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IPB

19. Dezember 2021

Von einem Vorurteil zum nächsten

Dieser Beitrag ist erschienen in der
ZivilCourage 3/2021

Friedenskongress

Ergänzende Bemerkungen zu dem IPB-Kongress in Barcelona

Von Guido Grünewald

Vielen Dank an die Amab-Aktivst:innen für ihren Bericht vom Weltfriedenskongress des International Peace Bureau (IPB). Ich konnte diesmal nur digital teilnehmen und freue mich, dass eine Gruppe junger Menschen aus dem Kontext der DFG-VK vor Ort war. Zum ihrem Bericht möchte ich aus meiner Sicht als langjähriger Vertreter der DFG-VK beim IPB einige Anmerkungen machen.

Zu Recht monieren die Verfasser:innen die klimaschädliche Anreise der meisten Teilnehmer:innen vor allem aus Europa. Auch wenn für manche sicher eine Bahnreise aus diversen Gründen nicht möglich war und (längere) internationale Bahnreisen angesichts mangelhafter Zusammenarbeit der nationalen Bahngesellschaften oft schwierig und anstrengend sind (eigene Erfahrung), vor allem wenn keine Zwischenstation wie von der Gruppe in Paris eingeplant ist, die wiederum das Privileg von Zeitverfügbarkeit erfordert: International engagierte Aktive glauben offenbar häufig, ohne sie ginge es nicht und sie müssten bei möglichst vielen Treffen anwesend sein. Dass ihre Reisen Teil des Problems sein können, kommt (zu) vielen nicht in den Sinn.

Zum Begriff Weltkongress

Die Dominanz von Teilnehmer:innen aus westlichen Ländern ist unbestreitbar. Einerseits hatte das IPB sein Zentrum historisch und auch heute noch in Europa, andererseits gibt es nur in wenigen Ländern des globalen Südens Friedensorganisationen mit einem nennenswerten Budget. Für mehr Teilnehmer:innen aus diesen Staaten hätten die Finanzsponsoren des Kongresses deutlich höhere Reisekostenzuschüsse zur Verfügung stellen müssen. Das IPB selbst hat nur einen schmalen Etat und wenige bezahlte Mitarbeiter:innen: eine in Genf, in Barcelona und in Berlin (dort sind nicht nur Deutsche tätig). Vor allem Reiner Braun (6 Jahre Präsident in einer Doppelspitze, seitdem Generalsekretär) bemüht sich, regionale Netzwerke in Asien und Afrika zu initiieren, meiner Beobachtung nach durchaus mit Erfolg.

Dass in Barcelona kein Graswurzelkongress stattfinden würde, war auf Grundlage der Größe und des Programms vorhersehbar. Dafür stehen auch die Finanzsponsoren (Katalonische Behörden, Transform Europe, Brüsseler Büro der Rosa-Luxemburg-Stiftung sowie die beiden internationalen Gewerkschaften ITUC und UNI Global Union),  die vorrangig auf Gremienarbeit orientieren. Im IPB ist (auch historisch) jener Flügel der Friedensbewegung stark repräsentiert, der eine Welt ohne Krieg durch Abrüstungsvereinbarungen und den Ausbau des Völkerrechts erreichen will. Dazu zählen u.a. seit Langem der Einsatz für die vollständige Vernichtung der Atomwaffen wie auch Lobbyarbeit im Rahmen der Vereinten Nationen oder Mitarbeit an alternativen Konzepten von Sicherheitspolitik wie aktuell einer Wiederbelebung des im Palme-Report von 1982 propagierten Konzepts gemeinsamer Sicherheit (Details siehe https://commonsecurity.org). In Barcelona waren im Übrigen auch Basisaktivist:innen anwesend, u.a. zwei Aktivistinnen des Europäischen Büros für Kriegsdienstverweigerung (Ebco). 

