Von Otfried Nassauer
Ausgabe 5/2020
Die Maschinenpistole MP5 von Heckler & Koch ist seit Jahrzehnten ein Bestseller. Zu ihrer Verbreitung hat die staatliche türkische Waffenschmiede MKEK in Kirikkale bei Ankara einen erheblichen Beitrag geleistet. Seit 1983 hält sie eine Lizenz, um diverse Versionen der MP5 auch ohne Zulieferungen aus Deutschland produzieren zu können, darunter Standardversionen wie die MP5A3, aber auch die bei Spezialkräften und Geheimdiensten besonders beliebte Kurzausführung MP5K.
Bis 2014 war MKEK der einzige Hersteller von Maschinenpistolen in der Türkei. Erst dann kam ein weiteres Produkt auf den Markt, für das aber bisher kein Export gesichert dokumentiert ist. Deshalb ist davon auszugehen, dass (fast) alle der mindestens 20 702 Maschinenpistolen, die in den Jahren 2006 bis 2019 in 43 Länder exportiert wurden, MP5 aus der MKEK-Lizenzproduktion waren. Die Zahlen stammen aus den nur unvollständig abgegebenen offiziellen Jahresmeldungen der Türkei an das UN-Waffenregister (Unroca) für diesen Zeitraum. Dort sind 21 Empfängerländer für die MP5 explizit genannt und weitere 22 gelistet, die mit Maschinenpistolen nicht genau bezeichneten Typs aus der Türkei beliefert wurden, bei denen es sich (fast) vollständig ebenfalls um MP5 gehandelt haben muss.
Als die Bundesregierung Heckler & Koch 1983 genehmigte, den Lizenzvertrag mit MKEK abzuschließen, wurde dieser an zwei Bedingungen geknüpft: Die Produktion war nur „für den Eigenbedarf“ zulässig, und MKEK erhielt „keine Exportrechte zugestanden“. Die 2006 bis 2019 an die Vereinten Nationen gemeldeten MP5-Exporte sowie alle, die nicht an die Vereinten Nationen gemeldet wurden oder in den Jahren vor Einrichtung des Melderegisters geliefert wurden, verstoßen gegen diese beiden Lizenzbedingungen. Darunter auch Lieferungen an Länder wie Aserbaidschan, Saudi-Arabien, Georgien, die Demokratische Republik Kongo, Venezuela, Vietnam oder die Ukraine und Belarus.
Die Bundesregierung hat diese Verstöße nie geahndet. Sie hat das Geschehen scheinbar lieber erst gar nicht zur Kenntnis genommen. Im Sommer 2020 antwortete sie auf die Frage, ob MKEK die Sturmgewehre G3 und HK33 oder die Maschinenpistole MP5 noch produziere, lapidar mit dem Satz: „Die Bundesregierung hat keine Kenntnis davon, ob die angegebenen Waffen noch gefertigt werden.“ Beste Voraussetzungen also dafür, dass MKEK auch künftig viele jener Kunden beliefern kann, die Heckler & Koch aufgrund seiner „Grüne Länder Strategie“ heute nicht mehr zu beliefern verspricht.
Otfried Nassauer war der Gründer und Leiter des Berliner Informationszentrum für Transatlantische Sicherheit (BITS). Er starb überraschend am 1. Oktober, ein Nachruf von Jürgen Grässlin findet sich auf Seite 31 in dieser ZivilCourage.