![]() | Dieser Beitrag ist erschienen in der ZivilCourage 3/2022 |
Titel
Katastrophen, Krisen, Kriege…
Von Elmar Klink

Es ist mittlerweile überall augenfällig: Der blaue Planet Erde ist in Brand geraten. Und das nicht nur klimatisch, sondern auch politisch. Zur menschengemachten Klimakatastrophe addieren sich die nicht minder von Menschen erzeugten politischen Katastrophen: Krisen, Kriege, Weltflüchtlinge, 89 Millionen akut Hungernde, 650 Millionen Infizierte und 6,5 Millionen Tote durch die Corona-Pandemie, die eine moderne, wissenschaftsgestützte Medizin offenbar mit herkömmlichen Strategien nicht mehr in den Griff bekommt. Ist die Menschheit der Kapitulation nahe? Erstmals seit 1945 haben wir es beim Ukrainekrieg mit einem großen Krieg am Rande Europas zu tun, unter dessen Folgen die ganze Welt zu leiden hat: Energieverknappung, Lebensmittelpreise-Anstieg, Hyperinflation, drohende Hungerkatastrophen in Afrika und eine bedrohlich schwelende atomare Gefahr. Das Stockholmer Friedensforschungsinstitut Sipri stellt in seinem Jahresbericht 2022 fest, dass die offiziellen Entscheidungsträger sich angesichts häufender Krisenlagen auf verschiedenen Ebenen einer neuen Situation gegenübersehen, der sie so nicht mehr gewachsen zu sein scheinen. Krisen folgen nicht mehr bewältigbar nacheinander, sondern stellen sich gleichzeitig ein, ja gehen komplex noch auseinander hervor und bedingen sich gegenseitig. Was tun, wenn nicht das Übel an der Wurzel gepackt wird?
Diese Frage ist die derzeit mit „brennendste“. Gerade der Ukrainekrieg Russlands gegen eine ehemalige Sowjetrepublik im westlichen Zugriff hat einen zusätzlichen Krisenmechanismus ausgelöst, den die übrigen Länder in ihrer auswachsenden Schwere nicht mehr ausreichend schultern und abfedern können. Im Gegenteil schüren viele westliche Länder als „Kriegspartei“ auf der Seite der Ukraine durch Milliarden-Dollar-Hilfen und ungeheure Waffenlieferungen den Brandherd noch, der sich immer weiter ausbreitet.
Der Sensations-ZDF-Talker Markus Lanz und die von ihm eingeladene Journalist:innen- und Politiker:innen-Riege beruhigten sich in seiner Sendung Ende August einverständlich damit, dass man laut Völkerrecht ja keine Kriegspartei sei, wenn man einem überfallenen Land mit gelieferten Waffen zur Seite steht. Juristisch vielleicht nicht, aber faktisch ist man es.
Sie scheinen (oder sind) völlig blind und taub für die tieferen Zusammenhänge des historischen Komplexes Russland – Ukraine – Westen (USA, Nato, EU). Die (militärische) Selbstverteidigung der angegriffenen Ukraine ist das eine und allein Sache dieser Nation, wie sie es anstellt und an wen sie sich dabei wendet. Sie nutzt dabei vorhandene und ihr angebotene Quellen und Wege, an entsprechende „schwere“ Gefechtswaffen zu kommen. Das andere ist, dass dies in ein Macht- und Kräftespiel zwischen dem Westen, also USA und Nato, und Russland um Hegemonie eingebettet ist. Indem der Westen in diesen militärischen Kampf von Anfang an von sich aus massiv und aktiv von außen durch Waffen, Streitkräfte-Ausbildung, militärische Aufklärung, Geld und Sanktionen eingriff, statt sich weiterhin auf Vereinte Nationen, Diplomatie und aktives Verhandeln zu konzentrieren, ist immer mehr Teil des Problems und Konflikts. Was anderes ist Ausweis von Kriegsparteilichkeit? Wie unterscheidet sich dies noch vom Nato-Bündnis-Beistand?
