![]() | Dieser Beitrag ist erschienen in der ZivilCourage 3/2021 |
Literatur

Andreas Zumach: Reform oder Blockade: Welche Zukunft hat die UNO? Zürich 2021; 320 Seiten; 25 Euro
Im Jahr 2015 veröffentlichte Andreas Zumach zum 70jährigen Bestehen der Vereinten Nationen (englisch: United Nations Organization; Uno) das Buch „Globales Chaos – machtlose Uno“. In seiner Besprechung in der ZivilCourage 4/2015 stellte Stefan Phi-lipp damals fest: „Pazifistische Analyse und Strategieentwicklung kommt um die Uno-Frage nicht herum. Das Zumach-Buch ist auch deshalb Pflichtlektüre für PazifistInnen.“ Diese Einschätzung trifft uneingeschränkt auch auf die in diesem Jahr erschienene aktualisierte und stark erweiterte Neuausgabe des Buches unter dem Titel „Reform oder Blockade: Welche Zukunft hat die Uno?“ zu.
Andreas Zumach schildert in dem neuen Buch nicht nur den weiteren Verlauf der in der ersten Auflage beschriebenen Gewaltkonflikte und stellt die fortschreitende Erosion des Völkerrechts, insbesondere (aber bei Weitem nicht nur) durch die US-Administration unter Präsident Trump, dar, sondern zeigt auch, welche Rolle die Uno bei den gegenwärtig größten Herausforderungen für die Weltgemeinschaft spielt (oder spielen könnte und sollte): die Bewältigung der globalen Folgen des Klimawandels und der Corona-Pandemie.
Besonders lesenswert ist dazu das Kapitel „Corona, Ebola – Gesundheit als Ware“, in dem Andreas Zumach die Veränderungen der Finanzierung der Weltgesundheitsorganisation (WHO) von staatlichen Pflichtbeiträgen der Uno-Mitgliedsstaaten bis Ende der 1990er Jahre hin zu freiwilligen Leistungen der Regierungen und zweckgebundenen Spenden von Stiftungen und Konzernen (zusammen inzwischen 80 Prozent der Haushaltsmittel der WHO) schildert. Diese Veränderungen hatten gravierende Folgen für die Arbeit der WHO und führten unter anderem dazu, dass die Entwicklung vorbeugender Gesundheitsprogramme, die die sozialen und politischen Ursachen von Krankheit mit in den Blick nehmen, vernachlässigt wurde.
Sehr differenziert betrachtet An-dreas Zumach in diesem Zusammenhang den Einfluss privater Akteure, wie z.B. der Bill & Melinda-Gates-Stiftung, bei der Finanzierung der WHO. Die unzureichende Finanzierung der gesamten Uno verdeutlicht Andreas Zumach mit diesem Vergleich: Die 193 Uno-Mitgliedstaaten gaben 2019 fast 250 US-Dollar pro Erdbewohner für Rüstung und Militär aus, für die Uno hingegen lediglich 7 US-Dollar.
Vorschläge für eine Reform und Weiterentwicklung der Uno stellt der Autor in seinem Buch einige vor, wie den 2005 vom damaligen Uno-Generalsekretär vorgestellten Reformplan der Uno „In größerer Freiheit. Auf dem Weg zu Entwicklung, Sicherheit und Menschenrechten für alle“ und die 2015 auf einem Uno-Gipfel verabschiedete „Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung“. Umgesetzt werden konnte davon bislang nur wenig. Der im Januar 2021 in Kraft getretene Atomwaffenverbotsvertrag bleibt deshalb der einzige Lichtblick in der Entwicklung der letzten Jahre.
Das Buch ist für die praktische politische Arbeit sehr hilfreich. Die systematische Darstellung des Verlaufs von Krisen und Konflikten erleichtert es, aktuelle Ereignisse und das Scheitern der Uno-Mitgliedstaaten besser zu verstehen. Andreas Zumach schildert an vielen Beispielen sehr klar, wie die Aushöhlung der UN-Charta dazu führte, dass das Völkerrecht durch Vertragsbrüche von Mitgliedstaaten im sogenannten Krieg gegen den Terrorismus immer obsoleter wurde. Das Personenverzeichnis in der Neuausgabe steigert den Gebrauchswert des Buches zusätzlich.
Ebenfalls einen hohen Gebrauchswert als gute Argumentationshilfe in der aktuellen Debatte hat übrigens ein Beitrag von Andreas Zumach, der im September (nur) auf der Homepage der Zivilcourage (https://zivilcourage.dfg-vk.de/) erschienen ist: „Der endlose und gescheiterte Krieg. Afghanistan, Irak, Syrien, Mali – und wie weiter?“, abrufbar unter https://bit.ly/3chqMiV
Stefan Lau