meinungsinhalte wird von Artikel 5 des Grundgesetzes grundsätzlich untersagt. Es wird Zeit, dass die deutschen Sicherheitsbehörden diesen Grundsatz auch dann beherzigen, wenn es um Adbusting geht, das sich kritisch mit ihren Praxen und Imagekampagnen auseinandersetzt.“ Eindeutig sei, dass Hausdurchsuchungen unverhältnismäßig sind.
Mohamad El-Ghazi, Professor für Strafrecht und Strafprozessrecht an der Uni Trier, ist ähnlicher Meinung: „Wir sprechen hier, wenn überhaupt, über einfachen Diebstahl beziehungsweise über Sachbeschädigung. Bei Adbusting geht es maximal um Bagatellkriminalität. Ich glaube, es ist relativ eindeutig, dass hier Hausdurchsuchungsmaßnahmen, also Eingriffe in die Wohnung, unverhältnismäßig sind.“
Die harte Verfolgung von Adbustings ist kein Einzelfall: Im Gemeinsamen Extremismus- und Terrorabwehrzentrum von Bund und Ländern (GETZ) war Adbusting 2018/19 gleich viermal Thema. Das GETZ wurde 2012 zur Bekämpfung von Rechtsterrorismus nach dem Auffliegen des „Nationalsozialistischen Untergrundes“ gegründet. Im Jahr 2019 stand Adbusting im Verfassungsschutzbericht. Das Bundesamt für Verfassungsschutz nannte Adbusting-Aktionen, die Polizei und Militär kritisieren, in einem Atemzug mit Angriffen auf Beamte. Auch der Militärische Abschirmdienst (MAD) sammelt Informationen zu linken Adbustings, weil es seine Aufgabe sei, „die Sicherheit der Liegenschaften der Bundeswehr und ihrer Verbündeten zu gewährleisten.“ Die DFG-VK kritisierte dies in einer Pressemitteilung.
Die Polizeien von Berlin, Bayern und Thüringen ließen gefundene Poster auf Fingerabdrücke und DNA-Spuren untersuchen. Dies ist nur bei „erheblichen“ Straftaten erlaubt. Die Verfahren zu Adbusting mit Werbevitrinen endeten bisher mit Einstellungen wegen Geringfügigkeit. Der erste und bis jetzt größte Fall vor Gericht im Oktober 2019 wurde eingestellt. Die Staatsanwaltschaften von Berlin, Erfurt und Hamburg stellten Verfahren wegen Adbusting ein, weil sie keine Strafbarkeit erkennen konnten.
Kritik aus der Politik. Ulla Jelpke, Bundestagsbgeordnete der Linken, unterstützt das Anliegen: „Ich kann mich des Eindrucks nicht erwehren, dass die Sicherheitsbehörden womöglich deswegen gleich Gewalt und Extremismus rufen, weil die Plakatkünstler mit ihrer Kritik an Gewalt durch Polizei und Militär durchaus ins Schwarze getroffen haben. Getroffene Hunde bellen.“ Auch Anne Helm von der Linksfraktion im Berliner Abgeordnetenhaus sagt: „Adbusting ist kein Terrorismus.“
Frida Henkel hatte bereits eine Beschwerde gegen die Durchsuchung beim Landgericht eingereicht. Diese wurde abgelehnt. Frida dazu: „Sogar das Landgericht muss anerkennen, dass Adbusting keine Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder sonst irgendwen bedeutet und in diesem Sinne eine ‚unerhebliche Straftat‘ sei.“
Doch weil LKA und Staatsanwaltschaft keinen ausreichenden Tatverdacht hatten, sagt das Landgericht, sie hätten durchsuchen müssen, um zu schauen, ob sie nicht doch einen Tatverdacht hätten finden können. Deshalb sei der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit vorliegend „noch“ gewahrt gewesen. „Wer das jetzt gaga findet, hat es begriffen“, erläutert Frida.
Wann mit einer Entscheidung in Karlsruhe zu rechnen ist, das ist unklar. Das Bundesverfassungsgericht nimmt nur sehr wenige Beschwerden überhaupt zur Entscheidung an. Und die Bearbeitung kann Monate, mitunter Jahre dauern.
„Wenn unser Anlagen in unserem Sinne entschieden wird und das LKA eins auf den Deckel kriegt, knallen bei uns natürlich die Sektkorken. Aber auch so dürften die vielen Medienanfragen und die Kritik aus der Politik beim LKA dafür sorgen, dass die sich das mit den Hausdurchsuchungen beim nächsten Mal zweimal überlegen.“
Der ungenannte Autor ist der Redaktion bekannt. Er ist aktiv bei der Antimilitaristischen Aktion Berlin in der DFG-VK (Amab).
Der Carl-von-Ossietzky-Solidaritätsfonds der DFG-VK unterstützte Frida Henkel im Jahr 2019 beim Aufbringen der Anwalts- und Verfahrenskosten. Spenden für den CvO-Solifonds bitte an: IBAN DE47 3702 0500 0008 1046 06 bei der Bank für Sozialwirtschaft.
* Frida Henkel heißt nicht Frida Henkel. Die Jura-Studentin will Rechtsanwältin werden, aber ihren richtigen Namen nicht auf „ewig“, weil das Internet ja nichts vergisst, mit Adbusting verbunden wissen.