Die Kriegspropaganda-Medienmaschine
Im Russland-Ukraine-Krieg stehen sich hochgerüstete konkurrierende Weltmächte gegenüber. Der Kampf der Interessen wird ausgetragen unter der ideologischen Prämisse westliche „Demokratie“ versus russische „Autokratie“, „Staatsdespotie“ und expansive Militärstrategie, als gäbe es letztere nicht auch auf Nato-Seite. Dies gipfelt etwa in dem haltlosen Satz, die Ukraine kämpfe auch für die Freiheit des Westens. Eine Wiederauflage der abenteuerlichen Struck-Doktrin von der Verteidigung deutscher Freiheit am Hindukusch. Dem wird westlicherseits aller gesellschaftlicher und politischer Diskurs untergeordnet. Und Menschen wie Lanz und die meisten seiner Gesprächs-Protagonist:innen erweisen sich objektiv als Pro-Kriegs-Partei, die diese ideologische Prämisse in die mediale Öffentlichkeit vermittelt und ihre Wirkung nicht verfehlt. Statt sich eine unabhängige Position und Distanz zu erarbeiten und bewahren, die nach allen Seiten fragt und hinterfragt, wie es sich für einen freien kritischen Journalismus geziemen würde.
Ungefähr zwei bis drei Dutzend transatlantisch orientierte „Sicherheits-Expert:innen“, „Think-Tanker:innen“, Redakteur:innen aus großen Zeitungshäusern, Ex-Nato-Generäle, etablierte Publizist:innen und Politik-Repräsentant:innen von Union bis zu den Grünen bestimmen den öffentlichen Pro-Kriegs-Diskurs und geben sich bevorzugt in den TV-Talk-Studios von „Anne Will“, „Hart aber fair“, „Presseclub“, „maischberger“, „maybrit illner“, „Markus Lanz“ oder Phoenix-Runde die Türklinke in die Hand. Dass dabei auch auf die Leiterin der Hessischen Stiftung Friedens- und Konfliktforschung/Leibniz-Institut, Nicole Deitelhoff zurückgegriffen wird, zeigt lediglich, wie weit diese in den herrschenden Kriegsdiskurs verstrickt ist. Dezidiert kritische Stimmen aus Friedensforschung und Friedensbewegung werden einfach übergangen und unterdrückt.
Lanz & Co. etwa betreiben schlicht gesagt einseitige „Kriegspropaganda“. Das kann kaum im Interesse öffentlich-rechtlicher Zielsetzung für ausgewogene Information, Berichterstattung, Diskussion und Meinungsbildung liegen, wofür die Allgemeinheit teure Rundfunkgebühren entrichtet.
Die, die diesen Krieg vom Friedensstandpunkt kritisieren und ablehnen und zivile Alternativen und gewaltfreie Strategien zur Konfliktbearbeitung vorzuschlagen wüssten, lassen sich nicht in den Sog westlicher Kriegs-Parteinahme hineinziehen. Es ist aus pazifistischer Sicht unmöglich zu sagen, man müsse einen Krieg gewinnen. Sie widersetzen sich dem moralischen Druck, aus „humanitären“ Gründen in den Pro-Kriegs-Tenor einzustimmen, auch wenn es sich aus ukrainischer Sicht um einen „Verteidigungskrieg“ handelt. Krieg, der wieder als Fortsetzung von Politik mit anderen Mitteln betrieben und gutgeheißen wird, bleibt zu ächten. Das ist ein antizivilistischer europäischer Rückfall in Kriegs- und Gewaltbarbarei um Jahrzehnte, für den der Zweck die Mittel heiligt. Es entspricht der Zeitenrückwende bei der Energiekrisen-Bekämpfung zugunsten umweltschädlichem Fracking-Flüssiggas, Verlängerung von Atom- und Kohlekraftwerkslaufzeiten bis hin zum unglaublichen Versuch, Atomenergie trotz Tschernobyl und Fukushima plötzlich als „sauber“ und „nachhaltig“ zu zertifizieren, weil es eine neue nukleare Technologie gebe.
