Dieser Beitrag ist erschienen in der Ausgabe 2/2021.
Editorial
Liebe Leserin, lieber Leser,
liegt es an Einschränkungen der Pandemie und den Ausgangsverboten, dass viele zwangsweise mehr Zeit haben – und die ZivilCourageintensiver lesen und dann einen LeserInnenbrief schreiben? Das wäre dann ein positiver Nebeneffekt von Corona. Denn so viele Zuschriften wie dieses Mal gab es noch nie.
Um die Mühe des Schreibens wertzuschätzen, sind alle Zuschriften am Ende des Hefts veröffentlicht, weitgehend ungekürzt auf acht Seiten. Der Clou, übrigens: Ein „Leserbrief“ kam als handgeschriebene Postkarte – ein sehr seltenes Ereignis in Zeiten fast ausschließlich elektronischer Kommunikation. Dabei vorbildlich: Als kurze und auf den Punkt gebrachte Meinungsäußerung eigentlich ausreichend. Jemand schlug sogar schon – allerdings eher scherzhaft – vor, in Zukunft Zuschriften überhaupt nur noch als Postkarte entgegenzunehmen. Wer sich ausführlich mit einem zuvor erschienenen Beitrag auseinandersetzen will, Begründungen zerpflücken, die eigene Argumentation entwickeln – gerne, aber dann bitte nach Absprache mit einem eigenen Artikel.
Auslöser für die Mehrheit der LeserInnenbriefe war übrigens der im letzten Heft erschienene Beitrag, der sich kritisch mit dem Martin Niemöller, dem früheren zunächst Präsidenten und dann Ehrenpräsidenten der DFG-VK, auseinandergesetzt hatte. Durch die nun entstandene Diskussion sehe ich mich bestärkt darin, dass es richtig war, den kritischen Niemöller-Beitrag zu veröffentlichen. Ich halte es für eine Stärke unseres Verbandes, streit- und diskussionsfähig zu sein. Das ist zwar sicher noch an manchen Stellen ausbaufähig. Aber unsere friedenspolitischen Strategien und Taktiken werden im Ergebnis dann sicher besser sein, wenn sie breit und auch streitig diskutiert wurden.
Anlass für innerverbandlichen Streit könnten zwei Artikel in diesem Heft bieten: Detlef Mielke kritisiert in seinem Artikel die von ihm konstatierte zunehmende „Verhauptamtlichung“ der DFG-VK. Wohin sich unser Verband entwickelt, das ist schon eine sehr grundsätzliche Frage, die eine gründliche Diskussion wert ist.
Da gehts ums Geld – und auch dabei: Im Blick auf den für Ende Oktober geplanten Bundeskongress plädieren in einem gemeinsamen Artikel der Bundeskassierer und der politische Geschäftsführer für einen Beschluss zur Erhöhung der Mitgliedsbeiträge.
Ein Thema, das eigentlich weitgehend erledigt erschien, ist überraschend wieder eines geworden: die Kriegsdienstverweigerung. Vor einiger Zeit hatten wir ein Interview mit Hannah Brinkmann veröffentlicht, deren Onkel Hermann sich 1974 das Leben genommen hatte, nachdem er nicht als KDVer staatlich anerkannt worden war. Darüber hatte sie das illustrierte Buch „Gegen mein Gewissen“ veröffentlicht. In der letzten Ausgabe hatte Werner Glenewinkel darauf mit einem Brief an Hannah Brinkmann reagiert und u.a. geschrieben: Der Ablehnungsbescheid gegen Hermann Brinkmann „versetzt mich fast automatisch in meine eigene KDV-Geschichte“. So ähnlich scheint es vielen zu gehen. Das ist in einer Organisation, in der wohl über die Hälfte im Zusammenhang mit der eigenen KDV Mitglied geworden ist, kein Zufall. Für den Austausch darüber wollen wir Räume schaffen. Hier in der ZivilCourage, bei einer Online-Veranstaltung am 16, Mai (siehe Seite 16) und mit dem Hinweis auf das von unserem Mitglied Michael Schmid angestoßene Projekt: „Kriegsdienstverweigerer. Unsere Geschichten“ (www.kriegsdienstverweigerer-geschichten.de)
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