Welche Impulse von einem solchen Kongress ausgehen und ob es zu fruchtbaren Vernetzungen kommt, hängt letztlich von den Teilnehmer:innen ab. Im aktuellen „FriedensForum“ (06/2021, S. 43) hat Reiner Braun in einer Vorstellung des Friedensbüros zutreffend geschrieben: „IPB lebt von der Selbstorganisation seiner Mitglieder, sich eigenständig einzubringen.“ Das IPB verfügt nicht über die Ressourcen, um zu Dessau und vergleichbaren Fällen Stellung zu beziehen. Das ist Aufgabe der nationalen (in diesem Fall der deutschen) Mitgliedsorganisationen; das Büro mit seinen wenigen Mitarbeiter:innen ist mit der internationalen Koordinierungsarbeit voll ausgelastet. Der in Barcelona verabschiedete Aktionsplan (https://trello.com/c/YN4gufhy/165-action-plan-ipb-brochurepdf) ist sehr ambitioniert; das IPB muss meiner Ansicht nach achtgeben, sich nicht zu übernehmen.

Gut finde ich, dass die Amab-Aktiven in Barcelona sensibel mit dem Thema Antisemitismus umgegangen sind. Eine direkte Intervention wie am Beispiel des Workshops beschrieben ist bisweilen notwendig. Friedensbewegte sind keine besseren Menschen und tragen wie andere Menschen (oft unbewusst) Feindbilder und Vorurteile mit sich herum. Die Situation auf dem Kongress kann ich mangels persönlicher Anwesenheit nicht beurteilen; in den Gremien des IPB habe ich in den langen Jahren meiner Mitarbeit keinen Israelhass und keinen Antisemitismus angetroffen. 

Schade finde ich, dass die Verfasser:innen bei ihrem neuen Bild von Reiner Braun nur von einem Vorurteil zum nächsten gewechselt sind. Können sie sich tatsächlich nicht vorstellen, dass Menschen komplex und widersprüchlich sein können? Ich stimme mit Reiner Braun keineswegs immer überein und habe bei Ratstreffen auch Kontroversen mit ihm ausgetragen, aber er hat nicht nur in Barcelona von Antirassismus und Feminismus geredet, sondern ist seit Jahren dabei, das IPB für diese Aspekte zu sensibilisieren und zu öffnen. Meiner Kenntnis nach leben sowohl die Autor:innen wie auch Reiner Braun in Berlin: Wäre da nicht ein offenes, auch kontrovers geführtes persönliches Gespräch sinnvoll?

Guido Grünewald ist internationaler Sprecher der DFG-VK.

Kategorie: International Stichworte: 202104, Barcelona, IPB

19. Dezember 2021

Welt oder Westen?

Dieser Beitrag ist erschienen in der
ZivilCourage 3/2021

Friedenskongress

Fazit des Kongresses in Barcelona aus Sicht einer DFG-VK-Jugenddelegation

Von einigen Aktiven aus der Antimilitaristischen Aktion Berlin (Amab)

Der World Peace Congress, den wir im Rahmen einer Jugenddelegation der DFG-VK und dank der Unterstützung des Alois-Stoff-Bildungswerks des DFG-VK-Landesverbands Nordrhein-Westfalen und vielen Spender*innen besuchen durften, ist vorbei. Und wir sind zurück aus Barcelona. Zeit, zu versuchen, ein Fazit zu ziehen. Oder mehrere.

Besser als befürchtet

Zuallererst: Der Kongress war nicht annähernd so schlimm wie befürchtet. Die von uns im Vorfeld beargwöhnte Veranstaltung mit russischen Putin-Lobbyist*innen hat nicht stattgefunden. (https://bit.ly/3DwvBA8) Auch Oligarchen-Kidz, die ihren Präsidenten für den zweitgrößten Friedensstifter aller Zeiten halten, sind uns nicht häufiger begegnet als daheim an der Uni. Wie unsere Veranstaltungsberichte auf unserem Blog zeigen (https://bit.ly/3rO30UT), waren viele Workshops durchaus interessant und gehaltvoll. Besonders stach das Jugendforum mit offenem Format, erinnerungspolitischer Stadtführung, Storytelling-Workshop und Pizza heraus (detaillierter Bericht vom Jugendforum: https://bit.ly/3ECzSn1).

