Dieser Beitrag ist erschienen in der ZivilCourage 4/2021 |
DFG-VK-Info
Das Konzept für die Lobbyarbeit des DFG-VK-Bundesverbands
Von Elvin Çetin
Oft haben wir von der DFG-VK mit unseren Forderungen große Teile der Bevölkerung hinter uns. Dennoch lässt die Bundesregierung unentwegt aufrüsten, um beispielsweise auch in Zukunft die technischen Anforderungen der sog. nuklearen Teilhabe zu erfüllen. Die Arbeit unseres Verbandes konzentriert sich bisher vor allem auf die Straße und erreicht damit in erster Linie die Bevölkerung. Defizite hat unser Verband jedoch in der „Bearbeitung“ wichtiger politischer Entscheider:innen, die unsere Aktionen leider nur selten wahrnehmen.
Wie vom Bundesausschuss beschlossen, wurde im Rahmen der neuen Lobbying-Stelle ein Konzept für die zukünftige Lobbying-Arbeit der DFG-VK vorgelegt. Es wurde mit einigen Aktiven des Verbandes – vor allem den Kampagnenverantwortlichen – abgestimmt. Anschließend hatten auch die Bundesausschuss-Mitglieder die Möglichkeiten, Änderungen einzubringen. Bei der virtuellen BA-Sitzung im Juni wurde das Konzept beschlossen.
Zu Recht wird Lobbying oftmals aus verschiedenen Gründen kritisiert. Das Lobbyieren von Parteien und Abgeordneten gehört aber zu den Werkzeugen friedensbewegten Handelns – neben der Mobilisierung von Basisaktivismus, der medialen Einflussnahme auf Narrative, dem Aufbauen und Pflegen von Netzwerken und dem Wählen von linken friedensbewegten Parteipolitiker:innen. Wir sollten den Rüstungslobbyist:innen und Militärs nicht die Parlamente überlassen, sondern auch hier gegenhalten und uns auf diesem Parkett verstärkt für Frieden einsetzen.
Eine große Stärke unseres Verbandes ist die bundesweit aufgestellte Struktur mit Ortsgruppen und Landesverbänden, um vor allem auf kommunaler und regionaler Ebene für Aktionen zu mobilisieren und auch um Verbindungen zu u.a. Stadträten und Landesparlamenten aufzubauen. Die Koordinierung von friedensbezogenen Bemühungen zusammen mit anderen Gruppen und Partner:innen ist ein wichtiger Baustein für die Friedensbewegung. Dementsprechend ist die DFG-VK Teil von Bündnissen und Netzwerken, um gemeinsame Ziele zu erreichen und gemeinsame Interessen voranzutreiben. Auch dies ist eine wichtige Ressource für (gemeinsame) Lobbyingaktivität und bietet eine hilfreiche Struktur für den Erfahrungs- und Wissensaustausch. Um unsere Ziele zu erreichen, Aufmerksamkeit für bestimmte politische Zusammenhänge und Probleme zu erregen und Alternativen dazu anzubieten, haben wir zu den unterschiedlichen politischen Themen Aktionen und Kampagnen. Im Lobbying-Konzept liegt der Hauptfokus auf den größten Kampagnen und Themenfeldern:
Engagement gegen Atomwaffen
In Büchel sind nach wie vor etwa 20 US-Atombomben gelagert. Zusätzlich plant die Bundesregierung die Anschaffung von neuen nuklearwaffenfähigen „F-18“-Kampfflugzeugen und bezieht sich in der Debatte um ein Atomwaffenverbot in erster Linie auf die „nukleare Teilhabe“.
Die Ziele der Kampagne Büchel ist überall – atomwaffenfrei.jetzt sind eine umfassende nukleare Abrüstung und die internationale Ächtung/Abrüstung aller Atomwaffen sowie der Beitritt Deutschlands zum Atomwaffenverbotsvertrag.
Stopp der Rüstungsporte
Ein weiteres Hauptthema ist der Export von Rüstungsgütern. Deutschland ist weltweit einer der größten Rüstungsexporteure, bei Großwaffen auf Platz vier, bei Kleinwaffen auf Platz 2 im Ranking. Zudem wurden bundesdeutsche Großwaffentransfers in den vergangenen fünf Jahren um mehr als 20 Prozent gesteigert. Die bestehende widersprüchliche Gesetzeslage mit dem Außenwirtschafts- und dem Kriegswaffenkontrollgesetz zum Export von Rüstungsgütern und Kriegswaffen ist unternehmensfreundlich und wird exportfördernd ausgelegt.
Die Kampagne Aktion Aufschrei – Stoppt den Waffenhandel! setzt sich für ein Exportverbot von Waffen und sonstigen Rüstungsgütern ein. Ein aktueller Vorschlag von Greenpeace für einen Gesetzentwurf setzt diese Forderungen weitgehend um und sollte nach der Bundestagswahl im Mittelpunkt von Verhandlungen über einen Koalitionsvertrag stehen. Entsprechend werden die voraussichtlichen Vertreter:innen von Grünen und SPD in diesen Verhandlungen identifiziert, um direkt nach der Bundestagswahl Termine mit ihnen durchzuführen.
Killerroboter verhindern
Beim Thema autonome Drohnen arbeitet die Bundesregierung aktuell nicht auf ein verbindliches nationales oder internationales Verbot autonomer Waffensysteme hin. In ihren Koalitionsverträgen haben die drei Regierungsparteien CDU, CSU und SPD 2013 und 2018 aber vereinbart, autonome Waffen ächten zu wollen. Bundesaußenminister Heiko Maas spricht sich immer wieder für Deutschlands Einsatz zur Ächtung solcher Waffen aus. Bisher gibt es aber keine Anstrengungen seitens der Bundesregierung, nationale Gesetze zum Verbot von vollautonomen Waffen auf den Weg zu bringen oder ein Moratorium über deren Entwicklung und Beschaffung zu verabschieden.
