Dieser Beitrag ist erschienen in der ZivilCourage 3/2021 |
Antimilitarismus
Die Möglichkeiten der sozialen Medien bei der Friedensarbeit
Von Robert Hülsbusch
Jetzt geht die Post ab! Ein neues Zeitalter beginnt – auch für die Friedensinitiative Nottuln (FI). Mit größerer Reichweite. Vor 40 Jahren, 1981, gegründet, informierten wir Menschen in Nottuln mit einem unregelmäßig geschriebenen „Rundbrief“. Wirklich – mit Briefpost. Abends in der Alten Amtmannei, wo wir uns jeden Montagabend treffen, wurden die Adressen auf die Briefumschläge handgeschrieben, die Briefmarken aufgeklebt. 80 bis 100 Rundbriefempfänger erreichten wir.
Vor 25 Jahren sind wir ins moderne digitale Zeitalter eingestiegen. Die Infos werden seitdem per „Newsletter“ gemailt. 350 Interessenten haben sich in den Verteiler selbst eingetragen. Ein Klick und schon sind die Infos dort. Weil es so einfach geht, werden deutlich mehr Informationen herausgeschickt. Zu allen Aktionen und Veranstaltungen laden wir ein. Mit guter Resonanz.
Und wieder haben sich die Zeiten geändert. Junge Menschen erreichen wir per Mail nicht. Das ist „old school“. Es gibt ganz andere Medien, schneller, weitreichender, moderner gestaltet, von jungen Menschen konsumiert und bedient – Social Media. Seit einigen Wochen ist die FI Nottuln dabei. Und schon jetzt wird deutlich, welche Möglichkeiten diese (für uns) neuen Medien bieten: Facebook und Instagram.
Jeder zweite Deutsche nutzt Facebook täglich
75 Prozent der Deutschen verwenden täglich „WhatsApp“, 49 Facebook, 34 Youtube und 25 Instagram.
Die Vorteile liegen auf der Hand: Einfache Benutzung, kostenlos, das „Medium von unten“. Bekannte politische Bewegungen wären nicht so groß und erfolgreich geworden ohne diese Medien: der Arabische Frühling, Me too, Trump (☹). Natürlich gibt es starke Argumente gegen die Nutzung dieser Medien – die Abhängigkeit von kapitalistischen Großkonzernen, intransparente Algorithmen, Datenschutzprobleme usw.
Die Möglichkeiten sind dagegen gigantisch. Dass haben wir mit unserem neuen Facebook-Account erfahren: Wir kündigen eine Veranstaltung an. Mittlerweile haben wir 120 Follower/„Freunde“ auf Facebook, die jeweils unsere Einträge sehen können. Die Veranstaltung können wir jedoch recht einfach weit über diese Gefolgschaft hinaus bewerben. Wir sind mehreren Gruppen beigetreten. Diese gibt es in jedem Ort, heißen oft „Du bist Nottulner, wenn…“ „Du bist Dülmener, wenn…“ Allein in der Nottulner Gruppe haben sich über 3 000 User eingetragen. Die Veranstaltung, die wir – ganz einfach – mit Text und Foto auf unserem Facebook-Account als Ankündigung erstellen, verteilen wir in diese Gruppen. So sehen allein mehr als 3 000 weitere Nottulner unseren Veranstaltungshinweis; rechnet man die Gruppen der umliegenden Orte hinzu, kommen wir schnell auf 1 0000 Menschen, die informiert werden. Noch haben die Printmedien größere Auflagen, doch die Zahl der LeserInnen reduziert sich fast täglich. Und junge Leute sind über die Zeitungen kaum noch erreichbar – aber über die sozialen Medien.
Mobil, schnell, emotional: Die jungen Leute nutzen Instagram
Noch interessanter für die jüngere Generation ist der Messenger Instagram. Eine Milliarde Menschen haben weltweit ein Instagram-Konto, 21 Millionen in Deutschland. Vor allem die 25- bis 34-Jährigen nutzen in erster Linie Instagram – eine für die Friedensbewegung sehr interessante Gruppe, die so medial erreichbar wird.
Dabei kommt Instagram dem Medienkonsumverhalten der jüngeren Generation sehr entgegen: Instagram wird in erster Linie über Smartphones genutzt. Bilder und Videos mit kurzen Texten werden transportiert. Kommunikation und Interaktion stehen im Vordergrund.
Das birgt große Möglichkeiten auch für Friedensgruppen: Austausch und Absprachen sind schnell und unkompliziert möglich – ebenso die Gewinnung von SpenderInnen und neuen Mitgliedern. Schnell und einfach lassen sich Veranstaltungen bewerben, aber auch durch gezielte Fotos und kleine Videos das Image der Gruppe verbessern. Eine tolle Möglichkeit sind Livestreams. Eine Veranstaltung, eine Aktion kann jede/r so live über das Internet auf der ganzen Welt verfolgen. Und dann: Die Posts, die Fotos, Videos, Texte, auf Instagram hochgeladen, können mit einem kleinen Klick auch mit dem Facebook-Account automatisch verbunden werden. Besser geht es nicht. Kleine Tools, die kostenlos zum Download im Internet bereitstehen, helfen, Fotos zu bearbeiten, Filme zu schnei-den, Texte zu layouten.
Wichtig ist bei der Flut von Informationen, dass die eigenen Posts richtige Eye-Catcher sind, auch Gefühle transportiert werden.
