Dieser Beitrag ist erschienen in der ZivilCourage 2/2021 |
DFG-VK-Info
Die Kolumne von Michael Schulze von Glaßer
Dankeschön! In meiner letzten Kolumne hatte ich gefragt, ob die DFG-VK nicht auch neben der politischen Arbeit direkter gegen Krieg und seine Auswirkungen aktiv werden sollte. Ich hatte diese Frage anhand des aufkommenden Problems der durchrostenden Weltkriegs-Munition, die Nord- und Ostsee zu verseuchen drohen, gestellt – und mich haben dazu mehrere E-Mails und Kommentare erreicht.
Einige berichteten von eigenen lokalen Erfahrungen mit Weltkriegsbomben, die in ihrer Region geräumt werden mussten, und dabei in der öffentlichen Berichterstattung nie der Zusammenhang zum „Krieg“ als Ursprung dieser noch immer gegebenen Gefahr – und Umweltkontamination – benannt wurde: „Ja, das sind unsere Baustellen – an der Ostsee und überall dort, wo Bomben entschärft werden müssen“, schrieb mir eine Aktive vom Niederrhein. Auch jemand aus Frankfurt am Main machte den Vorschlag, das Thema mit der aktuellen Aufrüstung des Militärs zu verbinden: „Ich denke, da liegt ein wirklich weites und sehr sinnvolles konkretes Arbeitsfeld vor uns.“ Die Aktive machte aber auch darauf aufmerksam, dass es natürlich nicht einfach ist, Munitionsaltlasten zu räumen. Das betonte auch ein aktives Mitglied aus der Oberpfalz: „Die Konversion eines Truppenübungsplatzes bedarf der ganz konkreten Verwaltungs- und Planungsarbeit von hunderten Bürokraten und Ingenieuren.“ Im März kam die „Munition im Meer“ auch bei einem Seminar von „CampaPeace“, der von der DFG-VK geförderten Ausbildung von Campaigner*innen, mehrfach zur Sprache: Das Thema würde sich gut für eine Kampagne anbieten – es öffnet sich dazu gerade ein „window of opportunity“.
Im April lief ein Forschungsschiff aus, um das Wrack des Kriegsschiffs „SMS Mainz“ vor Helgoland auf Munitionsreste zu untersuchen – Medien berichteten ^darüber. Und im Entwurf des Wahlprogramms der Grünen findet sich das Thema auch wieder. Die „Munition im Meer“ kommt auf die politische Tagesordnung. Die Mitteilungen, die mich erreicht haben, bestärken mich darin, dass die DFG-VK dieses Thema angehen sollte. Wie sehr – ob wirklich bis hin zur (zumindest Unterstützung der) Räumung –, sollte aber nochmal in einem größeren Kreis diskutiert werden. Zumindest sollte sich unser Verband aber schon einmal zu dem Thema äußern und öffentlich Stellung beziehen!
Problematische Pandemiebekämpfung durchs Militär
Aktuell beschäftigt die Menschen aber natürlich vor allem die Pandemie. Dazu möchte ich dieses Erlebnis teilen: Im März habe ich meine in einem Altenheim in Kassel lebende ehemalige Nachbarin besucht. Zuvor musste ich einen Schnelltest machen. Der wurde von Soldaten durchgeführt. Das gefiel mir nicht – aber eine andere Option gab es in dem Moment leider nicht. Ich nutzte die Gelegenheit, ein paar Fragen zu stellen. Einer der Soldaten erzählte, er und sein Kamerad würden seit Wochen in einem winzigen Raum hocken und Menschen testen – es sei aber das Sinnvollste, das er in seinen vielen Jahren bei der Bundeswehr je gemacht habe.
Ich hatte schon häufiger gelesen, dass Soldat*innen ihren Einsatz in der Pandemie im Gegensatz zu ihrem normalen Dienst als sehr sinnvoll empfinden. Es aber nochmal direkt zu hören war spannend! Der Soldat erklärte, dass er zur Bundeswehr gegangen sei, um Menschen zu helfen – dieser Einsatz wäre der erste, der das erfülle. Da hat er sich wohl den falschen Arbeitgeber ausgesucht. Mein Erlebnis muss aber auch in seinem politischen Zusammenhängen gesehen werden.
Mit allen Kräften gegen die für nicht wenige Menschen lebensbedrohliche Pandemie anzukämpfen, ist notwendig, aber die Bundeswehr nutzt ihren Einsatz zu Werbezwecken und um Inlandseinsätze zu normalisieren. Dabei ist klar, dass die Kosten für den Corona-Einsatz im Rahmen der Amtshilfe der Bund übernimmt – damit bietet es sich für viele Institutionen an, noch mehr an Soldat*innen anzufordern. Dabei gehört der Inlandseinsatz gegen die Pandemie gar nicht zu den originären Aufgaben der Armee.
Doch während Gesundheitseinrichtungen kaputtgespart wurden, bekam die Bundeswehr zuletzt immer mehr Geld: Der Militäretat ist in den letzten zehn Jahren um fast 50 Prozent gewachsen! Mit 46,9 Milliarden Euro ist der für 2021 beschlossene Verteidigungsetat der größte jemals in der Geschichte der Bundesrepublik – und das trotz der hohen Ausgaben zur Kompensation der aktuellen Krise. Dagegen müssen wir laut werden und (gerade im Jahr der Bundestagswahl) fordern: „Aus der Covid-19-Pandemie lernen: Geld für die Gesundheitsversorgung und den zivilen Katastrophenschutz statt für das Militär!“
Macht dazu – unter Beachtung der Hygienemaßnahmen – Aktionen und sprecht alle Leute darauf an, die ihr kennt. Materialien dazu – Flyer, Transparente und Aufkleber – haben wir mittlerweile in unserem Webshop www.shop.dfg-vk.de. Wir brauchen Abrüstung statt Aufrüstung!