Ziel der Kampagne gegen Killerroboter sind ein präventives Verbot für die Entwicklung, die Produktion, den Handel und die Nutzung von autonomen Waffensystemen, ein klares Bekenntnis der amtierenden Bundesregierung zur im Koalitionsvertrag zugesagten globalen Ächtung autonomer Waffensysteme und eine verbindlichere Formulierung im neuen Koalitionsvertrag sowie ein völkerrechtliches Verbot auf VN-Ebene im Rahmen der VN-Waffenkonvention.
Hier gilt es, die meinungsführenden Bundestagsabgeordneten von CDU, CSU und SPD in Bezug auf das Koalitionsversprechen, autonome Waffensysteme ächten zu wollen, zu lobbyieren. Weitere wichtige Akteur:innen sind das Auswärtige Amt sowie Investor:innen, um sicherzustellen, dass keine Projekte bzw. Unternehmen finanziert werden, die mit der Entwicklung oder der Produktion von Waffen mit autonomen Fähigkeiten in Verbindung stehen.
Ab 2029 will die Luftwaffe über die Eurodrohne (voraussichtlich von Airbus Defence & Space als Generalunternehmer) verfügen, die aufklären, abhören oder angreifen kann. Der Bundestag hat am 14. April für die Entwicklung und Anschaffung gestimmt. Die Bundesregierung spricht sich mehrheitlich für eine Bewaffnung/Munitionierung der Eurodrohne aus.
Die Bewaffnung der bereits geleasten israelischen „Heron“-Drohnen fand im Dezember 2020 nicht die Unterstützung der SPD. Dies war ein enormer Erfolg der Friedensbewegung, welcher insbesondere auch der Initiative und dem Einsatz von DFG-VK-Mitgliedern und der Drohnen-Kampagne zu verdanken ist.
Im März 2021 wurde mit dem Ziel, die Bewaffnung von Drohnen aus politischer, rechtlicher und ethischer Perspektive zu erörtern, eine SPD-Projektgruppe gegründet. Dies ist eine wichtige Anlaufstelle für Gespräche, da die Kommission bis Ende des Jahres ihre Empfehlungen vorlegen soll.
In Bezug auf die Themen Drohnen und autonome Waffensysteme ist insbesondere das „Future Combat Air System“ (FCAS) von großer Bedeutung. Das FCAS ist ein Milliarden Euro teures deutsch-französisch-spanisches Großprojekt für den Nachfolger u.a. des Eurofighters – es soll bemannte und unbemannte Luftfahrzeuge beinhalten und auch nuklearwaffenfähig sein. Ziel ist es, gegen die Realisierung des FCAS aktiv zu werden und eine breite Ablehnung in der Bevölkerung zu erzeugen.
Hierzu muss das Thema aber erstmal mehr in den Fokus der Öffentlichkeit rücken. Die Informationsstelle
Militarisierung lieferte bereits erste Recherchen und Analysen. Außerdem gibt es erste Kooperations-Bemühungen von Friedensgruppen mit dem Ziel, sich um Aktionen und Lobbying zu kümmern. Konkrete Zielgruppen des Lobbyings wären die Grünen, CDU, SPD und eventuell auch zivile Unternehmen, die dem Projekt zuliefern.
Militarisierung der Jugend beenden
Aktuell können Jugendliche in Deutschland schon nach Beendigung der Mindestschulzeit und mit einem Mindestalter von nur 17 Jahren eine militärische Ausbildung bei der Bundeswehr beginnen.
Ziele der Unter18Nie!-Kampagne und der Bemühungen gegen Bundeswehr-Werbung sind die Anhebung des Rekrutierungsalters für den Militärdienst auf 18 Jahre sowie das Verbot jeglicher Bundeswehrwerbung (zunächst die auf Minderjährige abzielende).
Derzeit vertritt die SPD die Position, dass es keine Ausbildung an der Waffe für Minderjährige geben soll. Jedoch sollen minderjährige Bewerber:innen bis zum Erreichen der Volljährigkeit ein ziviles Beschäftigungsverhältnis bei der Bundeswehr eingehen können. Die Grünen sind für „unter 18 nie“, es ist aber fraglich, ob sie es wirklich umsetzen, wenn sie an der Regierung sind – auch dann müsste also weiter Druck gemacht werden.
Kampf gegen Windmühlen?
Beim Einsatz für eine Welt ohne Krieg und Unterdrückung entsteht manchmal der Eindruck, einen Kampf gegen Windmühlen zu führen. Gleichzeitig ist es wichtig, sich vor Augen zu halten, dass es viele verschiedene Wege gibt, unsere Sichtweisen in den politischen Prozess einzubringen. Meinungsführende Personen in Politik und Öffentlichkeit von den eigenen Grundsätzen und Ansichten zu überzeugen, ist einer von vielen Wegen; der Aufbau von Beziehungen zu ihnen ist wichtig.
Darüber hinaus gibt es viele Akteur:innen, die aktiv sind – man ist eines von vielen Rädern im System und kann lediglich versuchen, dieses Rad in die richtige Richtung zu drehen und fortwährend dabei zu lernen, welche Hebel etwas bewegen – und welche nicht.
Elvin Çetin ist Referentin für Lobbyarbeit des DFG-VK-Bundesverbands.