Ergänzen den mediale Auftritt: Twitter und Youtube
Immerhin 12 Millionen Menschen nutzten in Deutschland 2021 den Messenger Twitter. Dabei wird dieser vor allem von JournalistInnen und PolitikerInnen genutzt, als Fachplattform. Sich hier einzuklinken, erhöht die Chance, von den Medien und der Politik wahrgenommen zu werden. Gleichzeitig besteht die Möglichkeit, sich mit PolitikerInnen regelmäßig auszutauschen, sich mit Ideen, Fragen und Forderungen an die Politik einzubringen: Tweets absetzen und retweeten. Neben kurzen Texten (bis zu 280 Zeichen) ist der Transport von Fotos und Videos möglich. Wie bei Facebook können interessante Posts geteilt werden.
Youtube, ein Kanal mit großer Reichweite – auch für Dokumentationen. Bedingt durch das kleine Virus Corona wurden die großen Möglichkeiten von Videokonferenzen und virtuellen Vorträgen entdeckt. Eine große Bereicherung und eine Vergrößerung des Aktionsradius, hinter der es auch ohne Pandemie sicher kein Zurück mehr geben wird. Besonders gut: Vorträge können aufgezeichnet und auf Youtube hochgeladen werden. So bleiben sie erhalten und können auch nachträglich von einer großen Adressatengruppe angeschaut werden.
Eine Umfrage 2017 zur Nutzung von Youtube stellt die großen Möglichkeiten dieses Kanals heraus: Danach nutzten in der Altersgruppe 14 bis 19 Jahre 100 Prozent der Befragten Youtube, in der Altersgruppe 20 bis 29 96 Prozent und selbst in der Altersgruppe 60 Jahre und darüber noch 68 Prozent. Zu beachten ist, dass das Drehen und Schneiden von Videos durchaus kompliziert ist und gelernt werden muss. Wie bei allen Veröffentlichungen ist auf Qualität zu achten. Wie bei den anderen Messenger gibt es auch für Youtube einen sehr effektiven Support.
Und es gibt Michael Schulze von Glaßer, den politischen Geschäftsführer der DFG-VK. Wer eine Einführung in Social Media wünscht, wer Unterstützung braucht, Tipps und Hinweise, der ist bei Michi genau richtig. Nun bot er zum ersten Mal einen dreiteiligen Social-Media-Workshop an – in Pandemiezeiten natürlich per Videokonferenz. Zehn TeilnehmerInnen aus der ganzen Bundesrepublik nahmen daran teil, vollkommene Anfänger, aber auch Leute, die schon Erfahrungen hatten. Und es gab viel zu lernen und zu üben. Besonders attraktiv darüber hinaus: Das Angebot von Michi, Einzeltermine mit ihm zu machen.
Dieses Angebot nutzte nach der Teilnahme am Workshop die FI Nottuln sehr intensiv. Zusammen mit ihm erstellte die FI Facebook- und Instagram-Seiten, richtete diese ein und postete die ersten Beiträge. Und das mit Erfolg. Auf Facebook folgen nun schon 120 Leute der Friedensinitiative Nottuln, auf Instagram über 70 – Tendenz steigend. Und immer wieder mit Resonanz. Noch gehen die Rückmeldungen nicht durch die Decke. Aber auch hier ist die Tendenz steigend. Wir werden wahrgenommen. Von Menschen, die uns inhaltlich nahestehen, aber auch von Organisationen, die erst mal nicht zu unseren Unterstützern gehören. So von der CDU Nottuln. Als wir einen Spruch von Wolfgang Borchert auf einem Banner ans Rathaus hefteten, folgte die Reaktion der Christdemokraten: „Gefällt uns!“
Und wir nehmen wahr. Die Vernetzung mit so vielen Friedensgruppen in der Bundesrepublik schreitet voran. Unglaublich, was da an allen möglichen Orten passiert. Das hätten wir uns so nicht vorstellen können. Deutlich wird durch das Nutzen der Sozialen Medien: Wir sind nicht allein, sondern Teil eines deutschen und internationalen Netzwerkes. Ideen werden ausgetauscht, Informationen über eine Flut von Veranstaltungen und Aktionen, FriedensaktivistInnen lernen sich kennen und schätzen, vereinbaren Kooperationen, sprechen gemeinsame Termine und Veranstaltungen ab. Das Ziel: Die Friedensarbeit voranbringen! Bedenken und Vorsicht sind bezüglich der Nutzung der neuen Sozialen Medien angebracht. Diese zu nutzen, darauf können und sollten wir nicht verzichten. Was für eine Zukunft! Vor Jahren noch nicht vorstellbar. Die Post geht ab.
Robert Hülsbusch ist seit Jahrzehnten aktiv in der Friedensinitiative Nottuln, eine Gemeinde mit annähernd 20.000 EinwohnerInnen im Landkreis Coesfeld in NRW. Er ist DFG-VK-Mitglied und war vor einigen Jahren eine Amtsperiode Mitglied im DFG-VK-BundessprecherInnenkreis.
In der ZivilCourage 2/2021 (Seite 12 f.) hat Robert Hülsbusch unter der Überschrift „Befragung eines Kriegsdienstverweigerers“ beschrieben, wie die Auseinandersetzung um Bundeswehr und Kriegsdienstverweigerung sein Leben „reich“ gemacht haben.