Diverser als Deutschland

Ob Alter, Geschlecht oder Hautfarbe: Das Publikum des Kongresses war deutlich diverser, als wir das aus der Friedensbewegung in Deutschland gewohnt sind. Das spiegelte sich auch im Veranstaltungsprogramm. Feminismus und Antirassismus wurden in Workshops und auch auf dem Hauptpodium häufig und selbstverständlich thematisiert. Davon kann die DFG-VK noch was lernen. 

World oder Westen? 

Ob der Begriff „World Congress“ angemessen war, bezweifeln wir jedoch. Die meisten Menschen, die wir trafen, waren aus westlichen Ländern. Auch bei den Referent*innen hatten diese ein Übergewicht (wer es nicht glaubt, kann ja das schriftliche Programm auszählen). Und hauptamtliche Mitarbeitende des IPB haben wir vor allem aus Deutschland kennen gelernt (gibts welche in anderen Ländern?). 

Wo waren die Aktivistis? 

Ein deutliches Problem in unseren Augen war das Fehlen von Aktivist*innen. Jetzt werden viele sagen: Wieso? War doch alles voll mit Peace-Activists… Nein, war es nicht. Das Ganze war ein Treffen von NGO-Angestellt*innen und Akademiker*innen, die mit Friedensforschung betraut sind. Das zeigt sich im Workshop-Programm, wo Aktivisti-Wissen kaum vertreten ist. Und dort, wo es hätte stattfinden können, wurde lieber auf NGO-Angestellte zurückgegriffen. 

Fehlende Infrastruktur

Dies zeigt sich auch in der Infrastruktur. Denn die gab es nicht. Außer beim Jugendforum wurde wie selbstverständlich vorausgesetzt, dass man es mit Leuten zu tun hat, für die die Verpflegung in der teuren Innenstadt kein Problem ist. Ähnliches bei der Unterkunft. Für ehrenamtliche Aktivistis, die ihr Klima-Mord-Flugticket für den Konferenz-Tourismus nicht von ihrer Arbeitgeber*in bezahlt bekommen, sind das sehr hohe Hürden. Erst recht, wenn es sich nicht um Mittelstands-Kidz wie uns, sondern um normale Leute aus dem Globalen Süden handelt.

Apropos Fliegen: Außer uns sind vermutlich echt fast alle zum Kongress geflogen. Was ja beachtlich ist, denn ständig quatschten da alle von Klimawandel, und dass der böse sei. Wenn man den Klimamord-Beitrag des Kongresses ansprach, entgegneten die in der Regel von NGOs oder Unis bezahlten Konferenz-Tourist*innen Sätze wie: „Oh, das ist ja schön, dass ihr die Zeit habt, mit dem Zug zu fahren. Wie wunderschön!“ Das ist ein Missverständnis: Wir haben die Zeit nicht, wir nehmen die Zeit von unseren sonstigen Zeitbudgets. Es ist schon ganz schön strange, dass ausgerechnet die Leute, die für Friedensarbeit bezahlt werden, keine Zeit haben, angemessen zu einem Weltfriedens-Kongress anzureisen. 

Expert*innen langweilen

Die Fokussierung auf angebliche Expert*innen spiegelte sich leider auch in vielen Veranstaltungen wider. Statt Begegnung auf Augenhöhe zu ermöglichen, konnte man mittels Zoom Expert*innen dabei zuschauen, wie sie sich gegenseitig zuschwafeln. Besonders enttäuschend war das beim Workshop zu Online-Aktivismus in Corona-Times. Da dass ein neues Thema ist und die politische Arbeit aller betrifft, hätte es sich hier angeboten, die Erfahrungen der Anwesenden fruchtbar zu machen. Stattdessen gab es Zoom-Vorträge von NGO-Mitarbeitenden, deren NGOs es nicht mal hinkriegen, Server mit freier Software zu bezahlen (geschweige denn aufzubauen) und stattdessen trotz all ihrer Spendengelder auch im Jahr zwei der Pandemie ziemlich hilflos kommerzielle Datenkraken füttern.

