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Karikatur
Ausgabe 5/2020
Sprechen statt brechen
Ausgabe 5/2020
Vom Umgang mit problematischen Ansichten von Freunden
Von Willi Rester
Ich arbeite schon seit ein paar Jahren in unserer DFG-VK-Gruppe Oberpfalz mit einem liebenswürdigen älteren Herrn zusammen, ohne den in einem Teil unseres räumlich sehr ausgedehnten Gruppengebiets die Friedensarbeit kaum aufrecht zu erhalten wäre.
Vor einiger Zeit lud er mich ein, fern seiner Heimatstadt eine Demo zu besuchen, die jetzt als Hygiene-Demos bekannt sind. Ich hatte mich etwas verspätet und konnte ihn dabei beobachten, wie er dastand mit einem Pappschild, auf dem er seine Sorge um die Aushöhlung des Demonstrationsrechts kund tat. Hinter ihm stand die örtliche AfD, durchweg Flügelleute, daneben Impfgegner der Weltverschwörerfraktion usw., inmitten dreimal so viel Eltern, die Probleme mit Kinderbetreuung und Homeschooling hatten. Als wir nach Ende der Demo endlich miteinander sprechen konnten, erzählte er mir, es seien keine extremistischen Aussagen gefallen und keine Nazis und Verschwörungsleute da gewesen. Im Hintergrund war derweil die Demoorganisatorin im trautem Gespräch mit dem AfD-Fraktionsvorsitzenden vertieft.
Soll ich nun mit dem DFG-VK-Kollegen brechen, gar seinen Ausschluss aus dem Verband[nbsp] betreiben? Ein Mensch, mit dem ich zu 95 Prozent seiner Ansichten übereinstimme, der weder Corona leugnet noch die Wirksamkeit der Eindämmungsmaßnahmen, aber das Recht auf freie Meinungsäußerung als wichtiger ansieht als Infektionsschutzmaßnahmen. Nein, ich werde nicht mit ihm brechen. Ich werde mit ihm sprechen.
Ich sage ihm, dass ich Angst habe, wenn er gemeinsame Sache macht mit Leuten, die vor acht Jahren meinen früheren Nachbarn und Parteigenossen auf eine Todesliste setzten, weil er als Parlamentsabgeordneter ungleich prominenter war als ich, ich aber die gleichen Ansichten hatte und habe. Dass es mich graust, wenn eine neben der Friedensfahne wehende Reichskriegsflagge das Soldatentum als charakterbildend glorifiziert. Dass sich mein von Technik und Marxismus geprägtes Gehirn sträubt, logikfreie Verschwörungstheorien überhaupt nachzuvollziehen. Dass es mich ekelt, wenn Ausdrücke und Symbole aus der Nazizeit zweckentfremdet werden, mit denen eine selbstinszenierte Opferrolle auch noch dramatisch überhöht werden soll. Und einges mehr.
Der ältere Herr kann sich meine Meinung anhören und selbst entscheiden. Mag er um der lieben 95-Prozent-Übereinstimmung willen mit mir weiter arbeiten und sich abgrenzen gegen rechts oder die Grenze überschreiten und seine Konsequenzen ziehen.
Wir sind ein freies Land, und freie Meinungsäußerung ist ein hohes Gut. Wenn sich aber deswegen jemand entschließt, z.B. rechtsextremistisches Gedankengut nachzuplappern, darf er/sie sich nicht wundern, schon gar nicht beklagen, wenn ich ihn/sie als Faschisten bezeichne.
Komische Meinungen in die Schublade „Bäh“ zu stecken dagegen behindert mich, wieder mal meine Positionen und Überzeugungen zu überprüfen – und in der Regel für nach wie vor gut zu befinden.
Willi Rester ist ist aktiv in der DFG-VK-Gruppe Oberpfalz und einer der VertreterInnen des Landesverbands Bayern im Bundesausschuss.
