![]() | Dieser Beitrag ist erschienen in der ZivilCourage 4/2021 |
DFG-VK-Info
Die Kolumne von Michael Schulze von Glaßer

Soll die Bundeswehr weiter im Ausland eingesetzt werden?“ – das war die Frage einer Diskussionsrunde des ZDF, zu der ich vor einigen Wochen eingeladen war. Daran nahm auch ein ehemaliger Soldat der Bundeswehr teil – sieben Mal war er in Afghanistan und hat dabei auch viel Schreckliches erlebt. Wir diskutierten vor den Kameras, aber auch nach dem Dreh. Auch wenn er Militäreinsätze zu „humanitären Zwecken“ nicht grundsätzlich ablehnte, war er sehr kritisch gegenüber den vergangenen und aktuellen Auslandseinsätzen der Bundeswehr bzw. der Außen- und Sicherheitspolitik der deutschen Regierungen der letzten Jahrzehnte. Auch deutsche Waffenexporte sah er kritisch und lehnte Atomwaffen – auch die in Büchel gelagerten US-Atomwaffen – ab. Sollten wir in Zukunft also intensiver mit kritischen ehemaligen (oder sogar noch im Dienst stehenden) Soldat*innen zusammenarbeiten?
Mit der kritischen Soldatenvereinigung „Darmstädter Signal“ gab es in den letzten Jahrzehnten immer wieder Kontakt und vereinzelte gemeinsame Auftritte und Zusammenarbeit. (Ehemalige) Soldaten findet man aber selbst in unseren eigenen Reihen. In der Geschichte unseres Verbands spielen ehemalige Soldaten – soweit mir bekannt waren es bislang nur Männer – eine große Rolle: Als ehemaliger Generalmajor der Reichswehr war Paul von Schoenaich von 1929 bis 1933 und von 1946 bis 1951 Präsident der DFG, Martin Niemöller, der ab 1957 Präsident der DFG war, diente im Ersten Weltkrieg als Marineoffizier. Und auch heute haben wir – etwa mit unserem Bundessprecher Jürgen Grässlin – ehemalige Soldaten in unseren Reihen. Die Zahl der Veteran*innen der Bundeswehr ist sehr groß. Rund 160 000 deutsche Soldat*innen sollen von 2001 bis 2021 in Afghanistan gewesen sein. Steht davon auch nur ein Bruchteil der aktuellen Außen- und Sicherheitspolitik in unserem Sinne kritisch gegenüber, könnten sie wichtige Mitstreiter*innen für uns sein. Wir sollten die Veteran*innen nicht der Regierung überlassen. Viel mehr könnten wir kritische Soldat*innen dazu ermutigen, sich öffentlich zu äußern – eventuell auch, indem wir sie bei unseren politischen Aktionen und in unsere Kampagnen einbinden. Soldat*innen finden in der Öffentlichkeit oft viel Gehör – das zeigte sich zuletzt sehr deutlich beim Ende des Afghanistan-Einsatzes, wo Veteran*innen omnipräsent waren (während wir – wie so oft – marginalisiert und ignoriert wurden…). Die Soldat*innen können sehr authentisch berichten, und Journalist*innen scheinen ihnen oft viel Fachwissen beizumessen. Zudem irritieren Bilder von Soldat*innen, die sich kritisch zu Militärthemen in der Öffentlichkeit äußern: Noch heute ist das Bild der Bundeswehr-Soldaten in Uniform beim Protest gegen den so genannten Nato-Doppelbeschluss am 22. Oktober 1983 im Bonner Hofgarten eines der ersten, die man von dem Protest findet. Ist also mit Soldat*innen politisch in unserem Sinne viel zu gewinnen?
Das ist einer der in unserem Verband zu diskutierenden Fragen. Denn natürlich sind (Ex-)Soldat*innen erst einmal Menschen, für die es in Ordnung ist, andere Menschen zu töten – sie sind sogar darin ausgebildet. Und einige unter den vielen Veteran*innen würden uns Pazifist*innen und Antimilitarist*innen lieber tot sehen, als auch nur mit uns zu reden. Aber mit vielen (Ex-)Soldat*innen – wie etwa mit dem, der mit mir in der ZDF-Diskussionssendung „13 Fragen“ war – gibt es auch politische Schnittmengen, und es könnte sich lohnen, diese gemeinsam zu bearbeiten, um politisch etwas zu bewegen. Aber das ist eine offene Diskussion, die ich gerne führen und eure Meinungen hören würde: Sollen wir mit ehemaligen – oder sogar kritischen aktiven – Bundeswehr-Soldat*innen zusammenarbeiten? Ich bin gespannt und freue mich, dazu von euch zu hören!Neben dieser strategischen Diskussions-Frage war in den letzten Monaten wieder viel los: Wir haben die Koalitionsverhandlungen von SPD, Grünen und FDP mit zahlreichen Aktionen vor Ort in Berlin begleitet, um sie auf unsere Forderungen aufmerksam zu machen (Videos einiger dieser Aktionen gibt es auf unserem You-Tube-Kanal: www.youtube.com/dfgvk). Da der Bundesausschuss eine Verschiebung des Bundeskongresses beschlossen hat, galt es, schnell eine neue, geeignete Location zu finden. Und da sind die Planungen für den DFG-VK-Bundeshaushalt 2022: Eigentlich sollte der Bundeskongress im Oktober eine – wie auch immer ausfallende – Erhöhung der Mitgliedsbeiträge beschließen (siehe dazu den entsprechenden Artikel in ZivilCourage 2/2021). Da dies nicht geschah, ist unser finanzieller Spielraum für das kommende Jahr sehr eng: Wir haben viele Pläne und Ideen, die Welt friedlicher zu machen – doch politische Arbeit kostet nun mal Geld. Ich würde mich daher sehr freuen und wäre sehr dankbar, wenn ihr den aktuellen Spendenaufruf beachten würdet, der kürzlich per Brief bei euch eingegangen sein sollte.
In dieser Kolumne berichtet Michael Schulze von Glaßer, politischer Geschäftsführer der DFG-VK, regelmäßig, was in der DFG-VK-Geschäftsführung gearbeitet wird, welche Themen im Fokus sind, welche Materialien erstellt werden etc.
Kontakt: svg@dfg-vk.de