Antisemitismus kein Thema? 

In unseren Augen besteht beim International Peace Bureau deutlicher Handlungsbedarf beim Thema Antisemitismus. Zwar haben wir nicht, wie von uns befürchtet, krasse Hassveranstaltungen erlebt. Neben der häufigen Thematisierung von Rassismus und Sexismus fällt aber auf, dass auf den ganzen Veranstaltungen des Kongress Antisemitismus einfach kein Thema war. 

Zudem erlebten wir regelmäßig eine fehlenden Sensibilisierung in Bezug auf Antisemitismus. In vielen Veranstaltungen trafen wir Klugscheißer*innen, die anmerken mussten, dass es bei all den Beispielen aus den USA, Deutschland, Frankreich usw. auch wichtig sei, noch mal zu erwähnen, dass ja auch Israel total böse ist. In der Regel widersprachen die Referent*innen den dabei auftretenden typischen Doppelstandards in Bezug auf Israel nicht. Im besten Fall moderierten die Verantwortlichen verlegen ab, meistens ließen sie in Bezug auf Antisemitismus problematische Statements einfach im Raum stehen.

Einen besonders krassen Fall mangelnder Sensibilität bezüglich Antisemitismus und Israelhass erlebte ein Amab-Mitglied im Workshop „Nonviolent Journalism“. Die referierende Person war sich nicht zu blöd, erst einfach so nebenbei völlig ohne Bezug zum Thema rauszuhauen, dass Jeremy Corbyn kein Antisemit sei, sondern dass es sich um eine Kampagne unbekannter mächtiger Kreise handle, was erstens Quatsch und zweitens klassisches Verschwörungsdenken ist. Nach einer Kritik gab die Person zu, sich überhaupt nicht mit den Vorfällen auseinandergesetzt zu haben und trotzdem große Sprüche zu kloppen. Auch bei den anschließenden Täter-Opfer-Umkehr-Sprüchen aus dem Publikum („Antisemitismuskritiker*innen sind die wahren Antisemit*innen“) widersprach die den Workshop leitende Person nicht (De-tailierter Bericht zum Workshop „Nonviolent Journalism“: https://bit.ly/3ECzc0Q). 

Unser neues „Reiner-Bild“

Vom Stopp-Ramstein-Papst und IBP-Geschäftsführer Reiner Braun konnten wir in Barcelona ein neues Bild gewinnen. Im Vorfeld der Reise hatten wir uns intensiv mit seinem Wirken bei „Stopp Ramstein“ auseinander gesetzt und eine lange Kritik daran entwickelt, warum seine rechtsoffenen Posersprüche und seine Einladungen zur solidarischen Debatte mit Holocaust-Relativierer*innen krass uncool sind. (https://bit.ly/3096uWp)

In Barcelona trafen wir einen völlig anderen Reiner. Statt sich Nazis, Faschisten und Coronaleugnern an die Brust zu werfen, redete Reiner ständig von Klima und wie wichtig das ist. Auch adressierte er ständig Antirassismus und Feminismus. Nicht nur das: In einem Workshop pöbelte ein alter weißer Mann rum, dass sich die jungen Leute nur noch für „race and gender“ interessieren würde, aber nicht mehr für „class“. Dabei vergriff er sich leider im Ton, und ausgerechnet Reiner sah sich genötigt, den Herrn zu ermahnen. Bei uns ging da die Frage an, was wohl seine rechtsoffenen Stopp-Ramstein-Kumpelz von so einer Performance halten würden. Wir sehen in Reiner seit Barcelona keinen rechten Populisten mehr, sondern eher einen Opportunisten, der sich einfach allen an den Hals schmeißt, die nicht schnell genug in Deckung gehen.