Editorial
Ausgabe 5/2020
Liebe Leserin, lieber Leser,
im bundesweiten Lockdown eine ZivilCourage-Ausgabe zu machen, ist ziemlich mühsam. Die Corona-Pandemie schwebt doch irgendwie über allem. Und auch, wenn die DFG-VK insgesamt Wege gefunden hat, ihre Arbeit und ihr Engagement der „neuen Normalität“ anzupassen, Treffen mit Abstand durchführt, eine Video- und Telefonkonferenz nach der anderen macht, Demos nach Hygieneregeln veranstaltet, so sind natürlich viele damit beschäftigt, ihr persönliches Leben zu organisieren. Und als Gesamtverband angemessen Position zu beziehen, die Lage umfassend zu analysieren und strukturell, inhaltlich, strategisch richtige Antworten zu finden … das würde eigentlich viele persönliche Treffen und intensive Diskussionen erfordern. Also muss wohl gerade einiges Stückwerk bleiben und vorläufig sein.
Wie wir uns mit „Corona“ auseinandersetzen könnten, zeigt der Beitrag von Joachim Schramm. Bei der Landesdelegiertenkonferenz NRW hat er einen Vortrag zum Thema „Corona und Sicherheit“ gehalten und damit Impulse für eine Diskussion geliefert. Solche Diskussionen brauchen wir viel mehr.
Mein Wunsch: Nutzt doch als DFG-VK-Mitglieder die Mailingliste als Diskussionforum und bringt Euch ein – Anmeldung unter admin_it@dfg-vk.de
Das zweite große Thema dieser Tage ist die US-Präsidentschaftswahl. Ob und wann Trump seine Niederlage eingesteht, ist jetzt, Mitte November, noch nicht abzusehen.
Falls es aber so kommt, dass Joe Biden und Kamala Harris am 20. Januar ihre Ämter als Präsident und Vizepräsidentin, wie von der US-Verfassung vorgesehen, antreten und es nicht zum Bürgerkrieg in den USA kommt, dann wäre damit zwar wenigstens ein Stück demokratische Normalität wieder eingekehrt.
Beruhigen kann uns das aber als Friedensbewegung in Deutschland keineswegs. Nicht anders als schon der Friedensnobelpreisträger und Drohnenmörder Barack Obama und der „durchgeknallte“ Donald Trump wird Joe Biden von den europäischen Nato-Mitgliedern mehr Ausgaben für Militär und Rüstung fordern und sich auf das berüchtigte 2-Prozent-Ziel berufen. Auch bei uns werden die Stimmen (wieder) lauter werden, die behaupten, Deutschland und Europa müsse mehr Verantwortung in der Welt übernehmen – und diese vor allem militärisch definieren. Gerade dieser Tage kam die SPD auf die Idee, zusätzlich zu den nationalen Armeen ein eigenes EU-Militär zu fordern.
Andreas Zumach erinnert in seinem Beitrag zur Verantwortung Europas in der Welt daran, „Die EU muss wieder zum Friedensprojekt werden“, und benennt konkrete Punkte zur Umsetzung. Gerade im Blick auf die Bundestagswahl im Herbst 2021 sollten wir alle Möglichkeiten nutzen, diese Perspektive in die Diskussionen einzubringen und auch in Aktionen umzusetzen. Nach dem Motto: Abrüsten statt aufrüsten – Sicherheit neu denken! (https://abruesten.jetzt und https://www.sicherheitneudenken.de)
Auch und gerade die Pandemie zeigt uns doch, dass uns nicht SoldatInnen und Panzer fehlen, sondern gut ausgebildetes und ordentlich bezahltes Personal im Gesundheits- und Sozialbereich.
Und das Titelthema allgemeine Dienstpflicht? Es taucht zu allen möglichen und unmöglichen Zeiten auf. Die Argumente sind immer die gleichen, die Gegenargumente auch. Wichtig, sie dennoch mal wieder zu benennen.
Ich wünsche gute Gesundheit und klares Denken
Stefan Philipp
Chefredakteur der ZivilCourage