Was der Westen auf Ukraine-Seite macht, ist faktisch nichts anderes als Kriegsparteilichkeit, schon rein, was die begleitende ideologische Kriegsrhetorik betrifft.
Der wissenschaftliche Dienst des Bundestages hat darauf schon vor Längerem hingewiesen, dass man den sicheren juristischen Grund des Völkerrechts verlasse, wenn man im größeren Stil auch Soldaten der angegriffenen Seite an Waffen ausbildet und trainiert. Nichts anderes geschieht bereits und erwägt die EU laut ihrem Außenbeauftragten, Josep Borrell, zu intensivieren, indem man jetzt ein militärisches Ausbildungsprogramm für die ukrainischen Streitkräfte veranstaltet. Kurz vor dem russischen Überfall am 24. Februar hatten die EU-Außenminister bereits Pläne zur Ausbildung militärischer Führungskräfte der Ukraine gebilligt. Im Fall der EU-Mitgliedschaft der Ukraine, wofür sie inzwischen Kandidat ist, sehen Vertragsklauseln auch eine militärische Beistandspflicht vor, ähnlich dem Bündnisfall-Paragraphen des Nato-Vertrags.
Der Westen handelt quasi gegen sich selbst, so wie in der Frage der Klimakatastrophe die ganze Welt gegen sich selbst handelt und nur zu halbherzigen unzureichenden Lösungen findet bzw. bereit ist, die aber das Unglück nicht abwenden werden. Das Unglück, das ist die rasante Erderwärmung, die täglich großflächige Abholzung der lebenswichtigen Regenwälder, die systematische Ausrottung der Tier- und Pflanzenvielfalt, auch Bio-Diversität genannt. Das Unglück, das ist auch das Abschmelzen der weltweit gebundenen Eisvorräte an den Polen und in den Gebirgen, verbunden mit einem drastischen Anstieg des Meeresspiegels. Das bedeutet „Land unter“ weiter Meeresanrainer-Regionen bis in 20, 30 Jahren.
Ein alter Film, der heute (fast) Realität ist
Wir schreiben das Jahr 2022, 38 Jahre nach Orwells „1984“, 50 Jahre nach dem ersten alarmierenden Bericht des „Club of Rome“ über die „Grenzen des Wachstums“.
1972/73 entstand ein Science-Fiction-Film mit dem Titel „… Jahr 2022 … die überleben wollen“. Er zeichnet visionär einen sehr ähnlich gearteten Zustand wie den, mit dem wir es heute real zu tun haben. Globale Umwelt- und Luftverschmutzung, Überbevölkerung, hungernde Massen, korrupte Konzerne, akute Ernährungsnöte. Frische Lebensmittel kosten horrende Geldsummen, saubere Luft ist den privilegierten oberen Zehntausend vorbehalten, die diese gegen hohe Eintritte stundenweise in Gewächshaus-Pavillons atmen dürfen. Der ozeanische Nahrungsmittel-Konzern Soylent kommt auf eine irrwitzige Lösung des Problems Überbevölkerung und Hungersnot: Jeder Mensch, der dies möchte, und Menschen ab einer bestimmten Altersgrenze können sich staatlich einschläfern lassen, was Menschen vor den Toren der Sterbeinstitute Schlange stehen lässt. Sie bekommen ein letztes Mal eine grandios-groteske Show geboten. Nachdem sie den Todestrunk eingenommen haben, wird ihnen auf großflächigen Leinwänden noch einmal vorgeführt, wie die Erde früher war und ausgesehen hat, als sie noch grün, fruchtbar, von Tieren in Meeren und an Land zahllos bevölkert war. Meeresküsten, Flüsse, Berge, weite, im Wind wehende Blumenwiesen, friedlich grasendes Wild, plätschernde Bäche, Wasserfälle – all das vergangene Schöne und Wilde der Natur. Dazu wird klassische Musik eingespielt, Beethoven – die Pastorale. Oder Händel, Mozart, Debussy…, was man sich erwählt. Nachdem das Gift sanft gewirkt hat und die Menschen tot sind, werden sie wie Mumien in Leichentücher eingewickelt an Terminals verfrachtet, wo sie in große Müllcontainer-Fahrzeuge geladen werden, die sie zu den Soylent-Fabriken bringen.