Black Lives Matters

Eine deutliche Portion Opportunismus steckt in unseren Augen auch in der Preisverleihung an Black Lives Matters. Bitte nicht missverstehen: Das Aufbegehren gegen rassistische Polizeigewalt ist definitiv preiswürdig. Wir vermissen jedoch beim IPB z.B. eine Positionierung zu Dessau oder den viele anderen vergleichbaren Fällen (wer jetzt nicht weiß, was gemeint ist, hat Nachholbedarf und sollte Dessau + Polizeigewalt googlen). Warum vergeben die Leute einen Preis für das Wirken gegen rassistische Polizeigewalt irgendwo weit weg, wenn sie sich noch nie mit rassistischer Polizeigewalt vor ihrer Haustür auseinander gesetzt haben? 

Beim Jugendforum war diese beim Thema Polizeigewalt zutage tretende kulturelle Kluft zwischen erfolgreichen Akademiker*innen und Aktivist*innen spürbar. Auf der in diesem Rahmen stattfindenen Stadtführung machten die jungen Leute aus Barcelona vor einem Polizeirevier halt und wollten über die dort stattgefundene Polizeigewalt und Folter berichten. Aufgrund der großen Gruppe wurden die Wachposten vor dem Gebäude recht schnell aufmerksam, was die Kidz aus Barcelona berechtigterweise verunsicherte. Die anwesenden Young Peace Leaders waren hingegen eher davon verunsichert, dass sie sich mit einer Weltsicht auseinandersetzen mussten, in der Cops keine Freunde und Helfer sind. 

Fazit

Hat sich der Kongress gelohnt? Für uns auf jeden Fall. Wir haben viel erlebt und viel gesehen und viele spannende Leute aus anderen Ländern getroffen, siehe die detaillierten Veranstaltungsberichte auf unserem Blog. Außerdem zeigt der Kongress, dass Bewegungen diverser werden, wenn man im Veranstaltungsprogramm ernsthaft versucht, Diversität abzubilden. 

Ob der Kongress reale Effekte auf den World Peace hat? Für unsere Arbeit leider eher weniger, da die Bewegungs-Straßenköter*innen aus anderen Ländern fehlten. Hoffentlich hat der Kongress wenigstens positive Auswirkungen auf die Karrierewege der anwesenden Hauptamtlichen aus NGOs und Wissenschaft. 

Autor*inneninformationen: Die Antimilitaristische Aktion Berlin (amab) wurde 2018 von jungen Antimilitarist*innen aus Berlin gegründet. Die Gruppe engagiert sich im U35-Netzwerk der DFG-VK und im Landesverband Berlin/Brandenburg. Wir veröffentlichen Texte als Kollektiv, weil wir eine ordentliche Portion Google-Phobie miteinander teilen. Wir haben außerdem keinen Bock, dass einzelne Mitglieder, wie schon geschehen, wegen ihrer Äußerungen im Visier von Polizei oder Geheimdiensten landen. Denn so besonders viel Solidarität bekommt man unserer Erfahrung nach in so einem Fall nicht aus der in weiten Teilen recht bürgerlichen Friedensbewegung. Deswegen gibt es von uns fast nur kollektive Publikationen unterschrieben mit „Einige Aktive aus der amab“. Bitte habt Verständnis dafür.

Kategorie: International Stichworte: 202104, Amab, Barcelona, IPB, Jugenddelegation

19. Dezember 2021

Für eine Welt ohne Waffen und Militär

Dieser Beitrag ist erschienen in der
ZivilCourage 3/2021

Friedenskongress

Der World Peace Congress 2021 des International Peace Bureau in Barcelona“

Von Jürgen Grässlin

Vom 15. bis 17. Oktober fand in Barcelona der zweite World Peace Congress des International Peace Bureau (IPB) statt, fünf Jahre nach der Auftaktveranstaltung in Berlin. Der IPB-Kongress war bestens besucht, diesmal mit 1 000 anwesenden Teilnehmer*innen und 1 500 virtuell zugeschalteten Friedensfreund*innen. Das diesmalige Motto „(Re)Imagine our World: Action for Peace and Justice” war inspiriert von John Lennons Friedenshymne „Imagine“, die der britische Sänger und Songwirter exakt ein halbes Jahrhundert verfasst hatte. 

Stephan Möhrle, Ruth Rohde, Chriss Sotow und ich waren als vierköpfige Delegation des in Freiburg ansässigen RüstungsInformationsBüros (RIB e.V.) für das Global Net – Stop The Arms Trade (GN-STAT) angereist. Vor Ort traf ich mich mit weiteren Aktivist*innen der DFG-VK, seitens des BundessprecherInnenkreises mit Jan Sander. 

Barcelona als Tagungsort war bestens gewählt: Die Bürgermeisterin und der katalonische Regionalpräsident hielten flammende Reden für Frieden und Gerechtigkeit, die weit über bloße Lippenbekenntnisse hinausgingen. Mit Erfahrung und Engagement führten uns die IPB-Co-Präsidenten Lisa Clark und Philip Jennings (virtuell omnipräsent) sowie Reiner Braun, der vormalige IPB-Präsident und jetzige IPB-Generalsekretär, und der spanische Gastgeber Jordi Calvo Rufanges durch den Kongress.

Gelungen waren gleich zur Einführung die vielen Kurzreferate und Greetings, zeigten sie doch die thematische und organisatorische Breite des IPB mit seinen mehr als 300 Mitgliedsorganisationen auf. Über drei Tage hinweg wurde uns Zuhörer*innen mit Nachdruck vermittelt, wie dringlich sofortiges Handeln für Frieden ist. Denn längst wirken die Probleme unserer Zeit existenziell bedrohend: die schier ungebremst voranschreitende Klimakatastrophe, die drohende Atomkatastrophe bei der Modernisierung der Waffensysteme der Atommächte, die mehr als 30 wütenden Kriege und Bürgerkriege, die drastisch gesteigerten Militär- und Rüstungsausgaben bei desaströser Wirkung der Rüstungsexporte, die voranschreitende Entdemokratisierung, die schweren Menschenrechtsverletzungen, die rückschreitende Pressefreiheit in so vielen Ländern, die stetig wachsende Zahl an Flüchtlingen u.v.a.m. 

Den analytisch brisantesten Vortrag hielt m.E. Jeremy Corbyn von der britischen Labour Party, bei dem mir nochmals bewusst wurde, warum Corbyn in seinem Heimatland von den Tories und den Mainstreamedien bewusst diskreditiert und scharf attackiert wurde.  

Trotz des immens dichten Programmes – zwischen Plenary, Video Greetings, musikalischen Performances und den immens vielen Panels – waren in den drei Tagen kaum Pausen eingeplant. Hier galt es für jeden von uns, Prioritäten zu setzen, und gezielt die sich dabei bietenden Gelegenheiten zur Informationsvermittlung und -beschaffung sowie zur Kontaktaufnahme zu nutzen. Einem kongresserfahrenen  Friedensaktivisten fällt dies nicht schwer. Und doch bedauere ich im Nachhinein, nicht noch mehr Workshops besucht zu haben.

Drei Panels seien meinerseits bewusst hervorgehoben. 

Ruth Rohde und Julia Auf dem Brinke gelang in ihrem Workshop „Tracking Corruption in the Arms Trade“, die tiefgreifende Korruption beim weltweiten Waffenhandel aufzuzeigen. Basis dafür ist der von Andrew Feinstein bei aktiver Partizipation des RIB mit dem Global Net ins Leben gerufene Corruption Tracker.

Beim Workshop „Defund the Military. Defend People and the Planet“ hielt ich meinen gleichlautenden Vortrag. Wir sechs Referent*innen ergänzten uns inhaltlich bestens, diskutierten zukunftsgewandt und vertieften unsere Kontakte. Auch beim Workshop „Why EU Arms Export Keeps Fueling War and Repression“ konnten die Zuhörer*innen auf den aktuellen Informationsstand zum europäischen Waffenhandel gebracht werden. 

Bleibend auch das Erlebnis der Verleihung des Seán-MacBride-Peace-Prize an Aktivist*innen der Black-Lives-Matter-Bewegung. Mit ihnen hat sich in kleiner Runde am Abend ein weiterer wichtiger Kontakt ergeben. 