Dort kippt man die Leichname in riesige Becken mit zersetzenden Flüssigkeiten… Einige Produktionsgänge weiter verlassen handliche Kekse im „Bahlsen“- und Knäcke-Format in Milliardenstückzahl auf Förderbändern die Produktionsanlage. Als Soylent-Kekse Grün, Orange oder Gelb werden sie auf Märkten günstig als Kraftnahrung angeboten und ihr hoher Energiegehalt als angeblich aus Meeresalgen gewonnen gepriesen. Ein Polizist, der an der Aufklärung eines Mordes an einem hohen Soylent-Funktionär arbeitet, kommt bei seinen Ermittlungen und aufgrund von Erkenntnissen aus den Soylent-Berichten dem Ungeheuren auf die Spur und brüllt die furchtbare Wahrheit am Ende des Films hinaus: Soylent ist Menschenfleisch! „Soylent Green“ – ein Film, der heute (fast) Gegenwart ist. Aber vernichten wir nicht auch schon auf industrielle Weise unsere Artgenossen, die Tiere, um uns massenhaft von ihnen zu ernähren, die wie wir Gefühle und ein Bewusstsein haben? Was ist mit Fast Food? Paul McCartney versicherte einmal: „Ich esse nichts, was zwei Augen hat.“
Die Erde wird zunehmend unbewohnbar
Soweit diese düstere, bedrückende Allegorie. Unser Planet brennt. Gerade in den letzten Jahren gingen weltweit riesige Waldflächen durch Brände und illegale Rodung etwa im Amazonas- und Kongobecken oder in den Regenwäldern Südostasiens verloren. Indonesien mit seiner riesigen 2-Millionen-Quadratkilometer-Inselfläche und 270-Millionen-Einwohnerschaft ist politisch zu den aufstrebenden neuimperialistischen Ländern zu zählen. Mit seiner explosiv wachsenden Bevölkerungszahl liegt es hinter China, Indien, USA und noch vor Brasilien an vierter Stelle.
Waldbrände in den jahreszeitlich heißen Sommern treten nicht mehr nur dort auf, wo man sie für gewöhnlich wiederkehrend erwartet: Kanada, Westen und Südwesten der USA, Südeuropa, Mittelmeerraum, Griechenland, Australien. Auch Gebiete in Zentraleuropa, Frankreich, Deutschland, Skandinavien, Rumänien, ja auch in Sibirien sind zunehmend betroffen. Ansteigende Temperaturen auf über 40, sogar über 50 Grad Celsius in unseren Breiten und wochenlange Hitzewellen machen dies möglich. Eine direkte Folge der Erderhitzung.
Extrem stellte es sich in diesem Jahr in Deutschland dar. Ausgetrocknete Böden, verdorrte Nutzpflanzen und Ernteschäden, Tiefstpegelstände in den großen Flüssen Rhein, Main, Elbe, Donau, ausgedehnte Waldbrände vor allem in Brandenburg und Sachsen. Wir erlebten die größte Dürre seit 500 Jahren, fast die Hälfte von Europa sei davon betroffen, so stellen es Forscher der EU-Dürrebeobachtungsstelle in einem neuen Bericht fest. Dies habe besonders negative Auswirkungen auf die Ernte von Sommerkulturen wie bei Mais und Sojabohnen.