Besonders gefreut haben mich zudem persönliche Begegnungen wie der gemeinsame Abend mit Malalai Joya, der vormaligen Parlamentarierin in Afghanistan, die heute als Geflüchtete nahe Barcelona lebt. Vermittelt wurde dieser Kontakt durch Heike Hänsel, bis zur Wahl Linke-Bundestagsabgeordnete, und Henning Zierock von der „Kultur des Friedens“. Malalai Joya .

Hinterlässt dieser World Peace  Congress einen bleibenden Eindruck? Als Teilnehmer und Referent antworte ich mit einem klaren Ja – bleibend und positiv. 

Denn dieser globale Friedenskongress hat es dank seiner thematisch versierten und friedenspolitisch engagierten Redner*innen und Aktivist*innen geschafft, den Finger zielgenau in die Wunden weltweiter Problemlagen zu legen, die Krisen im ersten Drittel des 21. Jahrhunderts kritisch zu analysieren, konkrete Handlungsansätze aufzuzeigen und Konfliktlösungen mit dem gebotenen Nachdruck einzufordern. Grundlage unserer kommenden Zusammenarbeit wird der „Action Plan 2021-2023“ darstellen, der für 2023 eine internationale Konferenz zum Verbot von Rüstungsexporten vorsieht. 

Wollte man etwas kritisieren, so könnte man sicherlich eine größere Aktionsorientierung einfordern, sowohl seitens des Kongresses als auch in den Workshops – zu viele Vorträge, kaum gewaltfreie Aktionen, beispielsweise für die vielen Flüchtlinge am Straßenrand, selbst in den Seiteneingängen der Ramblas. Ich habe dieses Manko dennoch nicht als entscheidendes Defizit empfunden – dank des hohen inhaltlichen Niveaus der Panels und der Redebeiträge und dank der vielen neuen Kontakte in andere Länder und Kontinente, die es jetzt zu intensivieren gilt.

Erfreulicherweise konnte ich zahlreiche Kontakte knüpfen, die dem Aufbau des GN-Stat dienlich sein werden. Mein virtueller Vortrag Mitte November an der Universität Accra in Ghana zur weltweit katastrophalen Wirkung von Kleinwaffen ist ein Resultat eines IPB-Kontaktes. Viele weitere gilt es im Networking für die DFG-VK, für Aktion Aufschrei – Stoppt den Waffenhandel und für das Global Net zu nutzen. 

Schade, dass wieder fünf lange Jahre vergehen werden, ehe der dritte IPB-World-Congress, dann in Asien, stattfinden wird. Bis dahin gibt es richtig viel zu tun, wollen wir eine Welt ohne Waffen und Militär schaffen.

Jürgen Grässlin ist Mitglied im DFG-VK-BundessprecherInnenkreis.

Kategorie: International Stichworte: 202104, Barcelona, Grässlin, IPB

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„Eine Supermacht Europa verhindern“

17. Januar 2023

Michael Schulze von Glaßer
Titel: Warum Pazifismus wichtiger denn je ist
Erschienen in ZivilCourage 4-22/1-23

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16. Januar 2023

Stefan Philipp
Editorial zum Heft 3/2022

Zweifel sind keine Schande

16. Januar 2023

Ernst Rattinger
Leitartikel
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Warum Pazifismus wichtiger denn je ist

16. Januar 2023

Michael Schulze von Glaßer
Titel: Warum Pazifismus wichtiger denn je ist
Erschienen in ZivilCourage 4-22/1-23

„Ein Signal mangelnder Zivilcourage“

27. November 2022

Andreas Zumach
„Ein Signal mangelnder Zivilcourage“
Erschienen in ZivilCourage 3/2022

… gefördert von: Bertha-von-Suttner-Stiftung

27. November 2022

Hauke Thoroe
… gefördert von: Bertha-von-Suttner-Stiftung
Erschienen in ZivilCourage 3/2022

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