Die zu erwartende Missernte bei Kern-Getreidearten werden die ohnehin hohen Nahrungsmittel-Kosten noch zusätzlich steigen lassen. Das wird voraussichtlich eine mittlere Katastrophe für Landwirte und ärmere Verbraucher. Nach finanziellen „Entlastungen“ wird überall gerufen, aber entweder kommen die sehr Grundbedürftigen nicht in ihren Genuss oder sie schlagen dank unserer neoliberalen Finanzregierung einseitig gerade bei den Reicheren positiv zu Buche,. Dabei gälte es,å „Schaden vom deutschen Volk abzuwenden“, nicht nur von Lobbygruppen und eigener Klientel. Die zunächst geplante Gasumlage wäre ein absurdes Lenkungsinstrument gewesen, auf gestiegene Energiekosten noch eins drauf zu setzen – plus Mehrwertsteuer, von der der Staat profitiert. Die Folgen vor allem auch des deutschen Kriegsengagements in der Ukraine und die Berliner Sanktionspolitik gegen Moskau werden teuer. Wie lange machen die Menschen das mit? Denn das Land brennt. Krieg, Energie-, Ernährungskrise, Corona – alles hängt miteinander zusammen und voneinander ab. Es hilft nicht, nur an Symptomen herumzudoktern. Das System, das sehen und spüren wir immer mehr, ist todkrank.
Ein neuer heftiger Corona-Herbst und -Winter könnte bevorstehen. Wir können die Massen totimpfen, das Virus verschwindet dadurch nicht und durchseucht jetzt die Bevölkerung. Täglich weiterhin zwischen fünfzig- und hundertausend Neuinfektionen in Deutschland. Mehr Impforgien erhöhen wiederum die unwägbare Mutanten-Gefahr, ein Teufelskreis. Noch immer sterben bundesweit pro Tag über 100 bis 200 Menschen an Covid-19 und das im Jahr drei der Pandemie! Ein Skandal. Pharma-Konzerne verdienen sich an neuen Impfstoffen für den Herbst wieder dumm und dämlich. Übergewinnsteuern? Vergesst es. Nicht mit einem Finanzminister der FDP. Covid-19 ist nicht harmlos, keine leichte Sommergrippe. Jeder achte Genesene leidet mehr oder weniger schwer an Long-Covid-Folgen, Teilnervenlähmungen, funktionellen Organbeeinträchtigungen, Sinnesausfällen, Fatigue-Syndrom, chronischem Erschöpft-sein, geschwächter Immunität usw. Die menschliche Gesundheitssubstanz schwindet. Menschenrecht auf menschenwürdige Gesundheit? Die Covid-Pandemie schafft ein riesiges Einfallstor für nächste Viren-Angriffe. Man erinnere sich, es sind im Zukunftsroman „Krieg der Welten“ von H.G. Wells nicht Atombomben, die außerirdische Marsianer bei ihrer Invasion der Erde zur Strecke bringen, sondern Mikroben…
Der Planet brennt, die Zellen im menschlichen Organismus „brennen“, Wälder brennen, Städte brennen in der Ukraine. Unter schlecht isolierten Dächern über Mansarden fällt an heißen Tagen die Temperatur des Nachts nicht mehr unter 27 Grad. Schlaf-Sauna plus schlafloses Schäfchen-zählen. Ventilatoren waren ausverkauft, Heizlüfter für den Herbst sind es teilweise auch.
Drastisch führen austrocknende Flüsse und Seengewässer vor Augen: Die Katastrophe ist da. Bei anhaltend 25 bis 30 Grad Wassertemperatur im Sommer verrecken die meisten Fische außer Hechte und Karpfen auch so, der Sauerstoffgehalt schwindet drastisch. Die Kreatur erstickt, Bäume geben auf ausgetrockneten Waldböden den Geist auf, den Rest besorgen Schädlinge. Der Waldzustandsbericht nach Dürren und Tornados fällt verheerend aus. Fast jeder dritte Baum hierzulande ist bedrohlich geschädigt, kämpft um sein Überleben. Nahrung für Flächenbrände. Erst sterben die Wälder, dann der Mensch. Die Erwärmung über Gebühr fördert giftiges Algenwachstum in Seen. Chemikalieneinleitungen in Flüsse bewirken das Übrige. 200 bis 400 Tonnen verendeter Fisch in der Oder, 25 bis 50 Prozent Verlust des gesamten Fischbestandes – und Experten streiten sich noch immer über mögliche Ursachen… Das schafft keine einzelne Gift-Alge, vor allem nicht in einem Fließgewässer. Da sind Chemie und Mensch verursachend mit im Spiel. 282 illegale Abwasser-Kanäle in die Oder wurden bislang auf polnischer Seite gefunden. Deutsche und polnische Politikverantwortliche schieben sich gegenseitig den schwarzen Peter zu.
Es sind lediglich Symptome für das, was im Großen nicht mehr stimmt, hüben wie drüben. Wenn in der Ukraine ein AKW in die Luft fliegt, wird es für alle bitter. Wind und Fallout kennen weder Freund noch Feind. Das weiß man auch in Moskau. Noch immer sind Pilze auf süddeutschen Waldböden stark Caesium-belastet, vor allzu viel Verzehr wird gewarnt. Das sind die Folgen von Tschernobyl – vor 36 Jahren, damals in der Ukraine! Mehr als eine Generation liegt das nun zurück. In Fukushima leitet man jetzt große Mengen zurückgehaltenen radioaktiven Wassers „kontrolliert“ ab ins Meer. Industrie-Fangfisch aus dem Nordpazifik, sog. Alaska-Seelachs, sollte man nicht mehr bedenkenlos essen.
Der Sonnenbrand lässt Gletscher in Gebirgen beschleunigt schmelzen. Neueste Zahlen aus der Schweiz besagen, dass die dortigen Gletscherwelten zwischen 1931 und 2016, das sind gerade mal 85 Jahre, die Hälfte ihres Volumens eingebüßt haben. Ab 2016 ist nach dem Gletschermessnetz Glamos das Eis noch schneller geschmolzen, Bis 2022 ging das Volumen um weitere 12 Prozent zurück zu den schon 50 Prozent. An der Marmolada, mit 3 340 Metern der höchste Dolomiten-Gipfel, brechen ganze Eis- und Felswände infolge Erwärmung ab und gehen als Eis-Geröll-Muren zu Tal, Menschen und Tiere unter sich begrabend.
Ein radikaler Wandel ist notwendig
Und den Regierenden fällt nicht mehr ein als „Entlastungspakete“. Leere Versprechungen, Hinhalte-Manöver, um die nervöse Stimmung in der Bevölkerung zu dämpfen. Hunger-Revolten scheinen gar nicht mehr so fern. Die ganze kurzsichtige Reparaturpolitik an der Mega-Maschine müsste „entlastet“ und entsorgt werden. AKW- und Kohleschleuder-Laufzeiten sollen der Kriegskrise wegen wieder verlängert werden und jeweils gut Zweidrittel-Mehrheiten der Bevölkerung befürworten das.
„O Mensch gib acht“ (Nietzsche) – vor dir selbst. Man greift des einen Übels wegen wieder zum anderen und holt es zurück. Flüssiggas aus teurem, umweltschädlichem Fracking. Nichts drückt Kapitulation beim Klimaschutz deutlicher aus. Grüner Wasserstoff aus Kanada… Wir wissen, was wir vom „guten Willen“ der Politik(er:innen) zu halten haben. Die Wut ob ihres Versagens auf breiter Front wächst.
Als Friedensbewegung, als Pazifist:innen und Antimilitarist:innen sollten wir viel stärker als bisher in größeren Zusammenhängen denken, unsere Bündnisse organisieren – und radikaler handeln. Ganz in dem Sinne, dass sich dieses Wort vom lateinischen radix = die Wurzel ableitet, also: an die Wurzel gehend, von Grund auf.
Elmar Klink ist seit 1971 Kriegsdienstverweigerer und war Mitglied im Verband der KDVer (VK, eine Vorläuferorganisation der DFG-VK). Von 1991 bis 2008 war er beruflich in der EAK (Evang. Arbeitsgemeinschaft für KDV und Frieden) tätig. In der ZivilCourage 2/2019 rezensierte er unter der Überschrift „Lebensthema Kriegsdienstverweigerung“ ausführlich die 2018 erschienene Autobiografie des langjährigen Vorsitzenden der Zentralstelle KDV Ulrich Finckh (Pimpf, Pfarrer, Pazifist. Bremen 2018).